Arzneimittel und Therapie

Schwere Infektionen unter Biologicals

Wie hoch ist das Risiko für Patienten mit rheumatoider Arthritis?

Patienten mit rheumatoider Arthritis weisen krankheitsbedingt ein erhöhtes Risiko auf, an schweren Infektionen zu erkranken. Ob und in welchem Ausmaß dieses Risiko durch die Gabe von Biologicals beeinflusst wird, wird unterschiedlich beurteilt. Daher nahm sich eine Arbeitsgruppe erneut dieser Fragestellung an. Ihr Fazit: Das Risiko hängt von der Dosis und den Vortherapien ab, was bei der individuellen Behandlung berücksichtigt werden sollte.

Rheumapatienten, die TNF-α-Blocker oder Interleukin-Inhibitoren erhalten, weisen ein erhöhtes Risiko auf, an schweren Infektionen wie Tuberkulose, Sepsis und Pneumonie, invasiven Pilzinfektionen oder viralen Infekten zu erkranken. Daher dürfen bei Vorliegen dieser Erkrankungen oder Bestehen opportunistischer Infektionen keine Biologicals eingesetzt werden. Das heißt in der Praxis, dass vor Einleiten einer Therapie alle Patienten auf eine aktive oder inaktive („latente“) Tuberkulose hin untersucht werden müssen (Tuberkulin-Hauttest, Thorax-Röntgenaufnahme). Des Weiteren ist zu beachten, dass es unter einer Therapie mit Biologicals zu einer Reaktivierung einer Hepatitis-B-Infektion und in seltenen Fällen unter TNF-α-Blockern zu demyelinisierenden Erkrankungen kommen kann. Eine weitere Kontraindikation für die Gabe von TNF-α-Blockern ist das Vorliegen einer mäßig ausgeprägten oder schweren Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse III/IV). Das Risiko für das Auftreten maligner Erkrankungen ist nicht genau ­bekannt. In Studien findet sich eine erhöhte Inzidenz von Lymphomen unter einer Therapie mit TNF-α-Blockern.

Doch wie hoch ist das Risiko, an einer schweren Infektion zu erkranken für Patienten, bei denen keine der oben genannten Kontraindikationen vorliegt? Eine internationale Arbeitsgruppe ging dieser Frage nach und verglich die Infektionsrisiken unter einer Therapie mit Biologicals mit dem Risiko unter einer Behandlung mit DMARDs (DMARDs = disease-modifying anti-rheumatic drugs wie etwa MTX, Leflunomid, Hydroxychloroquin, Sulfasalazin).

20 ...

... schwere Infektionen treten auf, behandelt man 1000 Patienten ein Jahr lang mit DMARDs

Metaanalyse von 106 Studien

Mithilfe einer Netzwerk-Metaanalyse wurden 106 randomisierte Studien mit mehr als 42.000 Probanden, die an einer rheumatoiden Arthritis erkrankt waren, ausgewertet. Ermittelt wurde das Risiko für schwere Infektionen unter einer Therapie mit Biologicals sowie unter einer Behandlung mit DMARDs. Der Vergleich zwischen den beiden Behandlungsarten führte zu folgenden Aussagen:

Im Vergleich mit einer alleinigen DMARDs-Gabe erhöht eine Therapie mit Biologicals (sowohl einzeln als auch in Kombination mit DMARDs) in Standarddosen und hohen Dosen das Risiko für schwere Infektionen (Odds ratio 1,31 bzw. 1,90), wohingegen Biologicals (sowohl einzeln als auch in Kombination mit DMARDs) in niedrigen Dosen das Risiko nicht erhöhen. Das Risiko für schwere Infektionen unter einer Therapie mit Biologicals hängt von den Vortherapien ab und ist bei MTX-naiven Patienten am geringsten. Das höchste Risiko besteht für mit MTX-vorbehandelte Patienten, die eine Kombination mehrere Biologicals (mit oder ohne DMARDs) erhalten.

In absoluten Zahlen ausgedrückt, führt eine Behandlung von 1000 Patienten pro Jahr mit DMARDs zu 20 schweren Infektionen. Die Gabe von Biologicals (mit oder ohne DMARDs) führt bei einer Standarddosierung zusätzlich zu sechs schweren Infektionen, in einer hohen Dosis zu zusätzlich 17 und unter einer Therapie mit mehreren Biologicals zu weiteren 55 schweren Infektionen. Für den Therapeuten bedeutet dies, dass er bei der Wahl der Medikamente die Vortherapien berücksichtigen muss, um Nutzen und möglichen Schaden einer Behandlung abzuwägen.

Biologicals bei rheumatoider Arthritis

Derzeit sind neun Biologicals zur Therapie der rheumatoiden ­Arthritis zugelassen

  • TNF-α-Inhibitoren

Infliximab (Remicade® und seit 2015 Generika)

Certolizumab (Cimzia®)

Etanercept (Enbrel®)

Adalimumab (Humira®)

Golimumab (Simponi®)

  • Interleukin-Inhibitoren

Anakinra (Kineret®)

Tocilizumab (RoActemra®)

Abatacept (Orencia®)

  • Anti-CD20-Antikörper

Rituximab (Mabthera®)

Hinweise für Patienten

Um das Risiko für schwerwiegende Infektionen unter Biologicals zu minimieren bzw. solche Infektionen frühzeitig zu erkennen, sollten den Patienten bei der Abgabe von Biologicals (siehe Kasten) folgende Hinweise ­gegeben werden:

  • Bei Auftreten verzögerter Überempfindlichkeitsreaktionen unverzüglich den Arzt konsultieren.
  • Patientenpass mit sich führen.
  • Arzt aufsuchen, wenn Anzeichen ­einer Infektion auftreten (z. B. anhaltender Husten, Kräfteverfall, Gewichtsverlust, Fieber, Abszesse, Zeichen eines Lupus erythematodes).
  • Arzt aufsuchen, falls Anzeichen und Symptome auftreten, die auf eine Blutbildstörungen (Panzytopenie, Leukopenie, Neutropenie und Thrombozytopenie) hindeuten; ­mögliche Anzeichen sind anhaltendes Fieber, Blutergüsse, Blutungen, Blässe.
  • Treten unter einer Therapie mit TNF-α-Blockern Symptome einer Herzinsuffizienz auf, Arzt konsul­tieren.
  • Vor Reisen in Gebiete, in denen invasive Pilzinfektionen endemisch vorkommen, Arzt informieren.
  • Eine Vakzination mit Lebendimpfstoffen während einer Therapie mit Biologicals ist kontraindiziert; erforderliche Impfungen sollten daher nach Möglichkeit vor Therapiebeginn durchgeführt werden. |

Quelle

Singh J et al. Risk of serious infection in biological treatment of patients with rheumatoid arthritis: a systematic review and meta-analysis, Lancet online vom 12. Mai 2015; http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(14)61704-9

Goldacker S et al. Impfung bei erwachsenen ­Patienten mit chronisch entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Z Rheumatol 2013;72:690-704

www.dgrh.de (hier Zugang zu Arzt- und ­Patientenmerkblättern zur Therapie mit Biologicals)

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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