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Teure Packungen

Hochpreiser als eine neue Herausforderung für die Apotheke

Hochpreisige Arzneimittel verursachten im Jahr 2014 fast ein Viertel der Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel, obwohl der Absatzanteil der Hochpreiser (also der Anteil an der Zahl der Packungen) nur im Promillebereich lag. Etwa jedes 290-ste verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel (Rx-FAM), das im Jahr 2014 zulasten der GKV abgegeben wurde, hatte nach Angaben von Insight Health einen Herstellerabgabepreis von über 1200 Euro. Hochpreisige Arzneimittel werden weiter an Bedeutung gewinnen. Sie sind damit nicht nur ein plakatives Thema, sondern ein praktisches Problem, das ganz neue Herausforderungen für Apotheken schafft und schlimmstenfalls ihre Existenz bedroht.

Eine Analyse von Thomas Müller-Bohn und Uwe Hüsgen

In diesem Beitrag soll es zunächst um die Folgen für die Apotheken aus betriebswirtschaftlicher und ordnungspolitischer Sicht gehen. In einem späteren Beitrag werden die Folgen für die Krankenkassen und die Gesellschaft insgesamt betrachtet.

Als Hochpreiser werden Fertigarzneimittel bezeichnet, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) über 1200 Euro und deren Apothekeneinkaufspreis daraufhin über 1238,50 Euro beträgt. Die Grenze wird an dieser Stelle gezogen, weil dort die Deckelung des Großhandels­aufschlags greift und alle Hochpreiser-Packungen damit einen einheitlichen Großhandelsaufschlag von 38,50 Euro haben. Der durchschnittliche Packungswert der knapp 2,1 Millionen im Jahr 2014 zulasten der GKV abgegebenen Hochpreiser lag mit annähernd 3800 Euro um mehr als das 70-Fache über dem Durchschnittswert aller zulasten der GKV abgegebenen verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel. Bei den privaten Verordnungen waren der Absatzanteil der Hochpreiser mit einem knappen Viertelprozent bzw. knapp 250.000 Packungen und der Umsatzanteil mit rund 19 Prozent geringer als bei der GKV, weil dort viele nicht-erstattungsfähige Arzneimittel, wie z. B. Lifestyle-Arzneimittel, in die Betrachtung eingehen. Im statistischen Mittel wurden im Jahr 2014 in jeder Apotheke damit etwa zwei Hochpreiser-Packungen pro Woche zulasten der GKV oder auf Privatverordnung abgegeben.

Die Zahl der insgesamt abgegebenen Hochpreiser stieg von 2012, als die Kappung des Großhandelsaufschlags bei einem ApU von 1200 Euro eingeführt wurde, bis 2014 um gut 18 Prozent, die Zahl der Nicht-Hochpreiser dagegen nur um knapp 1,5 Prozent. Dabei waren die Hochpreiser mit einem Umsatzzuwachs in diesem Zeitraum von fast 35 Prozent für den Umsatzanstieg im gesamten Markt der verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel von knapp 8 Prozent (Nacht- und Notdienstpauschale jeweils unberücksichtigt, weil erst im August 2013 eingeführt) so gut wie allein verantwortlich. Der durchschnittliche Verkaufswert je Packung lag bei den Nicht-Hochpreisern in 2014 nur knapp 0,2 Prozent über dem des Jahres 2012.

Folgen für die Kennzahlen

Hochpreisige Arzneimittel erhöhen die Apothekenumsätze überproportional im Vergleich zu anderen wirtschaftlichen Kennzahlen. Damit sagen die Umsätze immer weniger über den wirtschaftlichen Erfolg und über die erbrachten Leistungen der Apotheken aus. Da der prozentuale Preisaufschlag für Hochpreiser (ebenso wie für andere Fertigarzneimittel) gemäß Arzneimittelpreisverordnung nur drei Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis beträgt, beanspruchen die Apotheken nur einen kleinen Anteil an diesen Umsätzen. Damit gehen die prozentualen Roherträge (Handelsspanne) deutlich zurück, denn für fast ein Viertel des Umsatzes mit verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln beträgt die Handelsspanne durchschnittlich nicht einmal drei Prozent.

Dadurch sinkt die Aussagekraft des prozentualen Rohertrags. Sowohl in der einzelnen Apotheke als auch in der Gesamtbetrachtung wird der Rohertrag immer mehr durch den Anteil der Hochpreiser am Gesamtumsatz bestimmt.

