Arzneimittel und Therapie

Lipidsenker in Kombination doch besser

IMPROVE-IT-Studie zeigt Nutzen von Ezetimib bei Hochrisikopatienten

In der Vergangenheit wurde bereits mit verschiedenen Arzneistoffklassen versucht, den therapeutischen Effekt von Statinen zu verbessern, um über eine zusätzliche Senkung des LDL-Cholesterins die Rate kardiovaskulärer Ereignisse weiter zu reduzieren. Die IMPROVE-IT-Studie, die erstmals bei der Tagung der American Heart Association (AHA) vergangenen Jahres vorgestellt und jetzt publiziert wurde, belegt nun erstmalig den positiven Effekt einer zusätzlichen Gabe von Ezetimib (Ezetrol®, Inegy®), einem Hemmstoff der Cholesterol-Resorption, auf klinische Endpunkte.

Die sogenannte LDL-Hypothese besagt, dass erhöhte LDL-Cholesterol-Werte als kausale Faktoren für die Entwicklung atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankungen (ACVD) gelten [1]. Dementsprechend sollte eine aggressive Reduktion der LDL-Level, unabhängig der zugrunde liegenden Ursache, das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse reduzieren. Eine tatsächliche Bestätigung der LDL-Hypothese fehlte jedoch bislang.

Statine gelten als bevorzugte Behandlungsoption bei Hypercholesterolämien. Eine Senkung des LDL-Cholesterols durch Inhibition der HMG-CoA-Reduktase beeinflusst nachweislich das Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko entsprechender Risikopatienten. Der therapeutische Nutzen dieser Substanzklasse, unabhängig der besagten LDL-Hypothese, scheint insgesamt höher als der anderer Cholesterin-Senker. Statine haben zusätzlich pleiotrope Effekte, wie antiinflammatorische und antioxidative Eigenschaften. Diese bestimmen wahrscheinlich ebenso die klinische Effektivität wie die Reduktion der LDL-Werte, die diversen LDL-Senkern gemeinsam ist [2]. Dies zeigte sich auch in Versuchen mit Kombinationstherapien aus Statinen mit Nicht-Statinen. Hier konnte jedoch bisher keine klinisch signifikante Reduktion der Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse gegenüber der alleinigen Statin-Behandlung erzielt werden.

LDL-Hypothese erstmals bestätigt

Nun jedoch wurde im Rahmen der doppelt-verblindeten, randomisierten Vytorin Efficacy International Trial (IMPROVE-IT) Studie erstmals das Prinzip der LDL-Hypothese bestätigt [3]. Hierbei wurden 18.144 Patienten, die aufgrund eines akuten Koronarsyndroms und weiterer Risikofaktoren als Hochrisikopatienten galten, innerhalb der ersten zehn Tage nach Hospitalisierung und nachfolgend entweder mit Simvastatin (40 mg/d) allein oder zusätzlich mit Ezetimib (10 mg/d) behandelt. Ezetimib inhibiert die intestinale Aufnahme von Cholesterol. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug sechs Jahre. Als primäre Endpunkte galten die Kombination aus kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichem Herzinfarkt und Schlaganfall, erneute Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris sowie koronare Revaskularisation. In der Tat reduzierte die zusätzliche Gabe von Ezetimib nicht nur das LDL-Cholesterol auf durchschnittlich 53,7 mg/dL gegenüber 69,5 mg/dL in der Kontrollgruppe, sondern reduzierte auch die Inzidenzrate der primären Endpunkte unter der Kombinationsbehandlung gegenüber der Statin-Monotherapie [Absolute Risikodifferenz 2%; (HR 0,936, 65% KI, 0,89 - 0,99; p=0,016)]. Keine Unterschiede zeigten sich dagegen in der Rate spezifischer Nebenwirkungen, wie Myopathien, veränderte Leberwerte oder Krebserkrankungen, sodass sich keine relevanten Hinweise auf negative Auswirkungen einer Ezetimib-Behandlung fanden.

Wert der Woche: LDL-C

Low-Density-Lipoprotein- Cholesterol: Transportform von Lipiden. Hohe Werte stellen ein erhöhtes Risiko für die Atherosklerose-Entstehung dar.

