Entwicklungshilfe

Als Studentin nach Afrika

Herstellung und Qualitätskontrolle von Dermatologika in Malawi

Die Tübinger Apothekerin Mirjam Weber hat ein ungewöhnliches Thema für ihre Master-Arbeit gewählt: Sie etabliert möglichst robuste und einfache Methoden für die Qualitätskontrolle von medizinischen Salben und Cremes, die in Malawi hergestellt werden, und unterweist die einheimischen Pharmazeuten in der Durchführung dieser Analysen.
Fotos: Weber

Herstellung von Salben und Cremes im Pharmacy Department der Universität von Malawi in Blantyre.

Mirjam Weber hat 2013 ihr Staatsexamen am Pharmazeutischen Institut der Universität Tübingen abgelegt. Seit Anfang dieses Jahres ist sie im dortigen Master-Studiengang „Pharmaceutical Sciences and Technologies“ eingeschrieben und fertigt ihre Master-Arbeit unter Anleitung von Prof. Dr. Rolf Daniels an, dem Leiter des Lehrstuhles für Pharmazeutische Technologie. Dass sie dafür nach Malawi gereist ist, hat eine kleine Vorgeschichte:

Dermatologika für die Klinik

Mirjam Webers Aufenthalt in Malawi geht auf eine Initiative von Dr. Kelvin Mponda zurück, der als Facharzt für Dermatologie im großen staatlichen Queen Elizabeth Central Hospital (QECH) in Blantyre arbeitet. Die dermatologische Abteilung des QECH wird täglich von etwa 100 ambulanten Patienten aufgesucht. Eine Station mit Betten für stationäre Patienten und ein kleiner Operationssaal werden gerade eingerichtet.

Dr. Kelvin Mponda (rechts) mit ambulanten Patienten im Queen Elizabeth Central Hospital in Blantyre.

Malawi hat ein staatliches Gesundheitssystem und strebt an, seinen Bürgern medizinische Behandlungen und Medikamente kostenlos zur Verfügung zu stellen. Dieses Ziel scheitert jedoch oft an den Realitäten eines der ärmsten Länder der Welt. Selbst an unmittelbar lebenswichtigen Medikamenten herrscht oft Mangel, und dermatologische Präparate sind – wenn überhaupt – nur selten in ausreichender Menge verfügbar.

Als Dr. Mponda im letzten Jahr für einige Wochen zur Fortbildung an die Tübinger Universitätsklinik ging, nahm er auch Kontakt mit dem Pharmazeutischen Institut auf. Mit den Experten Prof. Daniels und Peter Vollmer, Leiter der Zentralapotheke der Kreisspitalstiftung Weißenhorn (Neu-Ulm), entwickelte er das Projekt, in Malawi die Herstellung von dermatologischen Präparaten für die Patienten des QECH aufzunehmen. Der Tübinger Pharmazeutische Biologe Prof. Lutz Heide, der gerade für zwei Jahre am Pharmacy Department des College of Medicine der Universität von Malawi arbeitete (ebenfalls in Blantyre), unterstützte das Projekt ebenfalls von Anfang an.

Der holländischen Dermatologin Dr. Colette van Hees, einer langjährigen Kooperationspartnerin der dermatologischen Abteilung des QECH, gelang es, materielle Unterstützung für das Projekt von der Hoffknecht-van-Vuure-Stiftung und den Firmen Tiofarma (Holland) und Flexopharm (Herne) einzuwerben. Hiervon können die benötigten pharmazeutischen Rohstoffe beschafft werden. Beim Einkauf und Versand hilft das Deutsche Institut für Ärztliche Mission in Tübingen, das über eine jahrzehntelange Erfahrung in der Arzneimittelhilfe verfügt. Die Universität Tübingen finanzierte die Anschaffung der Geräte für die Salbenherstellung, und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bezahlte einen zweiwöchigen Workshop Ende 2014 in Blantyre, in dem Krankenhausapotheker Peter Vollmer elf malawische Pharmazeuten in der Herstellung von Dermatologika ausbildete.

Robuste Methoden für die Qualitätskontrolle

Peter Vollmer nahm Proben der in Malawi hergestellten Präparate mit nach Deutschland. Als Mirjam Weber im Januar 2015 ihre Masterarbeit begann, erhielt sie von Prof. Daniels die Aufgabe, diese Proben auf Identität, Wirkstoffgehalt, Homogenität und mikrobiologische Qualität zu prüfen. Für die Analysen setzte sie mit Absicht auch robuste Methoden mit geringem apparativem Aufwand und geringem Materialienverbrauch ein, z. B. die Dünnschichtchromatografie zum Nachweis der Wirkstoffe. Die Protokolle dieser Analysen verfasste sie auf Englisch.

Mirjam Weber und Vongaishe Tailos bei der Salbenherstellung.

Im Juni 2015 kam Apotheker Clifford Mwale, Dozent am Pharmacy Department der Universität von Malawi, für vier Wochen nach Tübingen. Unter Anleitung von Mirjam Weber führte er dort alle von ihr ausgewählten Analysen durch. Die größte Herausforderung für ihn war die Gehaltsbestimmung mittels Hochdruckflüssigchromatografie (HPLC), mit der er bisher nur wenig praktische Erfahrung hatte. Jedoch arbeitete er sich schnell in alle Methoden ein.