Bei Einführung des Kombimodells im Jahr 2004 (auf Grundlage des Basisjahres 2002) war geplant, dass die Apotheke bei der Abgabe eines Arzneimittels zulasten der GKV zu rund 90 Prozent über den Festzuschlag (von zunächst 6,38 Euro; siehe Tabelle) und zu rund 10 Prozent über die kaufmännische Komponente (von 3 Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis) vergütet werden sollte. Bis 2014 stieg der Festzuschlag um 7,2 Prozent auf 6,84 Euro, der Rohertrag aus kaufmännischer Komponente legte von 0,82 Euro (2004) bis 2014 um mehr als 35 Prozent auf 1,11 Euro zu (siehe Tabelle). Doch dies ist nicht den Apotheken anzulasten, sondern ergibt sich aus der veränderten Struktur des Arzneimittelmarktes.

Tab.: Entwicklung des Krankenkassenrabatts („Kassenabschlag“) und seine Auswirkungen auf die Erträge der Apotheken und des Staates je zulasten der GKV abgegebenem verschreibungspflichtigem Fertigarzneimittel
Jahr Apotheken-Fest-zuschlag(A-FZ) A-FZzzgl.MwSt.²⁾ Kassenrabatt mit MwSt. A-FZ abzgl. Kassenrabatt kfm. Komponente (3% auf AEK) Apotheken-Rohertrag insg. MwSt.-Anteil am A-FZ abzgl. Kassenrabatt
mit MwSt. ohne MwSt. in Euro in Prozent2004 = 100 in Euro in Prozent2004 = 100
2004 8,10 € 9,40 € 2,00 € 7,40 € 6,38 € 0,82 € 7,20 € 100,0% 1,02 € 100,0%
2005 8,10 € 9,40 € 1,93 € 7,47 € 6,44 € 0,91 € 7,35 € 102,2% 1,02 € 100,0%
2006 8,10 € 9,40 € 2,00 € 7,40 € 6,38 € 0,87 € 7,25 € 100,7% 1,02 € 100,0%
2007 8,10 € 9,64 € 2,23 € 7,41 € 6,23 € 0,93 € 7,16 € 99,5% 1,22 € 119,6%
2008 8,10 € 9,64 € 2,30 € 7,34 € 6,17 € 0,93 € 7,10 € 98,6% 1,17 € 114,9%
2009 8,10 € 9,64 € 1,75 € 7,89 € 6,63 € 0,99 € 7,62 € 105,9% 1,26 € 123,5%
2010 8,10 € 9,64 € 1,75 € 7,89 € 6,63 € 1,01 € 7,64 € 106,2% 1,26 € 123,5%
2011 8,10 € 9,64 € 2,05 € 7,59 € 6,38 € 1,01 € 7,39 € 102,7% 1,21 € 118,8%
2012 8,10 € 9,64 € 2,05 € 7,59 € 6,38 € 1,03 € 7,41 € 102,9% 1,21 € 118,8%
20131) 8,35 € 9,94 € 1,80 € 8,14 € 6,84 € 1,07 € 7,91 € 109,9% 1,31 € 128,1%
2014 8,35 € 9,94 € 1,80 € 8,14 € 6,84 € 1,11 € 7,95 € 110,4% 1,30 € 127,3%
¹⁾ die ab 01.08.2013 zusätzlich zum Apotheken-Festzuschlag (A-FZ) zu erhebende Notdienstpauschale von 0,16 € je Rx-FAM bleibt unberücksichtigt, da sie voll an den Nacht-und Notdienstfonds des DAV abzuführen ist. ²⁾ Mehrwertsteuersatz 2004 bis 2006: 16%; ab 2007: 19%. Quelle: INSIGHT Health und eigene Berechnungen; Hü. ©

Folgen für den Apothekenbetrieb

Soweit zu den Folgen aus statistischer bzw. branchenbezogener Sicht – nun zur einzelnen Apotheke: Auf den ersten Blick erscheinen Hochpreiser für eine wirtschaftlich gesunde Apotheke als willkommene Aufbesserung des (absoluten) Rohertrags. Da Hochpreiser patientenindividuell bestellt werden, droht zunächst kein Verfall. Die Apotheke muss das teure Arzneimittel üblicherweise bis zur Vergütung durch die Krankenkasse vorfinanzieren, aber in Zeiten extrem niedriger Zinsen sollten dafür bei guter Liquidität der Apotheke über einen Zeitraum von einigen Tagen oder allenfalls wenigen Wochen deutlich weniger als drei Prozent Zinsen anfallen.

