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Feuilleton
„Arsen und Spitzenforschung“
Ausstellung über Paul Ehrlich in Frankfurt
Zunächst sah es gar nicht danach aus, dass sich der 1854 im oberschlesischen Strehlen geborene Medizinstudent einmal zu einem genialen Forscher entwickeln würde, der 1908 sogar den Nobelpreis erhalten sollte. Zumindest beurteilte Professor Julius Cohnheim im Jahr 1876 seinen Doktoranden recht skeptisch gegenüber einem Kreisphysikus bei dessen Besuch an der Universität Breslau: „Das hier ist der kleine Ehrlich, er ist ein sehr guter Färber, aber sein Examen wird er nie machen.“ Der Kreisphysikus war übrigens der damals noch völlig unbekannte Robert Koch, der bereits 1905 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.
Teerfarbstoffe als Diagnostika
Ehrlich interessierte sich schon während seines Studiums mehr für chemische Fragestellungen im Labor als für die praktische Medizin am Krankenbett. Insbesondere die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Teerfarbstoffe und deren Gebrauch in der medizinischen Diagnostik weckten von Beginn an sein Interesse. In Freiburg, wo Ehrlich temporär studierte, bezog er die für seine Experimente benötigten Anilinfarbstoffe über die dortige Münster-Apotheke bei Apotheker Joseph Frank.
Bei Untersuchungen für seine Dissertation „Beiträge zur Theorie und Praxis der histologischen Färbung“ identifizierte Ehrlich einen neuen Zelltyp, den er „Mastzellen“ nannte. Auch wird das Ehrlich-Reagenz nach wie vor in der medizinischen Diagnostik zum Nachweis von Porphobilinogen und Urobilinogen im Urin (Rotfärbung) sowie in der Pharmazie zum Nachweis von Pyrrol- und Indol-Derivaten eingesetzt. Es besteht aus 4-Dimethylaminobenzaldehyd (2%) in Salzsäure (20%).
Von Berlin nach Frankfurt
Nach seiner Promotion im Jahr 1878 betätigte sich Ehrlich zunächst an der Berliner Charité vor allem auf dem Gebiet der Blutdiagnostik. Hier unterstützte er ab 1891 auch den bereits erwähnten Robert Koch bei seinen Tuberkulose-Forschungen und half Emil Behring maßgeblich bei der Optimierung seines Diphtherie-Serums.
Nächster Karriereschritt für Ehrlich war die Leitung des 1896 in Berlin neu gegründeten Instituts für Serumforschung und Serumprüfung. Mit dieser Einrichtung zog Paul Ehrlich 1899 nach Frankfurt am Main um, wo sie „Königlich-Preußisches Institut für experimentelle Therapie“ hieß. Ab 1906 betätigte sich Ehrlich zusätzlich erfolgreich auf dem Gebiet der Chemotherapie und Onkologie als Direktor des heute noch existierenden Georg-Speyer-Hauses in Frankfurt.
Nobelpreis für immunologische Forschungen
Das Jahr 1908 stellte nach außen den Höhepunkt in Ehrlichs wissenschaftlicher Laufbahn dar, weil er den „Nobelpreis für Physiologie oder Medizin“ erhielt. Insbesondere wurden damit seine grundlegenden immunologischen Forschungen geehrt. So hatte er bereits 1897 mit seiner „Seitenkettentheorie“ Furore gemacht. Stark vereinfacht gesagt ging Ehrlich anfangs davon aus, dass das Zellprotoplasma über Seitenketten verfügt, die sowohl lebenswichtige Nährstoffe als auch toxische Stoffe binden können, also als Rezeptoren fungieren. Weiterhin postulierte er, dass die körperfremden Substanzen (Antigene) ebenfalls kettenförmige Molekülstrukturen besitzen, die zu den Seitenketten des Zellprotoplasmas passen wie ein Schlüssel ins Schloss. Diese durch das angedockte Antigen inaktivierten Seitenketten konnten die Zelle dann verstärkt produzieren und als freie Antikörper an das Blut abgeben. Im Laufe der Jahre verfeinerte der Forscher seine Theorie immer mehr.
Salvarsan: erstes antimikrobielles Synthetikum
Einen weiteren medizinischen Meilenstein setzte Ehrlich mit dem Salvarsan, das er mit dem japanischen Gastwissenschaftler Sahachiro Hata am Georg-Speyer-Haus synthetisiert hatte. Chemisch gesehen ist Salvarsan, auch Arsphenamin genannt, das Dihydrochlorid des 3,3‘-Diamino-4,4‘-dihydroxy-arsenobenzols. Es stellte weltweit den ersten synthetisch hergestellten antimikrobiellen Arzneistoff dar. Die Nachfrage nach dem Präparat, das 1910 in die Apotheken kam, war sofort riesig, weil es ein wirksames Mittel gegen die bis dahin kaum heilbare Syphilis war. Da die korrekte Anwendung des Salvarsans wegen schlechter Wasserlöslichkeit jedoch kompliziert war und bei unsachgemäßer Handhabung rasch schwere Nebenwirkungen eintraten, kam es schon bald mit einer verbesserten Rezeptur als Neosalvarsan auf den Markt.
„Salvarsankrieg“ bringt Ehrlich ins Grab
Ehrlich, der seine berufliche Erfolgsformel einmal kurz und prägnant mit den „4 G’s“ – Geduld, Geschick, Glück und Geld – in Kombination mit einer gehörigen Portion Fleiß beschrieben hatte, erlebte jedoch mit dem Salvarsan kein persönliches Glück, sondern eher das Gegenteil, denn es löste den „Salvarsankrieg“ aus: Zum einen wurde Ehrlich und den Farbwerken Hoechst als damaligem Produzenten wegen des relativ hohen Preises Gewinnsucht vorgeworfen, wobei die Anklagen gegen den jüdischen Forscher nicht selten antisemitisch motiviert waren. Zum anderen waren die starken Nebenwirkungen des Salvarsans bei unsachgemäßer Anwendung ein häufiger Kritikpunkt. 1914 kam es deswegen zu einem Prozess, bei dem auch Ehrlich vor Gericht aussagen musste. Nicht zuletzt verschlechterten diese juristischen Querelen seinen ohnehin angeschlagenen Gesundheitszustand erheblich. Paul Ehrlich starb am 17. August 1915 während eines Kuraufenthaltes in Bad Homburg an einem Herzinfarkt. |
Historisches Museum Frankfurt
Fahrtor 2 (Römerberg)
Geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10–17 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr
Broschüre zur Ausstellung: 64 S., 86 Abb., 6 Euro
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