Aus den Ländern

Arzt und Apotheker – Hand in Hand

4. Münsteraner Gesundheitsgespräche

MÜNSTER (diz) | Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass Arzt und Apotheker miteinander kommunizieren, um den Patienten bestmöglich zu versorgen. Aber es gibt zahlreiche Missverständnisse und Kommunikationsbarrieren. Sie anzusprechen und über Lösungswege nachzudenken, war Ziel der 4. Münsteraner Gesundheitsgespräche, veranstaltet von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe am 19. April 2016. Das Fazit: Noch klemmt es vereinzelt, aber der gute Wille ist bei den meisten vorhanden. Die Heilberufskammern werden ihr gemeinsames Positionspapier (Baumberger Impuls) weiter verfolgen und alles tun, um noch intensiver zum Wohle der Patienten zusammenzuarbeiten.

„Keiner kann’s allein“, ist sich Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminis­terin Barbara Steffens sicher, „weder der Arzt noch der Apotheker kann den Patienten alleine versorgen, es geht nur zusammen.“ In ihrem Grußwort machte sie deutlich, dass 20 Prozent der über 65-Jährigen 80 Prozent der Arzneimittel verordnet bekommen, „da ist Kommunikation wichtig“, nicht nur von Arzt zu Arzt, sondern auch zwischen Arzt und Apotheker, zumal Patienten auch OTCs einnehmen, von denen die Ärzte nichts wissen. Allerdings, so Steffens, ein Datenaustausch allein reiche nicht, auch das Gespräch zwischen den Heilberuflern sei wichtig. Sie fragte: „Warum haben die Akteure Angst, es würde ihnen etwas weggenommen?“ Die Gesundheits­ministerin ist auch davon überzeugt, dass Apotheker eine neue Rolle in ihrem Quartier einnehmen müssen, in der wohnortnahen Versorgung, in der Prävention. Und im ländlichen Raum werden Apotheken immer mehr zur ersten Anlaufstelle, ihnen komme eine Lotsenfunktion zu.

Foto: AK WL

Darin waren sie sich einig: Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker ist wichtig, es geht nicht ohne. Von links: Gabriele Regina Overwiening, Dr. Theodor Windhorst, Barbara Steffens.

Dass Apotheker und Arzt gut zusammen arbeiten können, wenn sie es nur wollen, davon zeigte sich Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, überzeugt. Es komme allerdings darauf an, dass ­beide die Kompetenzen des anderen respektieren, nur so könne Vertrauen gebildet werden. Windhorst erinnerte an den im vergangenen Jahr verabschiedeten Baumberger Impuls, ein Positionspapier von Ärztekammer und Apothekerkammer Westfalen-­Lippe, das Handlungsbereiche beschreibt, in denen die beiden Heilberufe zukünftig noch intensiver ­zusammenarbeiten wollen. Mit dem Papier habe man Felder benannt, in denen die Berufe sich gegenseitig ­unterstützen können, ohne die jeweiligen Kompetenzen des anderen zu beschränken. Auch Windhorst ist überzeugt, dass trotz aller Chancen, die der technischen Entwicklung ­innewohnen, der persönliche Arzt-Apotheker-Patienten-Kontakt elementar für den Heilungserfolg sei.

Keine falschen Kaufanreize!

Gabriele Regina Overwiening, Prä­sidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, hinterfragte die vom Bundesgesundheitsministerium geplanten Warnhinweise auf OTC-Analgetika, wonach die Packungen zukünftig einen Warnhinweis tragen müssen, dass sie ohne ärztlichen Rat nur drei oder vier Tage anzuwenden seien. Auf der anderen Seite habe die Regierung die OTC-Preise freigegeben und suggeriere den Menschen, beim Kauf von Arzneimitteln auch auf den Preis zu achten. Statt Warnhinweise auf Schmerzmitteln einzuführen, wäre es besser gewesen, so Overwiening, keine falschen Kaufanreize durch billige Großpackungen zuzulassen. Außerdem sollte der Versand von Schmerzmitteln ohne eine initiative Beratung durch die Versandapotheke nicht erlaubt sein. „Die Politik gibt einerseits die OTC-Preise frei und lässt den Ver­sandhandel zu, andererseits sollen die Analgetika nun einen Warnhinweis tragen und die Apotheker auch bei ­Rezeptur- oder Defekturarzneimitteln einen Warnhinweis aufbringen – ein doppeltes Spiel“, so Overwiening, „das hätte man anders haben können.“

Wenn Ärzte und Apotheker ­miteinander kommunizieren …

Die Apothekerkammer Westfalen-­Lippe wollte es genauer wissen, wie es derzeit um die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker bestellt ist. Über die Apothekerstiftung Westfalen-Lippe beauftragte sie die Kommunikationsagentur „lege artis“ mit einer ­Studie, die Prof. Dr. Achim Baum vorstellte. Mithilfe von Fragebogen und Gesprächen eruierte man, warum und wie häufig Apotheker und Ärzte gegenseitig Kontakt aufnahmen. Diskutiert wurden ebenso das Rollenverständnis von Arzt und Apotheker im Medikationsmanagement und die Rolle der Arzneimitteltherapiesicherheit im Arbeitsalltag.