In etlichen Fällen mögen diese optimistischen Annahmen erfüllt sein, aber längst nicht immer. Eine Nullretaxation wäre für die Apotheke eine Katastrophe, die im Einzelfall die Existenz gefährden könnte. Denn der Preis für eine Packung kann dem Gewinn mehrerer Monate entsprechen. Damit bestärkt das Phänomen der Hochpreiser die Notwendigkeit, das Retaxationsproblem mit den Krankenkassen einvernehmlich zu lösen und Retaxationen, sofern die Krankenkasse gegenüber dem Patienten von ihrer Sachleistungspflicht befreit wurde, z. B. auf maximal die Abschöpfung des Gewinns zu beschränken, wie dies beispielhaft mit der AOK Rheinland/Hamburg bereits vereinbart werden konnte. Wenn eine solche Regelung für die nahe Zukunft generell unterstellt werden könnte, wäre dieses Problem weitgehend entschärft.

Doch es bleiben weitere Risiken im Umgang mit so hochpreisigen Waren. Jedes zufällige Missgeschick mit einer solchen Packung kann zu einem existenziellen Pro­blem nicht nur für eine kleine Apotheke werden – dies ist eine bis vor Kurzem kaum bekannte Gefahr für Apotheken. Denn wie jeder andere Gegenstand kann eine solche Packung physisch Schaden nehmen oder gestohlen werden; das Rezept kann auf dem Abrechnungsweg verloren gehen; der Patient kann zwischen der Bestellung beim Großhandel und der Abgabe versterben. Doch mit welchem Abschlag nimmt der Großhandel bzw. der Hersteller eine solche Retoure zurück? Weitere Probleme können sich mit Privatpatienten ergeben. Kann der Patient bei der Belieferung wirklich zahlen und wie macht er das? Kann das Arzneimittel erst nach dem Eingang einer Überweisung abgegeben werden? Trotz aller Beteuerungen zur Heilberuflichkeit der Apotheker lässt sich nicht leugnen, dass der Apotheker hier auch ein Kaufmann sein muss, der mit einer so teuren Ware umzugehen hat, wie er es bisher kaum gewohnt war.

Arzneimittelpreisverordnung nicht verändern

Andere hochpreisige Waren wie Autos, Möbel, Juwelen oder gar Kunstgegenstände werden nicht mit Margen um die drei Prozent gehandelt. Denn die vielfältigen Risiken im Umgang mit so teuren Waren, insbesondere Zerstörung oder Diebstahl, können nur durch einen höheren Aufschlag ausgeglichen werden. Damit stellt sich die Frage, ob der kaufmännische Aufschlag erhöht werden müsste, der bei der Einführung des Kombimodells mit drei Prozent bewusst sehr niedrig angesetzt wurde. Auf jeden Fall erübrigen sich damit alle Überlegungen, die möglicherweise bei Krankenkassen oder in der Politik angestellt werden könnten, den prozentualen Aufschlag bei sehr hochpreisigen Arzneimitteln zu verringern oder auf einen absoluten Betrag zu deckeln, um die Belastung der GKV zu verringern. Wenn überhaupt, so ist über die Höhe der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel zu diskutieren, denn die Mehrwertsteuer liegt bei Hochpreisern 5,5- bis 6,5-mal so hoch wie der kaufmännische Aufschlag der Apotheken.

Grenzen des Kombimodells

Allerdings belastet diese Entwicklung langfristig den Konsens, der hinter dem Kombimodell steht. Denn die prozentuale Vergütung für Hochpreiser ist ein Teil der Gesamtvergütung für Apotheken. Das könnte dazu führen, dass künftige Erhöhungen des Festzuschlags – nach dem Willen des Gesetzgebers – geringer ausfallen, weil das Geld bereits über die kaufmännische Komponente zu den Apotheken fließt. Doch von diesen Erlösen profitieren eher wenige, wirtschaftlich starke Apotheken, bei denen sich Hochpreiser häufen und die die nötige (Vor-)Finanzierung leisten können. Wenn daraufhin der Festzuschlag weniger steigt, fehlt dieses Geld jedoch bei den vielen Apotheken, die die größere Zahl an „normalpreisigen“ Packungen abgeben und damit die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen. Dies erinnert an die Problemlage vor 2004, als viele niedrigpreisige Packungen zum Verlustgeschäft wurden. Eine so krasse Entwicklung droht diesmal nicht, aber die Grenzen des Kombimodells zeichnen sich ab. Doch auch dieses Problem würde sich erübrigen, wenn die Entwicklung zu Hochpreisern bei der Preisbildung oder auf gesellschaftlicher Ebene gebremst würde.

