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Ausbildung mit Herz
Warum die Raths-Apotheke in Brandenburg auf Ausbildung setzt
Als Apothekerin Karin Günther Anfang Oktober die Einladung in die Potsdamer Staatskanzlei bekommt, der Verleihung des 11. Brandenburgischen Ausbildungspreises beizuwohnen, ist sie überrascht und bekommt Herzklopfen. Sollte ihre Raths-Apotheke in die engere Wahl gekommen sein oder gar einen Preis bekommen? Sie hatte sich in diesem Jahr auf Anregung der Kammer für den Ausbildungspreis beworben, den die Landesregierung seit zehn Jahren ausschreibt. Meist werden von den rund 70 bis 90 Ausbildungsstätten, die jährlich ihre Unterlagen einreichen, größere Firmen geehrt. „Ein kleinerer Betrieb wie eine Apotheke ist da bisher noch nie in Erscheinung getreten“, weiß Günther. „Ich zeigte mich anfangs sehr skeptisch: Da haben wir nie eine Chance. Außerdem, so wichtig sind wir für die Politiker nicht, Apotheken funktionieren doch immer. Wir meckern nicht, wir streiken nicht, wir sind immer für die Patienten da, die Apotheken laufen im Hintergrund so mit.“ Aber dann ist es so weit: Sie wird bei der Preisverleihung nach vorne gebeten: Ihre Raths-Apotheke gehört zu den zehn Betrieben, die in diesem Jahr den Ausbildungspreis erhalten, der mit jeweils 1000 Euro dotiert ist. Apothekerin Günther freut sich: „Wir waren der kleinste Betrieb, der den Ausbildungspreis in Empfang nehmen durfte.“
Arbeitsministerin Diana Golze sagte anlässlich der Verleihung: „Gute Ausbildung ist nicht nur ein Qualitätssiegel, auf das jeder Betrieb stolz sein kann und mit dem er werben kann. Gute Ausbildung ist auch eine wichtige Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg. Die Preisträgerinnen und Preisträger sind dafür Vorbilder. Ich wünsche mir, dass ihr Einsatz weitere Betriebe motiviert, selbst in die Ausbildung junger Menschen zu investieren. Der Ausbildungspreis ist auch ein Signal an alle Jugendlichen, ihren Berufsweg in Brandenburg zu starten. Eine betriebliche Ausbildung in Brandenburg hat Zukunft und bietet hervorragende Perspektiven.“
Ausbildung ist Herzenssache
Die Auszeichnung freut Apothekerin Günther sehr: „Ich denke, dass wir uns prozentual gesehen mehr engagieren als Großbetriebe, vermutlich hat dies einen Ausschlag dafür gegeben, dass wir ausgezeichnet wurden.“ Auf die Frage, ob sie eine besondere Vorliebe dafür hat, auszubilden, lacht sie: „Eigentlich wollte ich früher mal Lehrerin werden, aber Gottseidank habe ich mich fürs Pharmaziestudium entschieden.“ Dennoch, die Ausbildung des Nachwuchses liegt ihr am Herzen. Jedes Lehrjahr stellt die Raths-Apotheke einen PKA-Azubi ein, regelmäßig absolvieren PTA-Praktikantinnen und Pharmazeuten im Praktikum in der Raths-Apotheke ihre vorgeschriebenen Apotheken-Ausbildungszeiten. Darüber hinaus war Apothekerin Günther viele Jahre lang Vorsitzende in der PKA-Prüfungskommission. Auch die Wissensvermittlung für Pharmazeuten im Praktikum (PhiP), die sie in ihrer Apotheke beschäftigt, liegt ihr am Herzen.
Aktuell arbeiten in der Raths-Apotheke eine Approbierte, fünf Pharmazie-Ingenieure, zwei PTA, zwei PKA und drei Lehrlinge.
Es beginnt mit Schüler-Praktika …
Die Personalsituation in Brandenburg ist angespannt, geeignetes Personal zu finden, ist nicht leicht. Daher sind schon Schüler-Praktikanten in ihrer Apotheke herzlich willkommen: „Das ist eine gute Möglichkeit für junge Leute, Arbeitsplätze kennenzulernen und sich zu orientieren, ob ihnen Berufe in der Apotheke später Spaß machen werden oder nicht.“ So freut sie sich, dass ein ehemaliger Schüler durch das Praktikum in ihrer Apotheke dazu motiviert wurde, Pharmazie zu studieren.