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Fest entschlossen, die Kommunikation zwischen den Heilberufen zu verbessern.Von links: Dirk Meyer, Günter van Aalst, Dr. Eckhard Kampe, Dr. Andreas Walter, Frank Dieckerhoff.

In der Regel geht die Initiative für den Informationsaustausch zwischen beiden Berufsgruppen vom Apotheker aus. Aus der Studie geht hervor, dass er aufgrund von Patientenbeschwerden oder Rückfragen administrativer oder pharmazeutischer Natur Kontakt mit der Arztpraxis aufnimmt (bei 90% der Befragten war dies öfter als fünf Mal in der Woche, meist telefonisch, aber auch per Fax und persönlich). Anlässe sind beispielsweise unvollständig oder fehlerhaft ausgestellte Rezepte oder Lieferengpässe. Pharmazeutische Anlässe, die zu Rückfragen in der Arztpraxis führen, sind Arzneimittelwechselwirkungen oder nicht plausible Verordnungen.

Aus den Studienergebnissen lässt sich ablesen, dass sowohl Ärzte als auch Apotheker nicht selten Ressentiments gegenüber dem anderen Heilberuf hegen. Ärzte stellen den medizinischen Nutzen der Apothekerarbeit in Frage, werfen dem Pharmazeuten merkantile Interessen vor. Apotheker, so die Ärzte, überschritten häufig massiv ihren Kompetenzbereich. Apotheker wiederum meinen, Ärzten fehle es an pharmazeutischer Kompetenz, sie könnten Interaktionen nicht richtig einschätzen. Den Ärzten fehle es zudem am Verständnis für den medizinischen Mehrwert der apothekerlichen Arbeit.

Wie Studienleiter Baum anmerkte, sei ein zentrales Problem in der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern die fehlende Aufklärung und Information über den Berufsalltag des jeweils anderen Heilberufs, über die wirtschaftlichen und rechtlichen Strukturen, denen Apotheker verpflichtet sind und über die Organisationen einer Arztpraxis. Durch eine offensive Informationspolitik, beispielsweise durch eine ausführliche Aufklärung über die Aut-idem-Regelung und die Substitutionsausschlussliste, könnten viele der Probleme aus dem Weg geräumt werden.

Erschwert werden Lösungen für eine bessere Kommunikation zwischen beiden Heilberufen dadurch, dass relevante Kommunikationsanlässe nicht definiert werden. Wenn ein Arzt beispielsweise zwei Arzneimittel trotz einer ­Interaktionsmeldung seiner Arzneimittelsoftware verordnet, führt dies seitens der Apotheke zu einer Rückfrage beim Arzt, was der Arzt wiederum als unnötige Unterbrechung empfindet.

Nicht zuletzt entscheiden auch weiche Faktoren wie Sympathie und Antipathie darüber, ob eine Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker gelingt. Aus den Studienergebnissen ergab sich, dass die Apotheker die ­Zusammenarbeit mit den Ärzten als höchst individuell ansahen: Das Erfahrungsspektrum reichte hier von sehr guter, respektvoller Kooperation auf Augenhöhe bis hin zu verbaler Aggression am Telefon. Und Ärzte berichten, dass Apotheker ihre Kompetenzen überschritten, indem sie Patienten von ärztlichen Verordnungen abraten, ohne mit dem betreffenden Arzt Rücksprache zu halten.

Soll die Arzt-Apotheker-Kommunika­tion gelingen, muss auf beiden Seiten die Bereitschaft vorhanden sein, miteinander in Dialog zu treten. Persönliche Absprachen auf individueller Ebene gestalten den interprofessionellen Umgang geschmeidig und ermöglichen eine Zusammenarbeit jenseits von Standesdünkel und Kompetenzgerangel, so die Studie. Kommunikationsziel sollte die sichere Patientenversorgung statt fachlicher Kritik sein. Darüber hinaus, so empfiehlt die Studie, sollten einvernehmlich Kompetenzbereiche definiert werden und so trainiert werden, dass die eigentlichen Kompetenzen des Apothekers verstärkt genutzt werden, ohne in den Zuständigkeits­bereich des Arztes einzugreifen. Möglichkeiten ergeben sich hier beispielsweise in der Beratung des Arztes durch den Apotheker bezüglich alternativer Therapiemöglichkeiten bei pharmazeutischen Bedenken und in Fragen zu Galenik, Wirkstoffzusammensetzung und Applikation von ­Arzneimitteln.

