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Management

Lernen Sie zu strahlen!

Wie man Charisma üben kann

Charismatische Persönlichkeiten gibt es nicht nur im Fern­sehen oder auf der Kongressbühne, sondern auch im Alltag. In der Apotheke ist Charisma sehr hilfreich im Umgang mit Angestellten bzw. Kollegen, aber auch mit Kunden. Doch wie kann man seine persönliche Ausstrahlung optimieren?

Der Begriff Charisma bedeutet ursprünglich „Gnadengabe“, er bezeichnet im christlichen Sinne das Wohlwollen, mit dem uns Gott ein Geschenk macht. Profan gesagt, verstehen wir heute eine stark anziehende Ausstrahlungskraft darunter. Führungskräfte empfinden wir als charismatisch, wenn sie die Mitarbeiterinnen* zu besonderen Leistungen inspirieren, dabei attraktive und überzeugende Visionen vermitteln und emotional ansteckend vorangehen. Nie entsteht Druck oder eine als negativ empfundene Anstrengung, im Gegenteil: Man empfindet Spaß, Freude und Begeisterung.

Trau Dich, bemerkenswert zu sein!

Albert Schweitzer

Unsere Grundbedürfnisse von Sicherheit, Bindung und Selbstwert werden im Zusammensein mit charismatischen Menschen befriedigt, sie wirken entspannt, erlauben sich, Herr über ihre eigene Zeit zu sein, und leben selbstbestimmt. Dadurch entsteht die Fähigkeit zur ungeteilten Präsenz.

So gibt eine charismatische Apothekenleiterin Mitarbeiterinnen und Kunden immer das Gefühl, dass sie auch emotional vollständig bei ihnen ist, sie ernst nimmt, aufbaut oder sie sogar „zum Star macht“.

Das ist nicht ganz einfach bei den vielen Aufgaben und Arbeiten, die im Betrieb im Hintergrund warten. Diese Dinge auszublenden, wenn Sie im HV beraten, und sich 100%ig zu konzentrieren, ist bereits ein wunderbarer Anfang auf dem Weg zu mehr Ausstrahlung. Die Kunden merken genau, ob jemand von seiner Sache überzeugt ist oder nicht. Beraten wir im Bereich Kosmetik oder Nahrungsergänzungsmittel, macht es einen Unterschied, ob wir nur sachlich informieren oder begeistert empfehlen und dabei Bezug auf den Kunden nehmen.

* Da die überwiegende Anzahl der Apothekenmitarbeiter weiblich ist, schreibe ich in der weiblichen Form. Männliche Kollegen dürfen sich gerne mit angesprochen fühlen.

Die Wirkung nach außen

Die nonverbale Sprache von charismatischen Menschen ist gekennzeichnet durch eine größere Gestik, das Beanspruchen von ausreichend Raum, langsames Gehen, eine aufrechte Haltung, Sprechpausen und auch einmal nur Schweigen und aufmerksam Schauen. In der Apotheke heißt das: den Kunden anblicken und nicht nur den Bildschirm, die Packung oder das Rezept. Eine typisch charismatische Gestik zum Auswendiglernen und Ein­studieren gibt es natürlich nicht, die eigene Persönlichkeit mischt immer mit!

Charismatische Menschen drücken das aus, was viele von uns in sich klein halten: das Wissen um die eigenen Ressourcen. Jeder strahlt immer das aus, was er von sich selbst denkt. Normalerweise gilt es als unbescheiden und arrogant, sich mit seinen Stärken und seiner Kompetenz zu brüsten. Beides darf durch Leistung offenbar werden, das eigene Bewusstsein trägt man jedoch nicht zu Markte, sondern macht sich eher klein mit einem: „Das ist doch nichts Besonderes.“

Charismatiker hingegen sind fähig, ihre Begeisterung für eine Sache, das eigene Tun und die eigene Wirksamkeit nach außen zu bringen. Sie empfinden sich und ihr Engagement als wichtig und zeigen es. Zudem ist ihnen klar, dass sie angekommen sind bei ihren Zielen. Das gestehen sich viele „Normalos“ gar nicht zu, sondern streben nach immer mehr, ohne das Erreichte zu genießen und zu würdigen.