Eine Frage der Liquidität

Bis hierhin wurde unterstellt, dass die beliefernde Apotheke genügend Liquidität hat, um hochpreisige Arzneimittel zwischen der Fälligkeit der Großhandelsrechnung und der Zahlung der Krankenkasse problemlos vorzufinanzieren. Doch diese Annahme trifft keineswegs für alle Apotheken zu. Apotheken mit geringeren Liquiditätsreserven müssen in solchen Fällen auf den Skonto für die gesamte Großhandelsrechnung verzichten oder von ihrer Bank eine teure Zwischenfinanzierung mit Kontokorrent in Anspruch nehmen. Diese wirtschaftlichen Nachteile können größer sein als drei Prozent auf den Einkaufspreis des hochpreisigen Arzneimittels. Dies bekräftigt, wie wichtig die Honorierung für die kaufmännische Aufgabe ist, und verschärft die Frage nach einer Erhöhung des dreiprozentigen Aufschlags.

Hochpreiser bieten damit erfolgreichen Apotheken unter günstigen Bedingungen einen zusätzlichen Ertrag, aber für Apotheken mit ungünstiger Finanzlage können sie zu einer Belastung werden. Demnach vergrößern Hochpreiser die vielfach thematisierte Spreizung der Apothekenlandschaft. Die bisher schon wirtschaftlich erfolgreichen Apotheken werden eher profitieren, die anderen, für die flächendeckende Versorgung ebenso wichtigen Apotheken werden sich eher noch mehr verschlechtern.

Versorgungsausfälle

Doch es geht noch schlimmer: Apotheken mit sehr schlechter Bonität, die möglicherweise sogar täglich ihre Großhandelsrechnung bezahlen müssen, können ein Rezept über einen Hochpreiser praktisch nicht beliefern, weil nicht genügend Liquidität vorhanden ist. Sie können ihren Versorgungsauftrag nicht erfüllen und dem Kontrahierungszwang nicht nachkommen! Derzeit muss davon ausgegangen werden, dass betroffene Apotheken Patienten mit Hochpreiser-Verordnungen abweisen (müssen). Dies wird sich bei den Kunden und Patienten der Apotheke herumsprechen und kann dazu beitragen, eine wirtschaftlich angeschlagene Apotheke endgültig zu ruinieren. Wenn die einzige Apotheke in einem Dorf oder einem Vorort wirtschaftlich so schlecht dasteht, gefährdet dies die Versorgung vor Ort. Typischerweise wird dies sozial schwache Standorte mit ungünstiger Infrastruktur betreffen, denn gerade dort geraten auch die Apotheken in Schwierigkeiten – und gerade die dortigen Kunden dürften wenig flexibel sein, wenn „ihre“ Apotheke ein hochpreisiges Arzneimittel nicht liefern kann.

Ein Lösungsvorschlag

Der Spagat zwischen Kontrahierungszwang und mangelnder Liquidität ist ordnungspolitisch brisant. Hier ist der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber gefordert, mit den Betroffenen nach praktikablen Lösungen zu suchen. Doch auch im Dialog mit den Krankenkassen ist eine konstruktive Lösung denkbar, die das Sachleistungsprinzip garantiert und die Versorgung sicherstellt. Die Krankenkassen sollten hier nachdrücklich an ihre originäre Aufgabe erinnert werden, die Gesundheitsleistungen zu finanzieren und dabei weiterhin eine wohnortnahe Versorgung auf hohem Niveau zu ermöglichen. Die Leistungserbringer sind hingegen für die heilberufliche und gegebenenfalls logistische Aufgabe zuständig. Die (Vor-)Finanzierung ist hingegen nicht ihre originäre Aufgabe.

Da eine kurzfristige Vorfinanzierung durch die Leistungserbringer bisher keine systemrelevanten Probleme aufgeworfen hat, konnte dieser Aspekt lange vernachlässigt werden. Doch angesichts einer zunehmend relevanten Zahl von Hochpreisern ist auch dafür die Verantwortung der Krankenkassen einzufordern. Als Lösung bietet sich eine Bürgschaft der Krankenkasse an, die die Apotheke dem Großhändler bzw. dem pharmazeutischen Unternehmer bei der Bestellung vorlegen könnte. Das Verfahren könnte ähnlich wie die Genehmigung einer Hilfsmittellieferung ablaufen. Damit würde für die Apotheke auch das Risiko einer Retaxation entfallen. Eine solche Lösung erscheint derzeit sachgerechter als eine Erhöhung des prozentualen Aufschlags, der das Ausfallrisiko ohnehin nicht angemessen ausgleichen könnte. Eine Bürgschaft der Krankenkasse wäre daher sachgerecht und hilfreich, ohne die Finanzen der GKV zusätzlich zu belasten.