Neue Gefahren, alte Grabenkämpfe wieder aufkommen zu lassen, biete laut Studie der neueste Ansatz des ­Gesundheitsministeriums zur elektronischen Gesundheitskommunikation. Das E-Health-Gesetz stelle zwar eine elektronische Lösung für das Medikationsmanagement in Aussicht, aber die Arbeit des Apothekers in der Bewertung von Interaktionen und der Erarbeitung von Lösungsstrategien werde systematisch untergraben, seine Kernkompetenz als unverzichtbarer Versorgungspartner im Gesundheitswesen missachtet. Ein Fazit der Studie: „Wenn es um die Sicherheit von Patienten geht, sollten nicht Systeme miteinander kommunizieren, sondern Menschen mit Menschen. Darum wird es – im Sinne der Patienten – höchste Zeit für die Wiederbelebung einer eigentlich selbstverständlichen Kooperation zwischen Apothekern und Ärzten.“ Ärzte und Apotheker sollten sich an die Hand nehmen, um die stürmischen Zeiten zu bestehen, „die Anforderungen zur Arzneimitteltherapiesicherheit sind dafür der Lackmus-Test“, so Professor Baum.

Der Wille ist da …

„Heilberufe Hand in Hand“ – die Podiumsdiskussion der Münsteraner Gespräche zeigte: Alle Seiten, auch Krankenkassen und Patienten, haben ein großes Interesse daran, dass Ärzte und Apotheker besser miteinander kommunizieren. Der Patientenbeauftragte von Nordrhein-Westfalen, Dirk Meyer, berichtete, dass sich Patienten meistens über eine unzureichende Kommunikation der Ärzte beschwerten. Die Bedeutung einer guten Kommunikation sollte auch in der Ausbildung stärker berücksichtigt werden. In Richtung Apotheke bemängelte er das Aussehen mancher Apotheken, die eher Drogerien ähnelten, das passe nicht zum Anspruch von Medikationsmanagement und Gesundheitsberatung.

Günter van Aalst, Leiter der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse, begrüßte es, dass beide Heilberufekammern über eine bessere Kom­munikation von Arzt und Apotheker nachdenken. Er sieht eine Besserung allerdings noch als einen langen Prozess an. Letztlich müssten auch die Ärzte im Krankenhaus mit einbezogen werden. Die Fortschritte im Bereich Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) gingen zu langsam voran: 2007 habe man erstmals über AMTS geredet, 2016 gebe es erst einen Medikationsplan auf Papier, das müsse rascher gehen. „Und die Rolle der Apotheker ist noch nicht geklärt“, so van Aalst.

Auch nach Ansicht von Dr. Eckhard Kampe, Vorstandsmitglied der Ärztekammer Westfalen-Lippe, sollte es mit der Vernetzung, mit der Kommunikation von Ärzten und Apothekern schneller vorangehen. „Da muss mehr Tempo rein“, so Kampe. Er hoffe auf die nachrückende Generation: „Junge Ärzte arbeiteten anders als die jetzigen älteren.“ Die Berührungsängste zwischen beiden Heilberufe würden abgebaut, „heutzutage stellen sich junge Apotheker und Ärzte, die sich niederlassen, sogar bei mir vor – das gab es früher nicht“, erzählte Kampe. Die alten Hardliner allerdings erreiche man nicht mehr, aber dieses Problem löse sich über das Alter. Junge Mediziner tendierten sogar zu einer Vernetzung, sie wollten eher in Praxisgemeinschaften und in Medizinischen Versorgungszentren arbeiten.

Journalistenpreis

Gleich ein halbes Dutzend Preisträger konnte die Apothekerkammer West­falen-Lippe bei der dritten Auflage des mit insgesamt 12.000 Euro dotierten Journalistenpreises der Apotheker­stiftung Westfalen-Lippe ehren. Vor 200 Gästen aus Medien und Gesundheitswesen zeichnete die Jury drei Tageszeitungsbeiträge, zwei Hörfunkbeiträge und einen Fernsehbeitrag aus.

