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Das Problem mit der Windel-Versorgung
Verträge über saugende Inkontinenz-Hilfsmittel – und ihre Fallstricke
Ausschreibung oder Beitrittsvertrag?
Obwohl es für Hilfsmittel zur saugenden Inkontinenz-Versorgung gesetzliche Festbeträge pro Stück gibt, sind mittlerweile Verträge auf Basis von Monatspauschalen üblich. Während sich einige Kassen für euopaweite Ausschreibungen entschieden haben, bevorzugen andere Beitrittsverträge nach SGB V, § 127 Abs. 2. Zu den Kassen, die aktuell ausgeschrieben haben, gehört die Barmer GEK, die KKH, DAK Gesundheit, IKK gesund plus sowie die AOK Hessen. Hier ist die Versorgung durch die Apotheke zulasten des Kostenträgers nicht möglich – auch dann nicht, wenn der Patient sich am Wochenende oder im Notdienst an die Apotheke wendet, weil er saugende Inkontinenzprodukte benötigt.
Das SGB V sieht zwar vor, dass der Versicherte andere Leistungserbringer wählen kann, wenn die Versorgung durch den Ausschreibungsgewinner nicht zumutbar ist. In der Realität ist dies allerdings nur sehr selten der Fall. Versorgung nach Krankenhausentlassung oder eine große Distanz zwischen Standort des Vertragspartners und dem Wohnsitz des Versicherten gelten nicht als nicht zumutbar.
Viele, vor allem die kleineren Betriebskrankenkassen, bündeln ihre Verhandlungsmacht und lassen gemeinsam Verträge verhandeln. Dadurch gelten diese Verträge nicht nur für eine Kasse sondern für viele. Tritt man einem solchen Vertrag bei, ist man dann nicht nur automatisch Vertragspartner aller beigetretenen Kassen, sondern auch derer, die später noch beitreten. Dies ist zu bedenken, wenn man im Rahmen eines Beitrittsgesuchs an eine Kasse auf Verträge von GWQ bzw. spectrumK verwiesen wird.
Heimversorgung
Üblicherweise ist in den genannten Verträgen die Versorgung von Heimbewohnern nicht enthalten. Denn hierfür gibt es separate Verträge. Liefert man in Unkenntnis an einen Patienten im Heim, beispielsweise weil auf der Verordnung noch die alte Adresse des Versicherten steht, wird die Rechnung üblicherweise nicht vergütet. Aufgrund der Versorgungssituation im Heim kommt es aber immer wieder vor, dass sich Angehörige an die Apotheke wenden. Hier gilt es, gerade bei neuen Kunden, sehr vorsichtig zu sein.
Vertragsinhalte
Zwischen den einzelnen Verträgen unterscheiden sich die Anforderungen an den Leistungserbringer.
Um die Frage zu beantworten, ob ein Beitritt sinnvoll ist, sollte auf folgende Punkte unbedingt geachtet werden:
- Sind auch Kinder von der Pauschale erfasst?
- Sind Inkontinenz-Unterhosen, (Pants) in der Pauschale enthalten?
- Werden Dauerverordnungen akzeptiert oder muss monatlich ein Rezept vorgelegt werden?
- Muss ein eventueller Kostenvoranschlag elektronisch eingereicht werden?
- Hat die Kasse das Recht, eine Auswertung über die abgegebenen Hilfsmittel zu verlangen?
- Müssen Beratungsgespräche dokumentiert werden und müssen sie ggf. beim Patient zu Hause stattfinden?
- Reicht als Nachweis der Qualifikation die Präqualifizierung oder werden noch zusätzlich eine Zertifizierung gefordert oder besondere Anforderungen an das Personal gestellt?
Vorsicht Sondernummer!
Ein Fehler, der häufig vorkommt, ist auch die Bedruckung des Rezepts mit der falschen Hilfsmittelnummer: Werden Pauschalen abgerechnet, gibt es vertragsspezifische Sonderhilfsmittelnummern, mit denen das Rezept bedruckt werden muss. Wird mit der Hilfsmittelnummer des tatsächlich abgegebenen Produktes bedruckt, führt dies oft zur Nicht-Erstattung. Denn diese Hilfsmittelnummer ist vertraglich nicht geregelt.
