Management

Erfolg mit Frei- und Sichtwahl

Wie Sie die Produktivität messen und verbessern können

Die Apotheken erwirtschafteten 2016 durchschnittlich etwa 20 Prozent ihres Umsatzes und etwa 30 Prozent ihres Gewinns mit der Frei- und Sichtwahl. Bei Centerapotheken und Innenstadt-Lauflagen ist deren Relevanz für die Erträge noch größer. Vor allem für Apotheken mit hoher Kundenfrequenz wird die wirtschaftliche Bedeutung von Frei- und Sichtwahl weiter zunehmen. Von Wolfgang Franzen

Deshalb ist es für jede Apotheke wichtig, regelmäßig die Produktivität ihrer Frei- und Sichtwahl zu ermitteln. Diese lässt sich leicht anhand des Rohertrags messen. Der Rohertrag ergibt sich, wenn von den erwirtschafteten Netto­umsätzen (nach Abzug von Kundenrabatten und ohne Mehrwertsteuer) der Wareneinsatz abgezogen wird. Bei der Berechnung des Wareneinsatzes werden natürlich die erzielten Einkaufsvorteile zusätzlich berücksichtigt.

Sehr genau kann man die Produktivität pro Regalplatz nachweisen, wenn die Apotheken-EDV den Lagerort (= Regalplatz) mit verwaltet. Das bietet die Möglichkeit, über den Rohertrag pro Regalmeter eine eindeutige Favoritenliste aufzustellen, welche Sortimente den größten Beitrag zum Ertrag bringen. Der Rohertrag je Regalmeter Frei- und Sichtwahl sollte regelmäßig überprüft werden, damit die besten Präsentationsflächen in der Apotheke möglichst wirtschaftlich eingesetzt werden.

Die Produktivität der Frei- und Sichtwahl wird erheblich von den erzielten Einkaufskonditionen und der jeweiligen Preispolitik der Apotheke beeinflusst.

Bewertet man die verkauften Mengen des Frei- und Sichtwahlsortiments zunächst mit den Listenverkaufspreisen (AVP) und zieht davon den tatsächlich erzielten Umsatz ab, lässt sich die Bedeutung der gewährten Kundenrabatte ­exakt ermitteln (s. Tabelle 1).

Tab. 1: Beispielrechnung
Monatsumsatz zu Listenpreisen
minus Monatsumsatz zu tatsächlich erzielten Preisen
= Kundenrabatt (= 10% vom Umsatz zu Listen­preisen)
25.000 €
22.500 €
 2.500 €
22.500 €
Abzüglich Wareneinsatz zu Listenpreisen
minus Einkaufskonditionen von 18%
= Wareneinsatz zu effektiven Einkaufspreisen
18.000 €
 3.240 €
14.760 €
14.760 €
Nettoumsatz
abzüglich Wareneinsatz
= Rohertrag (Handelsspanne 34,4%)
 7.740 €

Preisempfindliche und preis­unempfindliche Produkte

Bei der Preiskalkulation muss man zwischen preisempfindlichen Produkten (z. B. Nasenspray) und preisunempfindlichen Produkten (z. B. Hustensaft) unterscheiden. Wenn Kunden Produkte sehr häufig kaufen und zudem deren Preise öfter auf Flyern als Referenzwert sehen, reagieren sie stärker auf Preisaktionen als bei Artikeln, die sie nur sporadisch kaufen. Aufgrund der vielen Produkte kann kein Kunde alle Marktpreise kennen, sondern nur die von oft eingekauften sowie von besonders häufig und mit aggressiven Preisen beworbenen. Bei preisempfindlichen Produkten besteht die Chance, den Abverkauf sowohl der reduzierten Artikel als auch der mitverkauften normal kalkulierten Produkte zu steigern. Bei preisunempfindlichen Artikeln wird eine Preisreduzierung dagegen kaum zu einer Absatzsteigerung führen.

Foto: ABDA
Eine Verlagerung von Markenprodukten aus der Bück- oder Streck- in die Sichtzone bringt in der Regel einen Mehrverkauf von 20% und mehr. Und vielleicht lassen sich Kunden auch beraten, wenn sie etwas Adäquates entdeckt haben.

Renner und Penner

Die Bruttonutzenziffer (BNZ) ist ebenfalls ein guter Indikator, um die Frei- und Sichtwahl anhand von Kennzahlen zu bewerten und hinsichtlich ihrer Produktivität zu überprüfen. Die Bruttonutzenziffer ergibt sich aus der Multiplikation der Handelsspanne mit der Umschlagshäufigkeit. Hierzu ein Beispiel: Ein Artikel aus dem Sichtwahlsortiment hat eine Handelsspanne von 34 Prozent. Der Artikel verkauft sich 20-mal pro Jahr. Die Bruttonutzenziffer liegt bei: 34 Prozent (= 0,34) × 20 = 6,8. Ein weiterer Artikel aus dem Sortiment kommt auf eine Handelspanne von 42 Prozent, verkauft sich aber nur 10-mal pro Jahr. Also liegt die Bruttonutzenziffer bei: 42 Prozent (= 0,42) × 10 = 4,2. Der erste Artikel ist aufgrund des höheren Umschlags für die Apotheke attraktiver. Tabelle 2 zeigt die Ermittlung der BNZ nochmals anschaulich.