Den mit 3500 Euro dotierten 1. Preis erhielt Stefan Werding (Westfalen-Redaktion der Westfälischen Nachrichten) für den Beitrag „Ein Korb von jeder fünften Apotheke“, in der er sich kritisch mit der Herstellung von Kapseln, Salben und Cremes befasste. Jede fünfte Apotheke hatte, so das Ergebnis seiner Recherche, Anfang 2015 die Herstellung einer solchen Spezialrezeptur verweigert. Dass die Apotheken in Westfalen-Lippe inzwischen das umfassende Programm „RezepturFit“ gestartet haben, ist eine direkte Folge seiner Berichterstattung.

Marie Gerbode und Max Meis aus ­Bielefeld wurden für ihren WDR-Beitrag über „Cannabis als Heilmittel“ mit dem 2. Preis (2500 Euro) ausgezeichnet.

Der mit 2000 Euro dotierte 3. Preis ging an Katja Brinkhoff und Leo Flamm (Düsseldorf) aus der WDR-Westblick-Redaktion. Sie hatten sich einem Pilotprojekt in Marsberg zur sicheren Arzneimitteltherapie gewidmet.

Foto: AK WL

Die Preisträger des Journalistenpreises der Apothekerstiftung Westfalen-Lippe.

Den 4. und 5. Preis erhielten zwei Redakteure der Westfälischen Nachrichten: Peter Beckmann berichtete in Greven über Rabattverträge für Arzneimittel und Dirk Drunkenmölle in Steinfurt über ein Pilotprojekt zum gemeinsamen Medikationsmanagement von Ärzten, Apothekern sowie Wohn- und Pflegeberatern.

Darüber hinaus hatte die Jury noch einen mit 1500 Euro dotierten Sonderpreis ausgelobt. Diesen sicherte sich die ehemalige Volontärin und heutige Redakteurin von Radio Antenne Münster, ­Anina Laura Pommerenke, mit ihrer fundierten Berichterstattung zur Freigabe der „Pille danach“ aus der Rezeptpflicht.

Dr. Andreas Walter, Hauptgeschäftsführer der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, beklagte, dass die Kompetenzen des Apothekers noch zu wenig von den Ärzten abgerufen werden. Er wünsche sich, dass sich das, was zwischen den Heilberufekammern Westfalen-Lippe in den Baumberger Gesprächen angestoßen wurde, rasch ausbreite: Ärzte und Apotheker sollten Missverständnisse offen ansprechen, mehr miteinander kommunizieren und Vertrauen aufbauen. Eine Herausforderung sei es, den Berufsalltag beider Heilberufe besser zu synchronisieren, „wir werden das in unserer Lenkungsgruppe, die den Baumberger Impuls umsetzt, besprechen“, so Walter.

Die Zahl der missglückten Kommunikationsversuche zwischen Arzt und Apotheker sei allerdings immer noch zu hoch, so Frank Dieckerhoff, Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Sein Wunsch: Es dürfe kein Glücksfall mehr sein, wenn Ärzte und Apotheker miteinander kommunizieren. „Die Kommunikation muss gelingen. Vielleicht“, so Dieckerhoff, „kann es hilfreich sein, wenn man bestimmte Regeln für eine standardisierte Kommunikation aufstellt und praktiziert.“ Positiv stimme ihn, dass bereits 540 Apothekerinnen und Apotheker die Ausbildung zum AMTS-Manager absolviert haben, gegen Ende des Jahres rechne man mit rund 750 AMTS-Managern. Und dies, obwohl hierfür keine Extra-Vergütung bezahlt werde, sondern aus Freude am Beruf.

Zahlreiche Diskussionsbeiträge aus dem Plenum zeigten, dass es zwar noch an der einen oder andere Stelle in der Kommunikation hakt, aber alle Beteiligten guten Willens sind, das Miteinander reibungsloser zu gestalten. Der Baumberger Impuls, auf den sich beide Kammern verständigt haben, sei eine gute Grundlage hierfür. Vielleicht könnten die Grundlagen für eine bessere Kommunikation bereits im Studium gelegt werden, wenn angehende Mediziner und Pharmazeuten im gleichen Hörsaal sitzen, gab der Pharmakologieprofessor i. R. Eugen Verspohl zu überlegen.

Und zur Vergütung neuer apothekerlicher Leistungen schlug Kammerpräsidentin Overwiening vor, neue Wege zu gehen. Sie könne sich z. B. vorstellen, eine Honorierung des Medikationsmanagements ähnlich zu gestalten wie beim Nacht- und Notdienstfonds, nämlich durch einen kleinen Aufschlag auf das Apothekerhonorar, der dann nur denjenigen zukommen soll, die das Medikationsmanagement durchführen. |

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