Preisentwicklung
Immer wieder führen die Preisverhandlungen bei Beitrittsverträgen zu Diskussionen – und das nicht nur zwischen Kostenträger und Verband, sondern auch innerhalb des Verbandes, unter den Mitgliedern. Häufig einigt sich nach der gesetzlich vorgeschriebenen Veröffentlichung des Vertragsinteresses der Kostenträger mit einem, möglichst großen und überregionalem Leistungserbringer auf den Preis und andere Vertragsinhalte. Andere Leistungserbringer haben dann nur noch die Möglichkeit, diesem Vertrag beizutreten. Da die Kassen verpflichtet sind, alle Verträge offenzulegen und durch die Tatsache, dass auch andere Leistungserbringer einem Apothekervertrag beitreten können, gibt es kaum noch Verträge mit unterschiedlichen Vergütungen für identische Leistungen. Bekommt ein (Apotheker-)Verband dann einen abgeschlossenen Vertrag vorgelegt, gibt es keine oder nur geringe Möglichkeiten, die Streichung oder Änderung von Vertragsinhalten zu verhandeln.Es stellt sich die Frage, ob man diesem Vertrag beitritt. Neben dem immer weiter fallenden Preisniveau in Form von Monatspauschalen sind auch Vertragsinhalte wie ein elektronischer Kostenvoranschlag nur schwer zu erfüllen. Häufig sind aber im Vorfeld bereits viele Verbandsmitglieder diesem Vertrag beigetreten – nicht selten, ohne ihn komplett durchzulesen und sich der Inhalte bewusst zu sein. Man versorge nur einen Patienten dieser Kasse, daher sei der Schaden gering, wird dann oft argumentiert. Fragen dann im Laufe der Zeit allerdings Patienten, die mit ihrem bisherigen Versorger unzufrieden sind, bei der Kasse nach Vertragspartnern in ihrer Nähe, können es auch schnell viele und auch schwierige Versorgungen sein. Denn selbstverständlich bevorzugen Patienten die Versorgung durch die Apotheke vor Ort. Die Verhandlungsposition der Verbände wird dadurch nicht gestärkt.
Auch der Landesapothekerverband Baden-Württemberg stand Ende 2013 vor der Entscheidung, ob er dem Vertragsangebot der AOK Baden-Württemberg beitreten sollte. Der alte Vertrag war seitens der Kasse gekündigt worden, das neue Vertragsangebot sah eine um 4 Euro niedrigere Vergütung vor.
Trotz reduzierter Vergütung bei gestiegenen Anforderungen, wie Lieferung innerhalb von zwei Tagen in produktneutraler Verpackung, trat man dem Vertrag dann letztendlich „mit Bauchschmerzen“ bei, um den bereits beigetretenen Mitgliedern bei der Durchführung der Versorgung behilflich sein zu können.
Aufzahlungen
Ein großes Thema im Bereich der saugenden Inkontinenz sind Aufzahlungen. Diese sind, zumindest laut Vertrag, nur dann erlaubt, wenn der Patient eine Versorgung möchte, die über dem Maß des Notwendigen liegt. Unproblematisch sind daher Aufzahlungen bei allgemein gehaltenen Verordnungen wie beispielsweise: „Bedarf saugende Inko für Monat März.“
Verordnet der Arzt allerdings eine konkrete Stückzahl mit Nennung des Produktes und Begründung, so ist fraglich, ob das dann als Wunschverordnung gewertet werden kann.
In der Praxis sind allerdings Aufzahlungen durchaus üblich. Wegen der nicht kostendeckenden Vergütung, aber auch weil den Versicherten die Vertragsinhalte nicht bekannt sind.
Erfahrungsgemäß gilt: Je niedriger der Vertragspreis, den die Kasse ausgehandelt hat, desto höher ist die Aufzahlung, die vom Versicherten gefordert wird. Das führt bei Ausschreibungen mit Preisen von 13 bis 18 Euro als Monatspauschale zu einer absurden Situation: die eigentlich von der Versorgung ausgeschlossenen Apotheken beliefern teilweise die Patienten wieder – und zwar gegen Privatrechnung. Denn das ist für die Versicherten günstiger als die teilweise hohen Aufzahlungen der Ausschreibungsgewinner.
Individuelle Angebote können sich lohnen
Häufig wenden sich die Patienten nach einer Ausschreibung, wenn sie von ihrer Krankenkasse über den neuen Vertragspartner informiert werden, zuerst an ihren bisherigen Versorger, die Apotheke. Es kann sich daher durchaus lohnen, die Patienten anzusprechen und ihnen ein Angebot zu unterbreiten. Bei der Kalkulation gibt es hier keine Vorgaben.
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