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Noble Naturstoffe
Medizin-Nobelpreis 2015 geht an drei Parasitenforscher
Ein Nobelpreis für Tropenkrankheiten
Tropenkrankheiten bedrohen uns Europäer eigentlich nur im Urlaub. Vielleicht sind wir deshalb auch etwas träge, was die Forschungsaktivitäten gegen Wurmerkrankungen und Co. anbelangt. Bei Malaria sieht es etwas besser aus, schließlich schießt hier die Bill & Melinda Gates Stiftung einiges an Geld zu – zumindest was die Impfstoffentwicklung gegen Malaria betrifft. Umso bemerkenswerter ist es jetzt, dass das Nobelpreiskomitee ein Zeichen setzt und die neuen Therapiemöglichkeiten für Flussblindheit und Elephantiasis bzw. Malaria würdigt. Zwar betreffen diese Tropenkrankheiten jährlich Hunderte Millionen Menschen, allerdings gehören diese Menschen zu den ärmsten der Welt und haben keine Möglichkeiten, teure Medikamente zu finanzieren. Deshalb haben nur wenige Firmen Interesse an der Entwicklung von Wirkstoffen zur Therapie dieser Erkrankungen.
Ein Nobelpreis für länger zurückliegende Entdeckungen
Bereits in den 1970er-Jahren wurden Artemisinin und Avermectin entdeckt. Satoshi Ōmura hatte auf ganz klassische Weise Bodenproben aus seiner japanischen Heimat auf Mikroorganismen und deren Biosyntheseprodukte analysiert. In einer Kooperation mit Merck, Sharpe and Dohme (MSD) wurden die gefundenen Substanzen auf ihre biologische Aktivität untersucht. Eine der Substanzklassen waren die Avermectine, eine Gruppe von Makroliden, die vom Actinomyceten Streptomyces avermitilis gebildet werden. Streptomyces–Arten gehören zu den grampositiven, aerob wachsenden, mycelbildenden Bakterien, die als Produzenten wichtiger Antibiotika wie Tetracyclin oder Streptomycin bekannt sind. Bei MSD kümmerte sich William Campbell um die Weiterentwicklung eines Wirkstoffes auf der Basis der Avermectine. Schließlich kristallisierte sich Ivermectin als wirksam gegen verschiedene Endo- und Ectoparasiten bei Tieren heraus und wurde 1981 als Tierarzneimittel auf den Markt gebracht. Kurze Zeit später starteten in Afrika Feldversuche mit Ivermectin, das für die Anwendung am Menschen formuliert worden war. Nach den vielversprechenden Ergebnissen kam die Substanz bereits 1987 in Frankreich auf den Markt, und zwei Jahre später empfahl auch die WHO Ivermectin für die Behandlung der Onchocerciasis (Flussblindheit). MSD verpflichtete sich Ende der 1980er-Jahre im sogenannten Mectizan Donation Program (www.mectizan.org), Ivermectin solange kostenlos zur Verfügung zu stellen, bis die Flussblindheit weltweit ausgerottet ist.
Unter sehr viel weniger Öffentlichkeit lief die Forschung von Youyou Tu ab. 1967 startete Mao Zedong ein geheimes Projekt, um den politischen Partner Nord-Vietnam zu unterstützen. Nord-Vietnam befand sich damals im Krieg gegen Süd-Vietnam, verlor aber zu viel Kampfkraft durch Malariaerkrankungen. Im „Projekt 523“ wurden über 2000 Pflanzenextrakte getestet, und endlich brachte der einjährige Beifuß Artemisia annua den Durchbruch. 1971 stand schließlich ein Extrakt zur Verfügung, der im Malaria-Mausmodell wirksam war, und ein Jahr später war Artemisinin als wirksame Substanz isoliert. Allerdings erfuhr die Welt außerhalb Chinas erst 1982 von dem Erfolg, denn bis dahin gab es nur Veröffentlichungen auf Chinesisch. Seit 2005 empfiehlt die WHO zur Behandlung der Malaria eine Artemisinin-basierte Kombinationstherapie (ACT).
Ein Nobelpreis für Naturstoffforschung
Die Geschichten von Artemisinin und Ivermectin sind Beispiele für exzellente Naturstoffforschung. Leider haben sich viele pharmazeutische Unternehmen in den letzten Jahrzehnten von den Naturstoffen abgewendet. Der Nobelpreis zeigt eindrucksvoll, dass die Forschung an Naturstoffen zu großen Fortschritten in der Pharmakotherapie führen kann. Und er belegt, dass pflanzliche Inhaltsstoffe immer noch relevant sind. Mittlerweile ist es leider nicht mehr so en vogue, sich mit diesen Stoffen zu beschäftigen, was sich an den Schwierigkeiten zeigt, Artikel in diesem Forschungsfeld hochkarätig zu publizieren bzw. öffentliche Fördergelder dafür einzuwerben. Vielleicht gibt dieser Nobelpreis dem ein oder anderen zu denken, dass auch Grundlagenforschung nötig ist – auch mit Naturstoffen. |
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