Mirjam Weber und Clifford Mwale stellten eine Liste der für die Qualitätskontrolle benötigten Geräte und Reagenzien zusammen, die mit dem Inventar des Pharmacy Department der Universität von Malawi abgeglichen wurde. Was dort fehlte, wurde beschafft, und mit diesen Dingen im Gepäck flogen Weber und Mwale Ende Juni gemeinsam nach Blantyre.

Tab.:
Dermatologische Präparate,
die im Pharmacy Department der Universität von Malawi hergestellt werden.
Corticosteroid-Präparate
  • Betamethasonvalerat-Salbe 0,025% / 0,1%
  • Betamethasonvalerat-Creme 0,025% / 0,1%
  • Hydrocortisonacetat-Salbe 1%
  • Hydrocortisonacetat-Creme 1%
Antimykotika
  • Clotrimazol-Creme 1%
  • Whitfield-Salbe (3% Salicylsäure + 6% Benzoesäure)
Keratolytika
  • Salicylsäure-Salbe 5%
wirkstofffreie Salbengrundlage
  • hydrophile Salbe

Inzwischen haben Weber und Mwale am Pharmacy Department ein kleines analytisches Labor eingerichtet und gemeinsam mit zwei Pharmazeutinnen von der Krankenhausapotheke des QECH die Produktion von medizinischen Salben und Cremes aufgenommen (Tab.). Mirjam Weber schätzt die Freundlichkeit und das Fachwissen ihrer malawischen Kollegen, sieht aber auch, dass deren laborpraktische Erfahrung sehr begrenzt ist. Trotz der Mitbringsel aus Tübingen ist auch die Ausstattung des Labors recht bescheiden und nicht einmal vollständig, denn manche Analysengeräte stehen nur in anderen Instituten der Universität zur Verfügung. Nach Aufnahme der Produktion und der Qualitätskontrolle zeigte sich, dass alle in Tübingen konzipierten Analysen tatsächlich in Malawi etabliert werden konnten.

Qualitätskontrolle von Dermatologika durch Dozent Clifford Mwale, Krankenhausapothekerin Vongaishe Tailos und Master-Studentin Mirjam Weber (von links).

Nachhaltigkeit – die große Herausforderung

Das Projekt war von Beginn an so geplant, dass die Herstellung der dermatologischen Präparate nur in der Anfangsphase vom Ausland unterstützt wird und dann durch das Personal in Malawi selbstständig weitergeführt wird. Mangels staatlicher Zuschüsse trotz des staatlichen Gesundheitssystems müssen die Patienten für die Medikamente einen gewissen Beitrag bezahlen – so wie dies in den kirchlichen Krankenhäusern in Malawi schon seit Jahrzehnten üblich ist.

Im Pharmacy Department der Universität von Malawi hergestellte und konfektionierte Betamethasonvalerat-Creme 0,1%.

Die malawische Arzneimittelbehörde hat dem Pharmacy Department eine vorläufige Genehmigung für die Herstellung dermatologischer Präparate im Krankenhausmaßstab erteilt, und das College of Medicine hat mit dem QECH eine längere Zusammenarbeit vereinbart. Die Fundamente für eine nachhaltige lokale Produktion sind damit gelegt. Dr. Mponda freut sich über die bessere Versorgung seiner Patienten. Apothekerin Nettie Dzabala MSc Pharm, Leiterin des Pharmacy Departments, schätzt darüber hinaus die Möglichkeit, Pharmaziestudenten in dieses Projekt einzubeziehen und damit deren laborpraktische Ausbildung zu verbessern.

Mirjam Weber bereut ihre Entscheidung für diese Master­arbeit nicht, denn in Malawi hat sie gelernt, „dass mit kleinen Kompromissen hier sehr viel mehr möglich ist, als ich zuvor erwartet habe“. |

Weiterführende Literatur

Bakker P et al. Dermatological Preparations for the Tropics. A formulary of dermatological preparations and background information on therapeutic choices, production and dispensing. Beta Science Shop, Groningen 2012

Dzabala N, Heide L. Pharmaziestudium in Malawi. Pharm. Ztg. 2014;159(51):4336-4343

Danksagung

Die Lehrtätigkeit von Mirjam Weber und Peter Vollmer in Malawi und die Ausbildung von Clifford Mwale in Tübingen wurden vom Malawisch-Deutschen Gesundheitsprogramm der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) bezahlt, im Rahmen des EU-finanzierten Programmes „Strengthening Specialized Medical Care in Malawi“.

Autoren

Mirjam Weber und Prof. Dr. Rolf Daniels

Pharmazeutisches Institut, Universität Tübingen

Auf der Morgenstelle 8, 72076 Tübingen

autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

Clifford Mwale, Nettie Dzabala und Lutz Heide

Pharmacy Department, College of Medicine, University of Malawi; Private Bag 360, Chichiri, Blantyre 3, Malawi; csmwale@medcol.mw; ndzabala@medcol.mw; lheide@medcol.mw

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