Zielwerte im Serum:

  • Geringes Risiko: < 160 mg/dl (< 4,1 mmol/l)
  • Mäßig erhöhtes Risiko: < 135 mg/dl (< 3,5 mmol/l)
  • Hohes Risiko: < 100 mg/dl (< 2,6 mmol/l)

Eben diese Sicherheitsaspekte ließen in der Vergangenheit am klinischen Nutzen von Ezetimib zweifeln, da im Rahmen früherer Studien eine erhöhte Inzidenz von Krebserkrankungen auffiel [4]. Im Jahr 2011 konstatierte das IQWiG zudem, dass es keinen Beleg für einen höheren Nutzen gäbe, wenn Ezetimib zusätzlich zu Statinen zur Herzinfarktprophylaxe angewendet wird [5]. Trotz dieser negativen Beurteilung entschied sich der Hersteller Merck, die IMPROVE-IT-Studie fortzusetzen, und konnte aufgrund der hohen Probandenzahl die relativ geringe absolute Risikodifferenz von 2% als statistisch signifikant deklarieren. Damit konnte nun erstmals gezeigt werden, dass eine weitere Senkung des Cholesterols bei Hochrisikopatienten eine noch stärkere Risikoreduktion erbringt, womit nun die LDL-Hypothese eine erste Bestätigung findet. Allerdings reduzierte der Zusatz von Ezetimib vornehmlich die Inzidenz an nicht-tödlichen Herz- und Hirninfarkten, eine Reduktion der Mortalitätsrate fand sich dagegen nicht.

Insgesamt weist diese Studie auf eine zentrale Rolle der LDL-Senkung in der Prävention kardiovaskulärer Ereignisse hin und bestätigt zudem die Sicherheit von Ezetimib. Die Ergebnisse lassen daher vermuten, dass in den therapierelevanten Leitlinien eine zeitnahe Anpassung der LDL-Zielwerte für entsprechende Hochrisikopatienten vorgenommen wird. Eine Übertragung dieser Ergebnisse auf andere Patientenpopulationen sollte jedoch nicht voreilig stattfinden, da hier Nutzen und Risiko einer Therapie differenziert abzuwägen sind.

Die Ergebnisse der Studie unterstützen die in Europa nach wie vor propagierte Strategie der Zielwerte. US-Fachgesellschaften hatten sich in ihren 2013 veröffentlichten Guidelines erstmals von den LDL-Zielwerten verabschiedet und setzten auf die„Fire-and-forget“-Strategie. Für die Empfehlung von LDL-Cholesterol-Zielen gebe es in den Augen der Autoren keine ausreichende Studienevidenz. Stattdessen wird eine prozentuale Reduktion in Abhängigkeit des Risikos empfohlen. IMPROVE-IT ist ein Hinweis auf die Bedeutung der LDL-Cholesterol-Senkung bei Risikopatienten.

Aufnahme in die Leitlinien?

Ob und wann eine Kombinationstherapie aus Statin und Ezetimib tatsächlich als leitlinienkonforme Behandlung zur Sekundärprävention bestätigt wird, bleibt abzuwarten.

Jedoch kann bereits jetzt im Rahmen des Beratungsgespräches auf eine stete Überprüfung der LDL-Cholesterol-Werte bei Risikopatienten hingewiesen werden, unabhängig von einer Behandlung mit Statinen oder Nicht-Statinen. Auch diverse nicht-medikamentöse Therapieoptionen können dabei unterstützen, die LDL-Cholesterol-Werte zu senken, wie eine Ernährungsumstellung auf vermehrt pflanzliche Lebensmittel oder mehr körperliche Aktivität. Bei der Bewertung des Cholesterol-Spiegels sollte jedoch stets Rücksicht auf persönliche Faktoren, wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten genommen werden. |

Literatur

[1] Jarcho, J. A. and J. F. Keaney (2015). „Proof That Lower Is Better — LDL Cholesterol and IMPROVE-IT.“ New England Journal of Medicine.

[2] Davignon J. Beneficial cardiovascular pleiotropic effects of statins. Circulation 2004; 109: Suppl 1: III39-III43

[3] Cannon CP, Blazing MA, Giugliano RP, et al. Ezetimibe added to statin therapy after acute coronary syndromes. N Engl J Med. 10.1056/NEJMoa1410489.

[4] Rossebø, A. B., et al. (2008). „Intensive Lipid Lowering with Simvastatin and Ezetimibe in Aortic Stenosis.“ New England Journal of Medicine 359(13):1343-1356.

[5] https://www.iqwig.de/de/presse/presse)

Apotheker Dr. André Said

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