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Arzneimittel und Therapie
Behandlung der AMD bald tropfenweise?
Neuartiges Peptid könnte die Therapie der feuchten Makuladegeneration revolutionieren
Bereits seit den 1970er Jahren wird die Theorie der Antiangiogenese als Behandlungsoption bei Krebserkrankungen verfolgt. Tumore sind zum Wachstum auf eine ausreichende Versorgung mit Blut und Sauerstoff angewiesen, sodass eine verstärkte bzw. abnorme Neubildung von Blutgefäßen induziert wird. Die Angiogenese wird dabei von Wachstumsfaktoren gesteuert, wie dem vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF). Doch auch bei anderen Erkrankungen wie der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) spielt VEGF eine entscheidende Rolle in der Pathogenese. Die Inhibition von VEGF, beispielsweise durch Bindung spezifischer Antikörper und Neutralisation der biologischen Wirkung, ist seit einiger Zeit bereits möglich und wird daher bei der Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten verfolgt.
Mit Ranibizumab (Lucentis®), dem Fab-Teil eines humanisierten monoklonalen Antikörpers, steht bereits seit 2011 ein VEGF-Inhibitor zur Behandlung der AMD sowie des diabetischen Makulaödems zur Verfügung. Bevacizumab (Avastin®), ebenfalls ein humanisierter monoklonaler Anti-VEGF-Antikörper, wird dagegen zur Therapie unterschiedlicher Krebserkrankungen, aber auch off label zur Behandlung der AMD verwendet. Aflibercept (Eylea®), ein Fusionsprotein aus dem VEGF-Rezeptor verbunden mit dem Fc-Teil eines humanen Immunglobulins, ist sowohl zur Behandlung von metastasiertem Kolorektalkarzinom indiziert als auch zur Therapie der AMD bzw. des DMÖ. Alle diese VEGF-basierten Behandlungsoptionen sind teuer und müssen bei Erkrankungen des Auges intravitreal angewendet werden. Die direkte Applikation in den Glaskörper des Auges erfordert eine hohe Qualifikation sowie professionelle Ausführung durch das medizinische Personal und stellt eine äußert hohe Belastung für den Patienten dar, wobei in wenigen Fällen auch Netzhautablösungen, Blutungen oder Infektionen des Auges auftreten können. Eine lokale Applikation als Tropfen hat sich im Falle dieser hochmolekularen Wirkstoffe nicht bewährt, da die physiologische Barriere sowie destruktive Komponenten der Tränenflüssigkeit ein Durchdringen der Antikörper bzw. Fusionsproteine zur Netzhaut verhindern.
Forscher des Beth Israel Deaconess Medical Centre und der University of New Mexico School of Medicine haben nun erstmals ein zyklisches Peptid identifiziert, welches die Bindung von VEGF an dessen Rezeptoren blockiert. VasotideTM könnte die Therapie der AMD oder des DMÖ revolutionieren, da im Gegensatz zu den bisherigen Verfahren das neu entwickelte zirkuläre Peptid in Form von Augentropfen appliziert werden kann. Mittels einer modernen High-Throughput-Screening-Methode namens Phagen-Display-Technik wurde ein peptidomimetischer Prototyp entwickelt, der die spezifische Bindungsstelle von zwei Rezeptoren, dem VEGF-Rezeptor-1 sowie Neuropilin-1, blockiert. Beide befinden sich an der Oberfläche des Endothels von Blutgefäßen und vermitteln z. B. die Angiogenese in der Netzhaut, aber auch für Tumorzellen. Die Wirkung von Vasotide™ wurde nun erstmals in präklinischen Studien an genetisch modifizierten Modellmäusen mit retinaler angiomatöser Proliferation, einer Unterform der AMD, oder mit frühgeborener Retinopathie getestet sowie an nicht-menschlichen Primaten, bei denen durch Laser-induzierte Ruptur der Retina eine künstliche Form der AMD erzeugt wurde [1]. Die Applikation von Vasotide™ Augentropfen verringerte in allen drei Krankheitsmodellen die abnorme Angiogenese in der Netzhaut.
Die antiangiogenetischen Effekte von Vasotide™ werden natürlich durch die Tatsache limitiert, dass die Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tiermodellen auf die Pathogenese menschlicher Krankheiten mit hoher Komplexität, wie der altersabhängigen Makuladegeneration, nicht zweifelsfrei zulässig ist. Darüber hinaus erfolgten noch keine Toxizitätsstudien sowie Charakterisierungen wichtiger pharmakokinetischer bzw. -dynamischer Parameter dieser potenziellen Arzneiformulierung, inklusive der Bestimmung der Halbwertszeit oder der optimalen Dosierung sowie der Analyse von Nebenwirkungen. Obwohl eine mögliche Zulassung von Vasotide™ als Arzneimittel somit noch Zeit benötigt, werden bereits weitere potenzielle Indikationsgebiete diskutiert, wie die Anwendung bei verschiedenen Krebserkrankungen. Auch Kombinationstherapien mit anderen Anti-VEGF-Therapeutika wie den Biologicals könnten synergistische Effekte erzeugen und somit die Therapiesicherheit steigern bzw. Kosten einsparen.
Interessanterweise beschrieben Studien aus dem vergangenen Jahr bereits ähnliche Effekte durch die Anwendung des Entzündungsmediators Interleukin 18 (IL-18), wobei ebenfalls das Fortschreiten der AMD in Mausmodellen reduziert werden konnte [2]. Die Applikation erfolgte hierbei subkutan und zeigte ähnliche Wirksamkeit wie nach Injektion in den Glaskörper des Auges, sodass auch hier die Umgehung des intravitrealen Administrationsweges möglich war. Anders als bei Vasotide™ wurde für IL-18 bereits die Verträglichkeit beim Menschen nach systemischer Applikation in Dosierungen von bis zu 2 mg/kg nachgewiesen. Forscher vermuten daher, dass erste klinische Testungen von IL-18 an Patienten mit AMD schon bald erfolgen könnten.
Möglicherweise wird auch hier zukünftig eine Kombinationstherapie aus Vasotide™ und IL-18 die intravitreale Anwendung von antiangiogenetischen Antikörpern zur Behandlung der AMD überflüssig machen. |
Quelle
[1] Sidman RL et al. Science Translational Medicine 2015;7(309):309ra165 DOI: 10.1126/scitranslmed.aac4882
[2] Doyle SL et al. Science Translational Medicine 20146(230):230ra244-230ra244
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