Überforderung reduziert das Charisma

Dies gilt sowohl für die eigene Arbeit als auch für die der Kolleginnen. Die Psychologin Martina Schmidt-Tanger betont: „Die Sprunghaftigkeit und Unaufmerksamkeit in vielen sozialen Kontakten, häufig kombiniert mit emotionaler Gehetztheit, ist einer der Hauptfaktoren für schwache Ausstrahlung. Permanente Überfor­derung reduziert Charisma er­heblich.“

Wichtig ist es, sich einer Art Informationsdiät zu unterziehen und darauf zu achten, sich nicht vom Aufstehen bis zum Schlafengehen mit schlechten Nachrichten und Bildern aus den Medien zu füttern. Die Sorgen, Beschwerden, Krankheiten und anderen Schwierigkeiten der Kunden kommen noch hinzu. Über die Spiegelneurone nehmen wir vieles auf und geben auch Eigenes weiter, von der Nachdenkfalte auf der Stirn über vermiedenen Blickkontakt bis zur verspannten Haltung.

Als Basis für Charisma gelten Autorität, Empathie und Präsenz aufgrund der eigenen Persönlichkeit und Individualität. Das ist nur möglich, wenn man sich selbst erkennt und dabei für sich entfaltet hat, was in einem verborgen war: „Wer bin ich und wofür stehe ich?“ Selbstreflexion ist tägliches Brot, es ist wichtig, mit sich im Reinen zu sein und sich so zu akzeptieren, wie man gerade jetzt ist. Darauf bauen wir auf.

Gab es heftige Herausforderungen im Leben, die gut gemeistert wurden, gehen daraus oft Menschen hervor, die Mut und Kraft ausstrahlen, Zuversicht und eine hohe Resilienz besitzen. Gute Laune als Zeichen von tiefer Ausgeglichenheit gehört auch dazu. Schmidt-Tanger: „Nichts ist mehr so wichtig, als dass es denjenigen in kleinlicher Weise aus dem Gleichgewicht bringt.“

Die charismatische Führungskraft ...

… versteht zu begeistern.

… ist empathisch und ein­fühlsam.

… hört zu.

… spricht verständlich und mitreißend.

… ist authentisch.

… zeigt Gefühle mit Augenmaß.

… ist dankbar für die Geschenke ihres Lebens.

… vertraut ihren eigenen Stärken.

… fördert die Mitarbeiterinnen vertrauensvoll.

… inspiriert andere, sich mehr zuzutrauen.

… schätzt ihre Angestellten.

… ist unabhängig von Regeln und der allgemeinen Meinung.

… ist zielstrebig.

… arbeitet an der eigenen Persönlichkeit.

… zeigt Ecken und Kanten, ohne andere zu verletzen.

… handelt und übernimmt Verantwortung, auch wenn mal was daneben geht.

… traut sich was.

Was macht Sie zufrieden?

Was löst in Ihnen selbst ein Gefühl von Wärme, innerer Freiheit und Gelassenheit aus? Schreiben Sie eine kleine Liste, es können Tätigkeiten, Gedanken oder Menschen sein, die angenehm auf Sie wirken. Halten Sie die Liste griffbereit und sorgen Sie dafür, sich täglich mit mindestens einer Sache davon konzentriert zu befassen, um innerlich damit in Berührung zu kommen. Suchen Sie den Kontakt mit Menschen, die Ihnen gut tun.

