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- DAZ 50/2015
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Arzneimittel und Therapie
Zu viel des Guten
Hypertonie- und-Diabetes Patienten sind häufig überbehandelt
Die retrospektive Kohortenstudie hatte über 200.000 Typ-1- und -2-Diabetiker mit einem mittleren Alter von 78 Jahren eingeschlossen, die Blutdruck- und Blutzucker-senkende Medikamente erhielten. Bei mehr als der Hälfte von ihnen führte eine Therapie, die auf das Erreichen eines Zielwerts von 140 mmHg abzielte, zu systolischen Werten von unter 129 mmHg. Genauso lag auch der HbA1c bei mehr als 20% der Patienten mit einem Wert von weniger als 6,4% weit unterhalb der empfohlenen 7%. Doch eine Umstellung auf eine weniger intensive Behandlung – entweder durch Dosisreduktion oder Absetzen der Wirkstoffe – wurde nur selten vorgenommen: Bei weniger als 20% der Patienten mit einem zu niedrigen Blutdruck modifizierten die Ärzte innerhalb von sechs Monaten die Therapie. Bezüglich der Blutzuckerkontrolle lag die Rate einer Therapieanpassung bei Patienten mit zu niedrigen HbA1c-Werten bei unter 30%.
Verpasste Chance
Somit wird die Therapie bei deutlich zu niedrigen Werten viel zu selten angepasst. Dies erscheint den Autoren als verpasste Chance zur Vermeidung einer Überbehandlung. Denn aus Studien wie der ACCORD-Studie sei bekannt, dass ein systolischer Blutdruck unter 120 mmHg sowie ein HbA1c unter 6% das Nebenwirkungs- und Mortalitätsrisiko erhöhen, und zwar bereits bei wesentlich jüngeren Patienten als in der untersuchten Kohorte.
Darüber hinaus wurden Patienten mit einer Lebenserwartung von weniger
als zehn Jahren untersucht. Obwohl der Nutzen einer Therapie für diese
Patientengruppe am wenigsten gesichert ist, wurde nur in 15% der Fälle
die Medikation deintensiviert.
Was ist Deprescribing?
Deprescribing ist das Gegenteil von Prescribing (Verordnen). Im Rahmen des Deprescribing von Arzneimitteln werden unnötige oder potenziell schädliche Medikamente ausgeschlichen, unterbrochen oder abgesetzt, um den Nutzen für den Patienten zu erhöhen.
Beratung in der Apotheke
Welche Schlussfolgerungen können daraus für die Beratung in der Apotheke gezogen werden? Bei Stammkunden, die schon sehr lange Medikamente gegen Bluthochdruck und/oder Diabetes verordnet bekommen, empfiehlt es sich, in Abständen den Verlauf der HbA1c- und Blutdruckwerte zu hinterfragen. Auch die Möglichkeit des Deprescribing (s. Kasten) sollte man im Hinterkopf behalten. Denn häufig lässt sich mithilfe einer umfassenden Medikationsanalyse in Zusammenarbeit mit dem Arzt die Zahl der Medikamente verringern – zum Nutzen für die Patienten. Solche Maßnahmen könnten unerwünschten Ereignissen wie hypoglykämischen Zuständen und Hypotonien entgegenwirken. Auch im Hinblick auf die zu erwartende Verschärfung der Blutdruck-Zielwerte als Folge der SPRINT-Studie sollte diese Problematik im Auge behalten werden.
Zum Weiterlesen
Weniger ist mehr. Die Kunst des Deprescribing, DAZ 26/2015, S. 30-33
Paradigmenwechsel in der Bluthochdrucktherapie, DAZ 47/2015, S. 30-31
120 statt 140 mmHg?, DAZ 48/2015, S. 28-29
Quelle
Sussman JB et al. Rates of deintensification of blood pressure and glycemic medication treatment based on levels of control and life expectancy in older patients with diabetes mellitus. JAMA Intern Med, online veröffentlicht am 26. Oktober 2015
Mossello E. Targeting Vascular Risk Factors in Older Adults. From Polypill to Personalized Prevention. JAMA Intern Med, online veröffentlicht am 26. Oktober 2015
Wise, J. Older patients with diabetes are often overtreated, say researchers. BMJ 2015;351:h5698
Cushman WC et al. ACCORD Study Group. Effects of intensive blood-pressure control in type 2 diabetes mellitus. N Engl J Med 2010;362(17):1575-1585
Gerstein HC et al. Effects of intensive glucose lowering in type 2 diabetes. N Engl J Med 2008;358(24):2545-2559
The SPRINT Research Group. A Randomized Trial of Intensive versus Standard Blood-Pressure Control. N Engl J Med 2015, online veröffentlicht 9. November 2015
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