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Zweifel versus Vertrauen

Kompetenzgerangel um Beratung zur rezeptfreien „Pille danach“

jz/ks | Die „Pille danach“ wird schon bald in Deutschland rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sein. Für Levonorgestrel-haltige Arzneimittel soll zeitnah eine Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung erfolgen. Bei der Frage, ab wann ellaOne® (Ulipristalacetat) ohne Rezept zu bekommen ist, scheiden sich die Gemüter. Ebenso gehen die Meinungen auseinander, ob Apotheken die Kompetenz für die erforderliche Beratung haben. Zweifel hegen die Frauenärzte, die sich selbst als prädestiniert und geeignet für die Beratung ansehen.

Die Beratung zu Notfallkontrazeptiva durch Frauenärzte sei „die bewährte, nachhaltige und damit optimale Lösung“ – davon ist man beim Berufsverband der Frauenärzte, der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin überzeugt. In einer gemeinsamen Stellungnahme räumen sie zwar ein, dass die Rezeptfreiheit der beiden Präparate „aus pharmakologischer Sicht möglich scheint“. Dennoch lehnen sie diese ab. Sie betonen, dass die Rezeptpflicht und die frauenärztliche Beratung dazu beigetragen hätten, dass Deutschland in Europa und weltweit mit seiner niedrigen Rate an Schwangerschaftsabbrüchen einen Spitzenplatz einnimmt. Und diesen sehen sie gefährdet.

Problematisch und unmöglich

Die Mediziner sind überzeugt: „Eine medizinisch kompetente, sorgfältige, und vertrauliche Beratung in der Apotheke zu den Fragen, ob die Einnahme der ‚Pille danach‘ überhaupt notwendig ist, welches Präparat möglicherweise geeignet oder ungeeignet ist, welche Nebenwirkungen zu erwarten sind und vor allem, wie im weiteren Zyklus verhütet werden muss, damit es nicht nach der Verschiebung des Eisprungs später noch zu einer ungewünschten Schwangerschaft kommt, ist problematisch und in den meisten Fällen unmöglich.“ Trotz ihrer Zweifel zeigen die Verbände sich gesprächsbereit. Falls der Gesundheitsminister die Frauenärzte auffordert, gemeinsam mit den Apothekern eine Beratungs­lösung zu erarbeiten und damit eine verantwortungsvolle Rezeptfreiheit für die beiden Arzneimittel vorzubereiten, wollen sie sich beratenden Gesprächen aber nicht verweigern.  

KKH fordert Beratungsstandards

„Politik, Ärzte und Apotheker sind gleichermaßen gefordert, grundlegende Beratungsstandards festzulegen“, mahnt indes der Vorstandsvorsitzende der KKH Kaufmännischen Krankenkasse, Ingo Kailuweit. Grundsätzlich sei die Freigabe „eine große Erleichterung“ für Frauen. Gleichwohl betont der KKH-Chef, dass die medizinische Aufklärung keinesfalls vernachlässigt werden dürfe. „Auch in Apotheken müssen Frauen beraten und ausführlich über mögliche Nebenwirkungen der Pille aufgeklärt werden.“ In der Bevölkerung dürfe nicht die Auffassung entstehen, die „Pille danach“ könne so bedenkenlos eingenommen werden wie eine Kopfschmerztablette.

Apotheker sind bereit

Keine Zweifel, dass eine qualitative ­Beratung in Apotheken erfolgt, lässt Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer. „Die Apotheker werden zur rezeptfreien ‚Pille danach‘ kompetent beraten, um die größtmög­liche Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten und Missbrauch zu ver­hindern“, betont er. Ohne Rezeptpflicht könnten Apotheken Frauen noch schneller weiterhelfen. Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, ist ebenfalls sicher: „Wir Apothekerinnen und Apotheker sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und können mit unserer Beratung eine sichere Anwendung der ‚Pille danach‘ gewährleisten.“ Angesichts der Fehlentwicklung in manchen anderen Ländern, in denen „Arzneimittel als Handelsware verramscht werden“, betont sie aber auch: „Wir müssen weiterhin dafür Sorge tragen, dass junge Menschen sehr verantwortlich mit der ‚Pille danach‘ umgehen und sie wirklich nur im begründeten Einzelfall abgegeben wird.“

Klärende Gespräche

Der Deutsche Pharmazeutinnen Verband kämpft seit seiner Gründung im Jahre 2002 dafür, dass Frauen sich die „Pille danach“ direkt in der Apotheke kaufen können. Auch hier ist man überzeugt von der Beratungskompetenz der Apotheken: „Eine fachliche und diskrete Beratung ist durch die Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung gewährleistet“, heißt es in einer Stellungnahme. Darin kritisiert der Verband allerdings auch, dass es keine klare Ansage gibt, ab wann die Freigabe von ellaOne® gilt. „Apothekerinnen und Apotheker befinden sich dadurch in einem Dilemma. Wir bitten daher das Bundesministerium für Gesundheit um eine zügige Einleitung der notwendigen Maßnahmen.“ Möglicherweise bringen die Gespräche, die das Gesundheitsministerium in dieser Woche führen will, endlich Klarheit für alle Beteiligten. |

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