Großen Einfluss hat auch der Gebrauch der Sprache: Wortwahl, Satzbau und Sprachmelodie entscheiden über die Wirkung. Ein paar Beispiele: „Oje, ich muss ja auch noch entscheiden, ob ich Großhändler A oder B beauftrage!“ oder „Ah! Ich kann zwischen Großhändler A und B wählen!“ Altbekannt: „Das muss ich Ihnen leider bestellen!“, die bessere Wahl: „Das bestelle ich Ihnen gerne, es ist schon um 15 Uhr da.“ Kurze Sätze statt Schachtelsätzen schaffen Klarheit. Am Ende des Satzes bleiben wir nur bei Fragesätzen mit der Stimme oben.

Für Selbstgespräche gilt dasselbe. Wie reden Sie mit sich selbst? Mühevoll, missmutig und ungeduldig oder ermunternd, liebe- und humorvoll? Welche Gedanken schwächen Sie, erzeugen Angst und Unzulänglichkeitsgefühle? Wenn Sie sich beim negativen Umgang mit sich selbst erwischen, korrigieren Sie sich sofort! Dabei verbessern sich auch Stimmung und Körperhaltung.

Vermeiden Sie außerdem Wendungen wie „schnell mal eben“ oder „schnell nochmal“ und wandeln sie diese um zu: „in aller Ruhe“. Sie können viel besser verdauen, wenn Sie in aller Ruhe ihre Mahlzeit genießen, als wenn Sie sagen und denken: „Ich gehe eben mal schnell essen.“

Alle Lebewesen außer den Menschen wissen, dass der Hauptzweck des Lebens darin besteht, es zu genießen!

Jean Paul

Menschen mit Charisma nutzen meist auch die ganze Bandbreite der Zeitformen, wenn sie sprechen. Im allgemeinen Sprachgebrauch drücken wir uns fast nur noch im Präsens und Perfekt aus. Das verwässert und wirkt anders, als wenn ich zum Beispiel etwas Abgeschlossenes tatsächlich auch im Imperfekt beschreibe: „Als Sie schwer krank gewesen sind …“ versus „Als Sie schwer krank waren …“ Im ersten Satz wirkt die Krankheit noch in die Gegenwart und ist daher für den Kunden unangenehmer als in der zweiten Aussage, in der klar wird, dass sie endgültig der Vergangenheit angehört.

Vorsicht! Ego-Falle!

Tappen Sie beim Thema „Charisma lernen“ nicht in die Ego-Falle! Jeder von uns ist ersetzbar, es geht nicht um Schaulaufen, sondern um Ergebnisse.

Denken Sie aber auch daran: Everybody’s Darling ist Everybody’s Depp! Zeigen Sie daher Profil und bleiben Sie bei Ihren Zielen. Würdigen Sie aber dabei immer auch die Leistungen der anderen, schenken Sie ihnen ungeteilte Aufmerksamkeit und bleiben Sie höflich und hilfreich.

Begeisterung für Sie kann es nur bei Vertrauen in Sie geben. Ehrlichkeit ist Voraussetzung dafür. Das bedeutet auch, dass Sie eigene Fehler zugeben und sich ggf. entschuldigen. Seien Sie klar und verlässlich! Das gilt natürlich nicht nur betriebsintern, sondern auch gegenüber Kunden, Ärzten, Lieferanten usw.

Stellen Sie sich auch die Frage, was für Sie persönlich wichtig oder wünschenswert an einer charismatischen Persönlichkeit ist. Möchten Sie so sein? Wie ist Ihr Weg dorthin und was wäre dann besser als jetzt? |

Ute Jürgens

Ute Jürgens ist Kommunikationstrainerin mit Spezialisierung auf die Heilberufler,
Dipl. Erwachsenenpädagogin und PTA, www.kommed-coaching.de


Literatur

Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf:
In der Sprache liegt die Kraft! Klar reden, besser leben.

Herder Verlag 2012.
ISBN: 978-3-451-06334-3






Martina Schmidt-Tanger:
Charisma-Coaching. Von der Ausstrahlungskraft zur Anziehungskraft.

Junfermann Verlag 2009.
ISBN 9783873877320





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