Tab. 2: Ermittlung der Bruttonutzenziffer
OTC Arzneimittel
Produkt A
Produkt B
Handelsspanne
34%
42%
Umschlagshäufigkeit
20-mal pro Jahr
10-mal pro Jahr
Bruttonutzenziffer
6,8
4,2

Mit der Bruttonutzenziffer lässt sich in der Regel eine klare Rangfolge bestimmen, welche Frei- und Sichtwahlartikel „Renner“ und welche „Penner“ sind. Damit hat man zugleich ein gutes Entscheidungskriterium für die Platzierung. Marken und Produkte mit einer hohen BNZ gehören als Renner auf die Top-Plätze.

Produktivität durch gezielte Platzierungen beeinflussen

„Renner werden gemacht, aber auch Penner!“ Rund 30 Sekunden ruht der Blick des Kunden pro Apothekenbesuch mehr oder weniger suchend oder auch nur betrachtend auf der Frei- und Sichtwahl. Produkte, die in Augenhöhe präsentiert werden, haben bekanntlich den höchsten Aufmerksamkeitswert (50 Prozent der gesamten Betrachtungszeit). Entdeckt der Kunde hier ihm augenscheinlich bekannte Produkte, erhöht sich sein Interesse nachweislich nochmals um 15 bis 25 Prozent. Da viele Kaufentscheidungen vom Sichtkontakt und damit der optimalen Platzierung im Regal abhängen, bringt eine Verlagerung von Markenprodukten aus der Bück- oder Streckzone in die Sichtzone in der Regel einen Mehrverkauf von 20 Prozent und mehr.

Eine Erhöhung des Absatzes und die damit einhergehende Produktivitätssteigerung lassen sich auch durch die gezielte Zusammenstellung von Produktgruppen nach Kundeninteressen erreichen (Category Management). Durch eine geschickte Platzierung wird dem Kunden das Auffinden der Ware erleichtert. Untersuchungen zeigen, dass eine Platzierung von Produkten nach dem Category-Management-Konzept die Produktivität der dafür genutzten Regalflächen um 10 Prozent und mehr steigert. Das liegt einerseits an den erhöhten Abverkaufszahlen aufgrund des erhöhten Kundeninteresses und andererseits an einer geringeren Preissensibilität der Kunden, wenn diese aus logisch zusammengestellten Sortimenten auswählen.

Category Management ist weit mehr als eine reine Warenpräsentation, die man für den Kunden nach bestem Wissen zusammen­gestellt hat. Mit Category Management lässt sich die Produktivität beispielsweise auch erhöhen, wenn man zusätzlich die vorhandenen oder potenziellen Zielgruppen, die Größe der Präsentationsfläche und die Bekanntheit der angebotenen Produkte (Marken) berücksichtigt.

Außerdem sollte man beim Category Management den Stücknutzen (= Rohertrag pro Packung) und die Handelsspannen der einzelnen Produkte einer Kategorie genau kennen, um die richtige Mischung zu finden. Zusätzlich muss man die Abverkaufsmengen im Auge behalten, denn durch die Formel „Stücknutzen mal Absatzmenge = Rohertrag“ wird sofort deutlich, dass höhere Stücknutzen trotz geringfügig niedrigeren Absatzmengen den Rohertrag wachsen lassen. Schließlich kommt es darauf an, den gesamten Rohertrag des Sicht- und Freiwahlsortiments zu verbessern.

Das Team steigert die Produktivität

Von besonderer Bedeutung für eine Produktivitätssteigerung sind natürlich auch die aktiven Verkaufsempfehlungen des HV-Teams. Das zeigt das folgende Beispiel: Zusätzlich verkaufte OTC-Packungen erbringen im Schnitt einen Rohertrag von etwa 2,50 Euro pro Packung. Da die Fixkosten für Miete und Personal unverändert weiterlaufen, fließt der Rohertrag aus dem Mehrverkauf in voller Höhe in den Reingewinn ein. Gelingt es, durch eine aktive Verkaufsempfehlung zehn zusätzliche OTC-Packungen pro Tag zu verkaufen, steigt der Reingewinn pro Tag um 25 Euro. Bei 300 Verkaufstagen bedeutet dies eine Gewinnsteigerung um 7500 Euro pro Jahr. Gewinnsteigerungen durch aktive Verkaufsempfehlungen lassen sich allerdings nur mit einem geschulten und motivierten Team erreichen.

Fazit: Die Produktivität der Frei- und Sichtwahl sollte man stets im Auge behalten und vor allem durch die beschriebenen Maßnahmen erhöhen. Negativen Entwicklungen gilt es durch eine kontinuierliche Überprüfung der entsprechenden Kennzahlen möglichst schnell entgegenzuwirken. Diese könnten beispielsweise in Form von Excel-Dateien dargestellt werden. |

Dr. Wolfgang Franzen

Dipl.-Kaufmann Dr. Wolfgang Franzen ist Spezialist für Betriebswirtschaft und Kostenmanagement in der Apotheke und Referent der Thomae-Akademie, www.selfmedic.de

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