Arzneimittel und Therapie

Fluorchinolone können Dissektion der Aorta verursachen

Risiko-Patienten sind besonders gefährdet

Fluorchinolone stehen unter dem Verdacht, den Abbau von Kollagen zu verursachen. Deshalb bestehen Bedenken, dass diese Antibiotika schwerwiegende Kollagen-assoziierte Nebenwirkungen wie Aneurysmen oder gar Dissektionen der Aorta auslösen. Ob dies der Fall ist, haben taiwanesische Forscher in einer Case-Control-Studie untersucht.

Ein Aortenaneurysma ist eine Ausweitung der Aorta, eine Aortendissektion ist ein Riss in der Tunica intima, aufgrund dessen Blut in die anderen Wandschichten eindringen kann. Beides wird durch eine Schwäche der Aortenwand verursacht, die entweder angeboren ist oder durch Bluthochdruck oder chronische Entzündungen hervorgerufen wird.

Aortenaneurysmen oder -dissektionen sind lebensbedrohlich. In epidemiologischen Studien wurde gezeigt, dass die Mortalität aufgrund dieser Ereignisse in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen ist. Aortenaneurysmen befinden sich mittlerweile unter den 15 häufigsten Todesursachen in den Vereinigten Staaten.

Fluorchinolone werden seit Längerem mit Kollagen-assoziierten Nebenwirkungen wie Achillessehnenruptur, Sehnenentzündungen oder Netzhautablösungen in Verbindung gebracht (siehe Kasten „Fluorchinolone“). Doch nicht nur die Sehnen, sondern auch die Aortenwand besteht aus Kollagen. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass Fluorchinolone auch die Gefahr für eine Aortendissektion oder -ruptur erhöhen.

Fluorchinolone

Aufgrund ihres sehr breiten Wirkungsspektrums, ihrer starken Wirksamkeit und ihrer Nebenwirkungen gelten Fluorchinolone als Reserveantibiotika. Von besonderer klinischer Bedeutung sind vor allem Ciproflox­acin sowie Levofloxacin, das eine verbesserte Aktivität gegen „atypische“ Erreger aufweist, und Moxifloxacin, das auch verstärkt gegen Anaerobier wirkt. Diese drei Wirkstoffe können in schweren Fällen auch parenteral verabreicht werden.

Breites Wirkspektrum: sehr gute Wirksamkeit gegen Pseudomonas aeruginosa, Haemophilus influenzae, Enterobakterien und Meningokokken/Gonokokken, geringere Wirkung gegen Staphylococcus aureus, Pneumokokken, Streptokokken, Enterokokken, Mykoplasmen, Chlamydien und Legionellen.

Nebenwirkungen: Am häufigsten sind gastrointestinale Beschwerden sowie Kopfschmerzen, Verwirrtheit und Benommenheit. Fluorchinolone sind phototoxisch. Eine Verlängerung der QT-Zeit wurde vor allem bei Moxifloxacin beobachtet. Alle Fluorchinolone können Muskel- und Gelenkbeschwerden sowie Tendopathien verursachen, das Risiko für diese Nebenwirkung ist bei gleichzeitiger Gabe von Glucocorticoiden erhöht.

Beispiele für Einsatzgebiete: Infektionen der Atemwege, der Harnwege und des Genitaltrakts, Infektionen von Knochen und Gelenken, Inhalation von Milzbranderregern. Fluorchinolone sind in der Regel nicht Mittel der Wahl, außer zur empirischen Behandlung einer unkomplizierten Pyelonephritis.

Besondere Patientengruppen: Fluorchinolone sollten bei Kindern und Jugendlichen sowie während Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden. Nur Ciprofloxacin ist bei speziellen Indikationen auch für Kinder zugelassen, wie z. B. bei komplizierten Harnwegsinfektionen und Pyelonephritis oder nach Inhalation von Milzbranderregern [2, 3, 4].

Zur Abschätzung dieses Risikos wurden 1477 „Case“-Patienten mit 147.700 „control cases“ gematcht. Als „Case“-Patienten wurden Personen definiert, die aufgrund von Aortenaneurysma oder -dissektion hospitalisiert wurden. Jeder „Case“-Patient wurde mit 100 „control cases“ abhängig von Alter und Geschlecht gematcht. Bei der Einnahme von Fluorchinolonen wurde zwischen aktueller Einnahme (bis zu 60 Tage vor Aneurysma/Dissektion) und vergangener Einnahme (61 bis 365 Tage vor Aneurysma/Dissektion) unterschieden. Als primärer Zielparameter wurde das Risiko der Entstehung eines Aneurysmas oder einer Dissektion der Aorta definiert.

Die aktuelle Einnahme von Fluorchinolonen wurde mit einem 2,43-fach erhöhten Risiko für Aortenaneurysma oder -dissektion in Zusammenhang gebracht. Bei vergangener Fluorchinolon-Einnahme war das Risiko ebenfalls erhöht, jedoch schwächer ausgeprägt (1,48-fach). Das Risiko war bei Patienten über 70 Jahren und bei Frauen besonders erhöht [1].

Auch wenn es sich bei Aortenaneurysmen oder -dissektionen um eher seltene Ereignisse handelt, so sollten die behandelnden Ärzte dieses Sicherheitsrisiko der Fluorchinolone im Auge behalten und insbesondere bei Risiko-­Patienten wie z. B. Hypertonikern oder Patienten mit angeborenen Kollagen-Defekten wie dem Marfan- oder dem vaskulären Ehlers-Danlos-Syndrom vorsichtig sein. |

Quelle

[1] Chien-Chang L et al. Risk of Aortic Dissection and Aortic Aneurysm in Patients Taking Oral Fluoroquinolone. JAMA Intern Med 2015;175(11):1839-1847

[2] Mutschler E. Arzneimittelwirkungen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2013

[3] Fachinformation Ciprofloxacin® AbZ, Stand März 2014

[4] Arzneistoffportrait Ciprofloxacin, Stand März 2013, www.drugbase.de

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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