Früher meldeten sich auf eine Stellenausschreibung für PKA zwanzig Bewerberinnen oder Bewerber, meistens mit bestem Notendurchschnitt. Das hat sich heute vollkommen verändert. Oft lässt Apothekerin Günther zwei, drei Tage zur Probe arbeiten: „Hier erkennt man sehr schnell, ob sich die Bewerberin eignet“, ist ihre Erfahrung. Auffällig sei auf jeden Fall, dass sich mehr und mehr junge Menschen mit Abitur bewerben, um eine PKA-Ausbildung zu beginnen.
Oft ermuntert sie PKA, nach ihrer Ausbildung eine PTA-Ausbildung anzuschließen. „Für den Werdegang ist es nicht das Schlechteste“, so die Apothekerin, „wenn die Apothekenlaufbahn mit einer PKA-Ausbildung beginnt und sich dann eine PTA-Ausbildung anschließt.“ Aber in der Region fehlt es an Ausbildungsstätten. Die einzige staatliche PTA-Schule befindet sich in Eisenhüttenstadt an der polnischen Grenze, also relativ weit entfernt, weitere Schulen finden sich in Berlin, Hannover oder Magdeburg.
Was eine gute Ausbildung ausmacht
Dass man in der Raths-Apotheke eine gute Ausbildung bekommt, hat sich schon herumgesprochen. Was genau Apothekerin Günther besser macht als andere? Das lässt sich nicht an einzelnen Punkten festmachen, es sind verschiedene Faktoren. Vielleicht ist es ihre Persönlichkeit, ihr Engagement für die Auszubildenden. Auf jeden Fall ist sie mit ganzem Herzen dabei. Außerdem hat sie es in ihrer Apotheke gut organisiert, dass die Auszubildenden auch von anderen Mitarbeiterinnen betreut werden, dass man sich gegenseitig hilft und unterstützt. Günther: „Zeit muss man investieren, daran führt kein Weg vorbei.“
In ihrer Apotheke setzt sie nach wie vor auf PKA, ganz bewusst. Denn es gibt die spezifischen Aufgaben, für die sich gerade die pharmazeutisch-kaufmännische Ausbildung besonders eignet. „Außerdem, ich finde es nicht gut, dass man eine PTA ständig zwischen Handverkauf und Arbeiten im Warenlager und Backoffice hin- und herschickt“, ist Apothekerin Günther überzeugt. Seit einiger Zeit hat sie einen männlichen Abiturienten, der die PKA-Ausbildung absolviert und sich so mit dem Apothekenbetrieb vertraut macht. „Ich werde ihn auf alle Fälle dazu ermuntern, sich nach der PKA-Ausbildung, die er mit Eins ablegen wird, für das Pharmaziestudium zu bewerben“, so Günther.
Wichtig: Verantwortung übertragen
Hat sie vor allem Glück mit ihrem Personal? Glück, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, gehört dazu, aber es ist nicht alles. Apothekerin Günther kann loslassen, kann delegieren: „Damit sich die Mitarbeiter für den Betrieb einsetzen, ist es wichtig, ihnen Verantwortung zu übertragen.“ Eine ihrer Mitarbeiterinnen ist beispielsweise in die Heimbelieferung involviert. „Diese Mitarbeiterin beherrscht die Kommunikation mit den Schwestern und Heimmitarbeitern wesentlich besser als ich es je könnte“, schwärmt die Apothekerin. Das Management des Warenlagers, den Einkauf hat sie beispielsweise an eine PKA übergeben. „Meine Mitarbeiterin kann die Einkaufsgespräche erfolgreicher führen als ich, sie handelt bessere Konditionen heraus“, ist die Apothekerin überzeugt, „ein Apothekenleiter sollte sich eher auf das konzentrieren, was in seinen Kompetenzbereich fällt, die anderen Aufgaben sollte er besser delegieren.“
Ein Traum: Pharmazie in Brandenburg
Und wie sieht es mit dem pharmazeutischen Nachwuchs aus? Melden sich bei ihr auch PhiPs, Pharmazeuten im Praktikum? Leider sehr wenige. Aber „PhiP“ ist für die Apothekerin ein Stichwort: Sie träumt davon, dass Brandenburg auch ein Pharmazeutisches Institut bekommt, um Apothekerinnen und Apotheker auszubilden. „Wir hätten sehr gerne Pharmazeuten an unserer Uni in Potsdam. Denn es zeigt sich immer wieder, dass die Studierenden auch nach dem Studium gerne an ihrem Studienort, in der Region bleiben, um zu arbeiten. Uns fehlen hier in Brandenburg die Leute. Leider reagieren unsere Politiker nicht auf unsere Bitten.“ Und sie fügt hinzu: „Von Berlin kommt keiner nach Brandenburg, da können wir hier in der Provinz nicht mit den Angeboten der Hauptstadt mithalten.“
Während Apothekerin Günther vermutlich noch weiter träumen muss, ist bei den Medizinern der Traum schon in Erfüllung gegangen – allerdings mit privater Initiative: Im April starteten die ersten 48 Medizin-Studenten in der neu gegründeten Privaten Medizinischen Hochschule Brandenburg ihre Ausbildung. Die Ärzte konnten sich auf dem Gelände der Ruppiner Kliniken in Neuruppin eine private Uni einrichten. Der Ärztemangel löste diese Initiative aus – die Initiatoren, Professoren der großen Kliniken in Neuruppin und Brandenburg/Havel, hoffen nun, dass die Mediziner dann auch im Land bleiben und dazu beitragen, den Ärztemangel zu lindern. Die Studierenden zahlen hier ein monatliches Schulgeld von rund 700 Euro, einen Numerus Clausus gibt es nicht.
