Arzneimittel und Therapie

Vorsicht bei Off-label-Anwendung

Mehr Nebenwirkungen als gedacht

Die Off-label-Anwendung von Arzneistoffen ist weit verbreitet. In der Grauzone, in der sich Ärzte diesbezüglich bewegen, ist eine objektive Bewertung der damit verbundenen Nebenwirkungen schwierig. Kanadische Wissenschaftler gingen nun gezielt der Frage nach, in welchem Ausmaß der Off-label-Gebrauch von Arzneimitteln unerwünschte Wirkungen verursacht.

Dass der weit verbreitete Off-label-Einsatz von Arzneimitteln bei Kindern eine Vielzahl vermeidbarer Nebenwirkungen verursachen kann, ist bekannt. Deshalb wurden bereits Maßnahmen getroffen, um spezielle Arzneimittel-Zulassungen für Kinder zu forcieren.

Inwiefern der Off-label-Einsatz bei Erwachsenen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen führt, wurde bislang noch nicht systematisch evaluiert. Aus diesem Grund untersuchte ein kanadisches Forscherteam nun gezielt die Auswirkungen des Off-label-Gebrauchs von Arzneimitteln bei Erwachsenen.

Zu diesem Zweck wurde eine Kohorte von 46.021 Patienten mit insgesamt 151.305 Verschreibungen über einen Zeitraum von fünf Jahren im kanadischen Quebec evaluiert. Elektronische Patientendaten erlaubten dabei Rückschlüsse auf die Indikation einer bestimmten Verordnung und aufgetretene Nebenwirkungen. Als Zielparameter wurden Nebenwirkungen bei Off-label-Gebrauch von Arzneimitteln definiert. Hierbei wurde zwischen einem Einsatz auf Basis starker wissenschaftlicher Evidenz und nicht Evidenz-basierter Anwendung unterschieden.

Insgesamt traten bei den beobachteten Patienten 3484 Nebenwirkungen auf. Das entspricht einer Inzidenz von 13,2 pro 10.000 Patientenmonaten. Die Nebenwirkungsrate bei Off-label-Einsatz war mit 19,7 pro 10.000 Patientenmonate deutlich höher als bei On-label-Gebrauch (12,5 pro 10.000 Patientenmo-nate) mit einer Hazard Ratio von 1,44. Vor allem bei Off-label-Einsatz ohne wissenschaftliche Evidenz war die Nebenwirkungsrate signifikant höher als bei Evidenz-basierter Anwendung (hazard ratio 1,54). Die Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen stieg außerdem mit vermehrter Komorbidität, dem Alter und steigender Anzahl an Medikamenten.

Die Ergebnisse dieser Studie geben jedenfalls Anlass, den weit verbreiteten Off-label-Einsatz von Arzneimitteln zu überdenken – schätzungsweise 20% der Verordnungen erfolgen nämlich außerhalb der zugelassenen Indikation. Gerade wenn die Evidenzlage dünn ist, sollte auf Off-label-Einsatz möglichst verzichtet werden. Auch sollten zukünftig im Rahmen der Post-Marketing-Surveillance Indikationen und Nebenwirkungen so erfasst werden, dass genauere Rückschlüsse auf On- und Off-label-Einsatz gezogen werden können.

Bei aller Vorsicht sollte man aber auch nicht vergessen, dass in manchen Fällen erst der Off-label-Einsatz zu einer neuen Indikation führen kann. Als prominentes Beispiel sei hier das Thalidomid genannt, das 1998 zur Behandlung der Lepra zugelassen wurde. 1999 wurde über die Wirksamkeit von Thalidomid bei multiplem Myelom berichtet. 2003 gab der Hersteller bekannt, dass 92% der Umsätze mit dem Off-label-Einsatz erzielt würden. Erst 2006 erfolgte die Zulassung zur Behandlung des multiplen Myeloms. |

Quelle

Eguale T et al. Association of Off-label Drug Use and Adverse Drug Events in an Adult Population. JAMA Intern Med 2015, online veröffentlicht 2. November 2015

Good CB und Gellad WF. Off-label Drug Use and Adverse Drug Events. Turning Up the Heat on Off-label Prescribing. JAMA Intern Med 2015, online veröffentlicht 2. November 2015

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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