Arzneimittel und Therapie

Bakteriurie-Screening Schwangerer überflüssig?

Pyelonephritis nach asymptomatischer Bakteriurie seltener als vermutet

Entgegen der vorherrschenden Meinung, eine in der Schwangerschaft auftretende asymptomatische Bakteriurie sollte routinemäßig erfasst und therapiert werden, wird in einer niederländische Studie das weit verbreitete Screening infrage gestellt. Zwar treten unter einer asymptomatischen Bakteriurie vermehrt Nierenbeckenentzündungen auf, die absoluten Zahlen sind aber gering.
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Routinemäßiges Urinscreening bei Schwangeren wird infrage gestellt.

Die derzeitigen Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie einer asymptomatischen Bakteriurie während der Schwangerschaft (ABS) beruhen auf über 30-jährigen Daten. Diesen zufolge führt eine unbehandelte ABS in etwa einem Viertel der Fälle zu einer Pyelonephritis und ist mit einem erhöhten Risiko für Frühgeburten und einem niedrigen Geburtsgewicht assoziiert. Ob dies tatsächlich zutrifft und in welchem Ausmaß eine nicht behandelte asymptomatische Bakteriurie die Gesundheit von Mutter und Kind beeinträchtigt, wurde nun in einer aktuellen niederländischen Studie untersucht.

Zu Beginn der multizentrischen prospektiven Kohortenstudie wurden Frauen mit risikoarmer Schwangerschaft während der 16. und 22. Gestationswoche auf eine asymptomatische Bakteriurie hin untersucht. Lag eine solche vor, wurden die Frauen entweder antibiotisch therapiert (zweimal täglich 100 mg Nitrofurantoin an fünf aufeinander folgenden Tagen), erhielten ein Placebo oder blieben unbehandelt. Ermittelt wurde unter anderem das Auftreten einer Pyelonephritis, einmal unabhängig vom Geburtstermin und einmal in Kombination mit einem verfrühten Geburtstermin (zusammengesetzter Studienendpunkt). Bei 248 von 4283 Schwangeren lag eine ABS vor. 40 Betroffene erhielten eine antibiotische Therapie, 45 ein Placebo, der Rest keine Therapie.

Verglich man ABS-positive und ABS-negative Frauen, so unterschied sich der Anteil der Frauen mit Pyelonephritis und vorzeitigem Geburtstermin (= zusammengesetzter Studienendpunkt) nicht signifikant (ABS-positiv, unbehandelt oder mit Placebo behandelt 2,9%; ABS-negativ 1,9%). Dasselbe galt für einen Vergleich zwischen ABS-positiven Frauen, die antibiotisch therapiert wurden bzw. keine antibiotische Behandlung erhielten (der zusammengesetzte Studienendpunkt wurde bei 2,5% der antibiotisch therapierten Frauen und bei 2,9% der unbehandelten oder mit Placebo therapierten Frauen erreicht). Betrachtete man die Häufigkeit einer Pyelonephritis, so trat diese bei 2,4% der unbehandelten oder mit Placebo-behandelten ABS-positiven Frauen auf und bei 0,6% der ABS-negativen Frauen. Das heißt also, eine asymptomatische Bakteriurie erhöhte das Risiko einer Pyelonephritis, das absolute Risiko war aber gering. Zwischen einer asymptomatischen Bakteriurie und einem vorzeitigen Geburtstermin bestand kein Zusammenhang.

Nutzenbewertung des Bakteriurie-Screenings

Ein Screening Schwangerer auf eine asymptomatische Bakteriurie ist in Deutschland seit vielen Jahren fester Bestandteil der Vorsorge und wird in den meisten Leitlinien aufgrund eines vermeintlichen Nutzens empfohlen. Um diese Empfehlung zu überprüfen, hatte 2013 der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Nutzenbewertung des Screenings auf asymptomatische Bakteriurie (ABS) bei Schwangeren beauftragt. Das Fazit der Bewertung durch das IQWiG: Nutzen bzw. Schaden eines Screenings auf ABS bei Schwangeren ist aufgrund fehlender Studien unklar. Der Nutzen einer Antibiotikatherapie im Anschluss an ein Screening ist ebenfalls offen.

Mögliche Konsequenzen

Diese Studienergebnisse führen zu einer anderen Einschätzung der ABS als bislang angenommen. Die Häufigkeit einer Pyelonephritis als Folge einer asymptomatischen Bakteriurie während der Schwangerschaft, die früher auf bis zu 25% geschätzt wurde, wurde erheblich nach unten korrigiert, die Gefahr einer frühzeitigen Geburt verneint. Das mag unter anderem daran liegen, dass die bisherige Einschätzung auf alten Daten basiert und heute die Inzidenz von Harnwegsinfekten deutlich geringer ist als früher. Ob sich diese Studienergebnisse auch in den Empfehlungen zu einem derzeit noch üblichen Bakteriurie-Screening (s. Kasten Nutzenbewertung des Bakteriurie-Screenings) niederschlagen, bleibt abzuwarten. |

Literatur

Kazemier B et al. Maternal and neonatal consequences of treated and untreated asymptomatic bacteriuria in pregnancy: a prospective cohort study with an embedded randomised controlled trial. Lancet Infect Dis 2015, published online August 6, 2015 http://dx.doi.org/10.1016/ S1473-3099(15)00070-5.

https://www.iqwig.de/download/S13-2_Abschlussbericht_Kurzfassung_Bakteriuriescreening-bei-Schwangeren.pdf

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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