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Medikationsplan vom Apotheker
Interview mit Tim Steimle zum ArzneimittelCoach der TK
DAZ: TK-ArzneimittelCoach – was steht hinter diesem Begriff?
Steimle: Hinter unserem ArzneimittelCoach stehen zwei Schlagwörter: die Arzneimitteltherapiesicherheit und die Adhärenz. Im Prinzip ist es das, was die Apotheker und die Versicherten bewegt: Wie erreichen wir, dass Arzneimittel richtig eingenommen werden und wirken können? Unsere Versorgungsdaten zeigen: Wenn wir die Adhärenz bei Typ-II-Diabetes-Patienten um zehn Prozent steigern, können wir diabetesbezogene Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, diabetisches Fußsyndrom um 50 Prozent minimieren. Aber es ist für Patienten eben schwer, ein Leben lang die Arzneimittel immer richtig einzunehmen.
DAZ: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie Arzneimitteltherapiesicherheit und Adhärenz verbessern?
Steimle: Wir haben ein Netz aufgebaut aus Ärzten, Apothekern und Mitarbeitern der TK. Alle sollen zusammenwirken, um die Adhärenz der Patienten zu steigern, insbesondere wenn sie ihre Arzneimittel nicht regelmäßig einnehmen und durch eine Adhärenzsteigerung ein Mehrwert für die Therapie zu erwarten ist. Diesen Versicherten bieten wir im Rahmen unseres Disease Management Programs (DMP) ein Coaching an – auf freiwilliger Basis. In diesen Programmen können wir passgenaue Angebote machen. Zurzeit gibt es den TK-ArzneimittelCoach für Patienten mit Diabetes mellitus und rheumatoider Arthritis. Ab Herbst bieten wir dies dann für Patienten mit koronarer Herzerkrankung an und ab dem kommenden Frühjahr auch für Patienten mit Asthma und COPD.
DAZ: Wie gehen Sie da konkret vor, wie läuft dies ab?
Steimle: Wir informieren die betreffenden Patienten, dass es ein solches Angebot gibt. Der Versicherte erklärt seine freiwillige Teilnahme. Unsere Coaches, ein geschultes Team aus Krankenschwester, PTAs und Apothekern, führen in einem Zeitraum von mehreren Monaten fünf Telefonate mit dem Versicherten. Im Wesentlichen geht es darum, dass der Patient versteht und lernt, wie er die Arzneitherapie stärker in seinen Alltag integrieren kann. Dabei spielt sein soziales Netz, Familie und Freunde, eine große Rolle genauso wie alle beteiligten Ärzte und Apotheker. Daher freuen wir uns, dass wir im letzten Jahr mit dem Deutschen Apothekerverband einen Vertrag schließen konnten, durch den sichergestellt ist, dass auch die Stammapotheke immer eingebunden wird. Das heißt, bei unseren telefonischen Coachings fragen wir den Patienten, ob er von seiner Stammapotheke noch mal gesondert beraten werden möchte. Dann kontaktieren wir den Apotheker, dass sein Stammkunde diese Beratungsleistung in der Apotheke wünscht. Für uns spielt die Apotheke eine wichtige Rolle, das gemeinsame Ziel zu erreichen, dass Patienten ihre Tabletten regelmäßig einnehmen.
DAZ: Wie viele Apotheken machen zurzeit bereits mit?
Steimle: Anhand unserer Daten sehen wir bei 30.000 bis 40.000 Versicherten einen Bedarf fürs Coaching. Zu Beginn unseres Programms haben wir sie befragt: 80 Prozent finden eine Zusammenarbeit zwischen Apotheken und Krankenkassen gut. Derzeit haben wir 800 Patienten dabei, rund 200 Apotheken sind in dieses Programm integriert. Allerdings: Nicht jeder Versicherte wünscht eine zusätzliche Beratung in der Apotheke. Dies hat vielleicht auch damit zu tun, dass der Apotheker bereits vorher eine gute Beratungsleistung erbracht hat. Nimmt der Versicherte das TK-Beratungsangebot an, erhält er von uns die Versicherteninformation Arzneimittel, das TK-ViA, eine Übersicht seiner in den letzten zwei Jahren verordneten Arzneimittel. Das ist die Grundlage für das Gespräch mit unserem Arzneimittelcoach. Möchte der Patient dann in der Apotheke weiter betreut werden, wird er nach den Leitlinien der Bundesapothekerkammer beraten. Es geht dabei also um die Fragen, ob die Arzneimitteltherapie richtig ausgewählt ist, ob es arzneimittelbezogene Probleme gibt, die der Apotheker mit dem Patienten und in Rücksprache mit dem Arzt klären kann. Und der Patient erhält von seiner Apotheke einen Medikationsplan.
DAZ: Ist dies der gleiche Medikationsplan, der im Rahmen des Aktionsplans AMTS mit dem eHealth-Gesetz kommen soll?
Steimle: Ja. Wir haben darauf Wert gelegt, dass dieser Medikationsplan Bestandteil des Coachings ist. Aber der Medikationsplan ist nur der Einstieg in die Dokumentation dessen, was der Patient einnimmt. Das Entscheidende ist dann herauszufinden, ob es Probleme mit der Medikation gibt. Und dies ist die Basis für das Gespräch in der Apotheke. Dem Medikationsplan folgt also eine Arzneimittelanalyse: gibt es Doppelverordnungen, gibt es arzneimittelbezogene Probleme etc.? Beim telefonischen Coaching durch unsere Mitarbeiter geht es dagegen mehr darum, die Behandlungseinsicht des Patienten zu stärken, es geht um gesundheitspsychologische Aspekte, um die Stärkung des Patienten-Netzwerkes.