Unsere Philosophie: Kundenzufriedenheit
Karin Günther ist Apothekerin mit Leib und Seele, wie sie selbst sagt. Auf Beratung legt sie besonders großen Wert, vor allem achtet sie darauf, dass fachlich korrekt beraten wird – selbst wenn ein Kunde mal nichts kauft. „Wenn er gut beraten wurde, kommt er gerne wieder zu uns. Wir verkaufen nicht Brot und Butter, sag ich immer, wenn wir das nicht leben, sind wir ersetzbar. Freilich, das Internet ist nicht mehr wegzudenken, aber die persönliche Beratung kann das Internet, kann der Versandhandel nicht ersetzen. Damit können wir in der Vor-Ort-Apotheke punkten.“
Als Leitbild für ihre Apotheke hat sie das Motto „Alles zur Zufriedenheit unserer Kunden“ geprägt. Wenn man die Apotheke betritt, spürt man, dass dieser Satz nicht nur auf dem Papier steht. Alle Mitarbeiterinnen sind ins Kundengespräch vertieft, sie nehmen sich der Wünsche und Sorgen ihrer Kunden an. Man spürt das gute Betriebsklima in der Raths-Apotheke, die Motivation aller, die vermutlich auch darin liegt, dass jeder Freiräume hat, sich einzubringen.
Apothekerin Günther fördert die Weiterbildung, angefangen bei der Lektüre der Fachzeitschriften bis hin zu Kursen und Weiterbildungen in speziellen Bereichen: „Drei unserer Mitarbeiterinnen sind beispielsweise zur Phyto-PTA ausgebildet, drei haben eine Weiterbildung auf dermopharmazeutischem Gebiet. Und dann nehmen wir natürlich auch die von den Kammern angebotenen Fortbildungen wahr.“
Günther achtet zudem darauf, dass sie ihren Lehrlingen nicht nur das Fachliche beibringt, sondern auch etwas fürs Leben mitgibt. Zum Beispiel vermittelt sie ihren Azubis, sich in einer Apotheke nicht zu ausgefallen und flippig zu kleiden und zu schminken: „Vielleicht bin ich da ein wenig altmodisch, aber ein seriöses Auftreten gehört für mich in der Apotheke dazu.“
Hat sie Zukunftspläne? Gegenüber den neuen Medien will sie sich noch stärker öffnen. Auf Facebook ist sie mit ihrer Apotheke bereits vertreten, möchte dies aber noch mehr pflegen. Anfangs war sie zwar skeptisch, aber als sie im vergangenen Jahr in der Vorweihnachtszeit Aktionen für Geschenkgutscheine startete und die Kunden danach fragten, war sie überzeugt: „Selbst ältere Kunden verfolgen die Aktivitäten auf Facebook. Man muss keinen Flyer drucken, kein Geld für Porto ausgeben. Und man erreicht ohne große Kosten und Mühen eine große Zahl an Kunden. Da muss man einfach mitmachen. Wichtig ist es, dass ein oder zwei Mitarbeiterinnen sich gerne mit Facebook beschäftigen, dann wird die Seite erfolgreich.“ Auch in die Internetseite der Apotheke wird sie weiter investieren.
Was für Karin Günther selbstverständlich ist: Auch in Zukunft wird sie sich für die Ausbildung junger Menschen einsetzen. Nicht zuletzt sieht sie den Ausbildungspreis als Verpflichtung. Und damit alle etwas davon haben: „Ich denke, wir werden das Preisgeld in unsere betriebliche Weihnachtsfeier stecken.“ |
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