Gesundheitspolitik

Kassen kritisieren Pläne für Pharma-Gesetz

AOK-Chef: Arzneimittelgesetzgebung darf kein Pharmawunschkonzert werden

BERLIN (bro/ks) | Das Bundesgesundheitsministerium hat kürzlich die Eckpunkte für die nächste Reform im Arzneimittelbereich vorgelegt. Mit ihr sollen die im Pharmadialog verabredeten Maßnahmen umgesetzt werden. Die gesetzlichen Krankenkassen sind alarmiert. Beispiel Umsatzschwelle: Im Pharmadialog hatte die Bundesregierung mit den Herstellern vereinbart, dass es künftig eine Umsatzschwelle geben soll, ab der der ausgehandelte Erstattungsbetrag schon vorzeitig greifen soll. Derzeit gilt der Erstattungsbetrag erst, wenn das Präparat schon ein Jahr auf dem Markt war. Besonders umsatzträchtige Arzneimittel sollen mit der Umsatzschwelle künftig besser im Zaum gehalten werden können. Doch wie hoch dieser Wert sein soll, ist unklar. 100 Millionen Euro? 250 Millionen Euro? Der AOK-Bundesverband meint, er dürfe bei höchstens 50 Millionen Euro liegen. Diese Schwelle gilt auch für Orphan Drugs. Haben sie weniger Umsatz, gilt ihr Zusatznutzen als mit der Zulassung belegt.

Allerdings ist der Weg über die Umsatzschwelle für den Kassenverband sowieso nur eine B-Lösung. Ebenso wie der GKV-Spitzenverband plädiert der AOK-Bundesverband weiterhin dafür, dass der zwischen Kassen und Herstellern vereinbarte Erstattungsbetrag rückwirkend ab dem ersten Tag nach der Zulassung gelten soll.

Ferner kritisiert der AOK-Bundesverband, dass Hersteller und der GKV-Spitzenverband in den Preisverhandlungen für neue Arzneimittel „mehr Flexibilität“ erhalten sollen, wenn das jeweilige Arzneimittel keinen Zusatznutzen hat. Bislang gilt eine klare Regel: Wenn das zu prüfende Medikament keinen Mehrwert im Vergleich zur Vergleichstherapie hat, kommt es in eine Festbetragsgruppe. Nur wenn es keine vergleichbare Festbetragsgruppe gibt, darf der Hersteller mit dem GKV-Spitzenverband einen Preis aushandeln. Der AOK-Bundesverband befürchtet nun eine Aufweichung der AMNOG-Systematik, nach der höhere Preise nur bei Medikamenten mit einem höheren Zusatznutzen gerechtfertigt seien. „Diese überzeugende Logik dürfen wir jetzt nicht opfern“, sagt Verbandschef Martin Litsch.

Auch der Plan, die ausgehandelten Erstattungsbeträge künftig nicht mehr öffentlich zu listen, läuft Litsch zuwider. „Diese Intransparenz schadet nicht nur der gesellschaftlichen Diskussion über angemessene Arzneimittelpreise, es ist auch das komplett falsche Signal an die Ärzte, denn diese haben dann keine Möglichkeit mehr, kostenbewusst zu verordnen.“ Fest steht: Auch nach den Eckpunkten ist noch offen, wie die Vertraulichkeits-Regel in der Abrechnungs-Realität funktionieren soll. Weiterhin heißt es lediglich, dass nur noch diejenigen Stellen die Informationen erhalten sollen, die damit gesetzliche Aufgaben erfüllen müssen.

Kassen-Vorstellungen unberücksichtigt?

Schlussfolgernd kommt die AOK daher zu dem Fazit: „Bisher spiegeln die Vorschläge einseitig die Interessen der Arzneimittelhersteller und Ergebnisse aus dem Pharmadialog wider. Reformvorstellungen der bisher nicht einbezogenen Krankenkassen wurden nicht berücksichtigt.“ Dabei unterschlägt er allerdings eine weitere geplante Maßnahme: Gefallen müssen den Kassen doch eigentlich, dass das Preismoratorium für verschreibungspflichtige Arzneimittel vorzeitig um ganze fünf Jahre verlängert werden soll. Ein „Wunschkonzert“ kann der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) Martin Zentgraf daher nicht erkennen: „Die Festschreibung des Preismoratoriums bis Ende 2022 trotz guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und eines satten GKV-Finanzpolsters von aktuell rund 24,5 Milliarden Euro – dies ist ein Missklang, wenn man Versorgungssicherheit will.“

Zur Anpassung der Apothekervergütung in den Bereichen Rezepturen und BtM-Abgabe wollte sich der AOK-Bundesverband übrigens noch nicht äußern. Johann-Magnus von Stackelberg ließ jedoch schon durchblicken, dass er hierfür kein Verständnis hat. |

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