DAZ: Wenn im Beratungsgespräch in der Apotheke Medikationsprobleme festgestellt werden, wie geht die Apotheke dann weiter vor? Setzt sie sich mit dem Arzt in Verbindung?
Steimle: Herr der Daten ist und bleibt der Patient. Der Patient bekommt von uns einen Dokumentationsbogen ausgehändigt, in dem steht, was wir im Rahmen des Coaching herausgefunden und angesprochen haben. Diesen Dokumentationsbogen sollte der Patient der Apotheke aushändigen, damit sie sich auf das Gespräch vorbereiten kann. Der Apotheker wird ebenfalls auf diesem Bogen dokumentieren, was er gemacht hat und was er empfiehlt. Der Patient kann diese Dokumentation dann für das Gespräch mit dem Arzt und beim TK-Coaching nutzen. Die TK erhält keine Informationen darüber, was in der Apotheke gemacht wurde. Andererseits: Die BAK-Leitlinien sehen vor, dass der Apotheker beispielsweise bei festgestellten Doppelverordnungen den Arzt kontaktiert – das erwarten wir schon. Aber von uns wird keine Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker vorgegeben oder gar erzwungen.
DAZ: Wird dieses TK-Coaching ausgebaut? Kommen weitere Apotheken dazu?
Steimle: Auf alle Fälle. Wir coachen jede Woche 20 Patienten, jede Woche kommen neue Apotheken dazu.
DAZ: Ist dieses Programm zunächst ein Modellversuch oder soll es unbefristet weiterlaufen?
Steimle: Wir haben in dieses Programm viel investiert. Neben den bestehenden und den im Herbst und Frühjahr geplanten Indikationen werden wir noch weitere DMP-Indikationen prüfen. Wir werden dieses Projekt also in den nächsten Jahren weiter betreiben.
DAZ: Erfolgt parallel dazu bereits eine Evaluation, was die bisherigen Interventionen konkret gebracht haben?
Steimle: Auf jeden Fall. Wir sehen uns an, wie der Patient davon profitiert, wie er das Coaching und die Zusammenarbeit akzeptiert, ob die Adhärenz gesteigert wird und was es gesundheitsökonomisch bringt.
DAZ: Sehen Sie bereits einen Nutzen, wenn sich die Apotheke stärker einbringt?
Steimle: Dafür ist es noch zu früh. Wir sind aber überzeugt, dass es einen apothekerlichen Mehrwert gibt, wenn sich die Apotheke hier intensiv einbringt. Deswegen haben wir diese Verträge geschlossen. Aber wir wollen dies auch sichtbar machen in Form von Studien, die auch in die öffentliche Diskussion einfließen sollen, was der Apotheker bei der Betreuung von Patienten tatsächlich leisten kann. Was wir heute schon sehen: eine große Zufriedenheit der Patienten mit dem Coaching und den Gesprächen in den Apotheken.
DAZ: Wie honorieren Sie die Beratungsleistung der Apotheken?
Steimle: Wir honorieren die beiden Gespräche, ein halbstündiges Erstgespräch und ein viertelstündiges Folgegespräch, insgesamt mit 50 Euro inkl. Mehrwertsteuer. In den Verhandlungen mit dem DAV haben wir uns an dem Leistungskatalog Leika der Apotheken orientiert.
DAZ: Kommen wir noch zu einem Thema, bei dem die Apotheken unentgeltliche Beratungsleistungen für die Krankenkassen erbringen: Rabattverträge – wie sieht hier die TK die Rolle der Apotheker?
Steimle: Die Rabattverträge sind für die Krankenkassen die wichtigste einzelvertragliche Maßnahme, allein bei uns 30 Millionen Packungen und Beratungen in der Apotheke in diesem Bereich. Da spielen Apotheken für uns im Versorgungsgeschehen eine besonders große Rolle. Ohne Apotheken hätten wir nicht den großen Erfolg hinsichtlich der Einsparungen und Kostenentlastungen für die Versicherten erreicht und auch nicht die hohen Adhärenzquoten. Wir wollen hier eng mit den Apotheken zusammenarbeiten und stellen zusätzliche Informationen zur Verfügung, zum Beispiel unseren Newsletter.
DAZ: Umso unverständlicher ist es für Apotheken, wenn Krankenkassen dann bei kleinsten Formfehlern retaxieren.
Steimle: Als sich der DAV und die TK entschlossen hatten, das Thema Nullretax gerichtlich klären zu lassen, ging es speziell um die Abgabeverpflichtung der Apotheke bei Rabattarzneimitteln. Das Bundessozialgericht hat das Thema jedoch viel weiter in seiner Entscheidung gefasst, woraus manche das Urteil auf andere Aspekte anwenden. Die TK macht dies jedoch nicht. Wir halten nichts von Nullretax bei kleinsten Formfehlern – das hilft niemandem. Ein Blick in unsere Zahlen: Wir kommen auf eine Retax-Quote von nur 0,06 Prozent, also fehlerhafte Arzneimittelabgaben, wo wir eine Retaxierung für gegeben erachten. Und nicht alle diese Fehler halten einer Überprüfung stand. Letztlich freuen wir uns, dass wir mithilfe des Gesetzgebers schon bald vernünftige Rahmenbedingungen ausarbeiten werden, wie wir dann mit dem Thema Nullretaxierungen umgehen werden.
DAZ: Herr Steimle, vielen Dank für das Gespräch. |
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