Gesundheitspolitik

Razzien bei Pharmagroßhändlern

Bundeskartellamt durchsucht Großhandelsniederlassungen

BERLIN (hfd/az) | Haben die deutschen Pharmagroßhändler zur Beendigung ihrer „Rabattschlacht“ eine Art „Waffenstillstand“ vereinbart und Stillhalteabkommen verabredet? Das Bundeskartellamt geht dem Verdacht nach, dass sie untereinander wettbewerbsbeschränkende Absprachen, ins­besondere sogenannte Kundenschutzabsprachen, getroffen haben.

Die Vorstände mehrerer Unternehmen sollen beschlossen haben, dass diese keine Angebote mehr für Hauptlieferantenpositionen abgeben. Daher durchsuchten vergangene Woche Mittwoch 50 Beamte der Behörde zusammen mit lokalen Polizeikräften bundesweit acht Pharmagroßhandlungen. Ein Sprecher des Bundeskartellamts betonte: „Bis zum Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung“. Deshalb machte er auch keine weiteren Angaben zu den durchsuchten Unternehmen. Mehr Informationen soll es voraussichtlich erst geben, wenn entweder Bußgelder verhängt oder die Ermittlungen eingestellt worden sind.

DAZ.online fragte jedoch im übersichtlichen Markt des Pharma-Großhandels nach und bekam die Durchsuchungen bestätigt. Alle Firmen bestritten die Verdächtigungen – und versprachen volle Kooperation. So hieß es bei Gehe: „Selbstverständlich unterstützen wir die Behörden vollumfänglich.“ Ein Sprecher des Großhändlers Phoenix erklärte auf Nachfrage, dass das Bundeskartellamt Niederlassungen in Mannheim, München und Fürth durchsucht hat. Phoenix sicherte zugleich zu, „die Untersuchungsmaßnahmen der Ermittlungsbehörden in vollem Umfang zu unterstützen, damit die Vorwürfe so schnell wie möglich aufgeklärt werden können“. Entsprechend äußerte sich eine Sprecherin von Alliance Healthcare.

Die Apothekergenossenschaft ­Noweda erklärte in einer Pressemitteilung: „Der Vorwurf, Marktabsprachen getätigt zu haben, trifft die Noweda nicht, da wir an Absprachen jeglicher Art nicht beteiligt und uns auch keinerlei Absprachen im Markt bekannt sind.“ Dass man im Zuge der Ermittlungen des Bundeskartell­amtes durchsucht wurde, ist für die Genossenschaft allenfalls insoweit nachvollziehbar, als dass Noweda auf dem deutschen Markt zu den größten pharma­zeutischen Großhandelsunter­nehmen zähle. Noweda sicherte ebenfalls „uneingeschränkte Kooperation“ zu.

Auch die Genossenschaft Sanacorp bestätigte, dass die Niederlassungen in Ulm und Planegg vom Kartellamt „besucht“ wurden. Sie seien von der Durchsuchung gleichfalls überrascht gewesen und hätten „vollkommen mitgearbeitet“, um die Vorwürfe zu entkräften.

Der pharmazeutische Großhandel in Deutschland

Im Branchenverband Phagro sind zwölf „vollversorgende Pharmagroßhändler“ zusammengeschlossen: Die zum internationalen Pharmahandels- und Apothekenkonzern WalgreensBootsAlliance gehörende Alliance Healthcare Deutschland (ehemals ANZAG), die 2014 vom US-Großhandelskonzern McKesson übernommene Gehe (Celesio), die im Besitz der Ex-Eigentümerin von Ratiopharm – der Familie Merkle – befindliche Phoenix und die Phoenix-Tochter Hageda-Stumpf, die Genossenschaften Noweda und Sanacorp sowie die zur Kooperation Pharma­Privat zusammengeschlossenen kleineren, regionalen Großhändler Ebert + Jacobi, Fiebig, Otto Geilenkirchen, Max Jenne, Richard Kehr und C. Krieger & Co. Diese Großhändler betreiben in Deutschland insgesamt 113 Niederlassungen und decken rund 90 Prozent des Marktes ab.

Der u. a. der österreichischen Post gehörende „Neuling“ AEP ist nicht Mitglied im Phagro.

Die Anteile im insgesamt rund 29 Mrd. Euro starken deutschen Markt verteilen sich nach verschiedenen Schätzungen ungefähr wie folgt:

Phoenix: 27 bis 28 Prozent

Noweda: 17 bis 18 Prozent

Gehe: 15 bis 16 Prozent

Sanacorp: 15 bis 16 Prozent

Alliance Healthcare Deutschland: ca. 14 Prozent

PharmaPrivat: ca. 9 Prozent

(In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir geschrieben, dass Hageda-Stumpf zur PharmaPrivat-Kooperation gehöre. Das stimmt nicht. Wir bedauern dieses Versehen.)

„Damit haben wir nichts zu tun“

Pharma Privat, eine Kooperation inhabergeführter Pharma-Großhandlungen, bestätigte Durchsuchungen in Göttingen. „Ich habe sofort meine Zusammenarbeit signalisiert, weil wir definitiv nichts damit zu tun haben“, sagte Geschäftsführer Hanns-Heinrich Kehr auf Nachfrage. Auf eine angebotene Kronzeugenregelung habe er verzichtet, da er keine Informationen beitragen könne. „Ich weiß definitiv, dass wir an keiner Absprache beteiligt sind“, erklärte er – und auch sonst am Markt spüre er diese nicht.

AEP-Geschäftsführer Jens Graefe erklärte gegenüber DAZ.online, er kenne den Hintergrund nicht – sondern verwies auf jene Großhändler, die möglicherweise Absprachen getroffen hätten. „Wir sind sicher nicht Teil dessen“, sagte er. Der Beschluss hätte sich gegen alle großen Pharmagroßhändler gerichtet, daher auch gegen AEP.

Beim Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels Phagro hieß es, dem Verband lägen keine Erkenntnisse über die Hintergründe vor. Daher wolle und könne er sich hierzu auch nicht äußern, sagte ein Sprecher.

Nun heißt es abwarten, was die Auswertung der sichergestellten Beweismittel ergibt. |

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