Varianten für die PKV

Dieses Verfahren könnte zum Vorbild für die privaten Krankenversicherungen werden. Denn für privat Versicherte werfen Hochpreiser weitere Fragen auf. Die Private Krankenversicherung (PKV) arbeitet üblicherweise nach dem Kostenerstattungsprinzip, sodass die Patienten finanziell in Vorleistung treten müssen. Als sich vor Jahrzehnten viele Versicherte für die PKV entschieden haben, waren Arzneimittel wie die heutigen Hochpreiser nicht zu erwarten. Viele Patienten können Hochpreiser für mehrere tausend oder gar zehntausend Euro nicht vorfinanzieren. Dabei können die Probleme der Patienten schnell auch zu Problemen für die Apotheke werden. Wie soll sich ein Apotheker verhalten, wenn ein Stammkunde um die Einräumung einer Zahlungsfrist bittet? Dann würde sich die Frage nach dem Ausfallrisiko stellen, aber bei einem nur dreiprozentigen Aufschlag lässt sich dieser Fall nicht seriös kalkulieren. Viele Privatpatienten möchten das Problem durch eine Zahlung mit einer Kreditkarte umgehen, weil die Belastung dann später fällig wird. Doch die Gebühr der Kreditkartenunternehmen kann über der dreiprozentigen Marge der Apotheke liegen, die diesen Weg daher nicht akzeptieren kann. Dies alles zeigt, dass drei Prozent als kaufmännischer Aufschlag auch bei Hochpreisern sehr niedrig angesetzt sind.

Wenn die Versicherten allerdings für die Zwischenfinanzierung ihres Arzneimittels einen Kredit zu möglicherweise ungünstigen Konditionen in Anspruch nehmen müssen, würde dies auch die Frage nach der Finanzierungsfunktion der PKV aufwerfen. Eine mögliche Lösung könnte eine Bürgschaft der privaten Krankenversicherung für den Patienten zur Vorlage bei der Apotheke sein. Noch praktikabler erscheint, für solche Fälle eine direkte, zeitnahe Abrechnung zu vereinbaren, wie dies bereits zwischen einzelnen Versicherungen und (Versand-)Apotheken oder Apothekerverbänden geschehen ist. Diese Beispiele erscheinen als zukunftsweisende Vorbilder und sollten vorzugsweise auf Verbandsebene organisiert werden. Damit würden neben den Patienten auch die Apotheken von teuren Zwischenfinanzierungen und Ausfallrisiken entlastet.

Versicherung gegen weitere Risiken

Doch auch solche Neuerungen würden den Apotheken nicht alle Risiken im Umgang mit Hochpreisern abnehmen. Es bleibt das für Apotheken neue Problem, dass irgendein banaler Aspekt im Umgang mit einer einzigen Packung oder einem einzigen Rezept die Existenz bedrohen kann. Für solche Risiken gibt es typischerweise Versicherungen, die durchaus mit der Systematik der Feuerversicherung verglichen werden können. Daher drängt es sich auf, den Umgang mit Hochpreisern gezielt zu versichern. Eine solche Versicherung müsste ihre Prämie abhängig vom Wert der gehandhabten Hochpreiser kalkulieren. Dies unterstreicht nochmals, dass die Apotheken einen prozentualen Aufschlag benötigen, um ihre Handelsfunktion wahrnehmen und eine gegebenenfalls notwendige Versicherung bezahlen zu können.

Demnach gibt es noch viel zu tun, damit Apotheken Hochpreiser zu angemessenen Konditionen abgeben können, ohne dabei am Rande des Ruins zu stehen. Neue Organisationsformen für die Abrechnung und den Zahlungsverkehr erscheinen dabei zielführender als mehr Geld. Allerdings bliebe die Belastung der GKV durch Hochpreiser bestehen – darum soll es in einem späteren Beitrag gehen. |

Autoren

Dr. Thomas Müller-Bohn ist Apotheker und Diplom-Kaufmann. Er ist externes Redaktionsmitglied der DAZ.





Dipl.-Math. Uwe Hüsgen war lange Jahre Geschäftsführer des Apothekerverbands Nordrhein. Er ist Autor zahlreicher Beiträge zum Arzneimittel- und Apothekenmarkt und des monatlichen „Rohertrags-Monitors“ in der AZ.

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