Reportage

„… dass ich eins und doppelt bin?“

Schwabe, der Ginkgo-Spezialextrakt und die Menschen dahinter

Fotos: Schwabe Arzneimittel
Das Karlsruher Familienunternehmen Dr. Willmar Schwabe feierte im Mai 2016 sein 150-jähriges Bestehen. Zu den Erfolgspräparaten des Phytoherstellers gehört zweifelsohne Tebonin®. Der in diesem Präparat enthaltene Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761® gilt heute als der weltweit am besten erforschte und dokumentierte Pflanzenextrakt. Ich sprach mit den Menschen, die an der Herstellung von Tebonin® beteiligt sind und darauf achten, dass Qualität die oberste Maxime ist – vom Anbau bis zum fertigen Produkt. | Von Peter Ditzel

Zur Herstellung des Ginkgo-Spezialextrakts EGb 761® benötigt man im Gegensatz zu anderen Phytopharmaka eine vergleichsweise hohe Menge an Droge: Aus 160 kg frischen Blättern werden nach der Trocknung 40 kg Droge, die letztlich 1 kg Spezialextrakt EGb 761® ergeben. Der Extrakt enthält eine große Anzahl an Inhaltsstoffen; standardisiert ist er auf Flavonoide, Bilobalid und Ginkgolide.

Wie aufwendig der Herstellungsprozess ist, der aus den Ginkgo-Blättern das Produkt Tebonin® entstehen lässt, zeigten mir die Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Firma Schwabe, die unmittelbar an der Produktion des Ginkgo-Spezialextrakts und des Arzneimittels Tebonin® beteiligt sind.

Das Unternehmen

Der 26-jährige Apotheker Dr. Willmar Schwabe gründete 1866 in Leipzig die „Fabrikationsstätte für die Zubereitung von Arzneimitteln“, um hochwertige pflanzliche Zubereitungen zu erforschen und standardisiert herzustellen. Nach dem Tod des Gründers 1917 baute sein Sohn, Hofrat Dr. Willmar Schwabe, das Werk im Sinne seines Vaters weiter aus. 1935 übernahmen die beiden Brüder, der Arzt und Apotheker Dr. Willmar Schwabe und der Apotheker und Diplom-Kaufmann Dr. Wolfgang Schwabe, die Leitung des Unternehmens und verlegten den Firmensitz 1946 nach Karlsruhe. Die vierte Generation trat Mitte der Siebzigerjahre in die Führungsetage des Unternehmens. 1976 und 1977 übernahmen der Dipl.-Biochemiker Dr. Klaus-Peter Schwabe und der Dipl.-Kaufmann Dr. Wolf-Dietrich Schwabe als Geschäftsführer die Leitung des Unternehmens. Zum 150. Unternehmensjubiläum übernahm am 1. Mai 2016 der Diplom-Wirtschaftsingenieur Olaf Schwabe als Vertreter der fünften Generation die Position des Chief Executive Officer. Das Unternehmen hat in Deutschland rund 1400 Mitarbeiter.

Das A und O: der Anbau

Er hat eine Art Schlüsselposition inne: Max Raiser, gelernter Agraringenieur, ist Leiter des Schwabe-Teams, das für die Beschaffung der pflanzlichen Rohstoffe verantwortlich ist. Seine Ausbildung prädestiniert ihn dafür, den Anbau der Pflanzen bis hin zur Ernte unter Kontrolle zu haben und zu steuern. „Ginkgo ist unser größtes Produkt“, erklärt er mir stolz, „meine Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass der Nachschub des Rohstoffs gut läuft.“ Da die Qualität eines Phytoprodukts bereits beim Anbau beginnt, nimmt Schwabe das weitgehend selbst in die Hand. Der Phytohersteller hat seit 1980 eigene Ginkgo-Plantagen in Süd-Frankreich in der Nähe von Bordeaux und in South Carolina, USA, jeweils etwa 500 Hektar groß. Darüber hinaus besteht noch eine strategische Partnerschaft mit einer Firma in China, bei der ebenfalls Ginkgo-Blätter dazugekauft werden. „Firmen, mit denen wir zusammenarbeiten, müssen bestimmte Vorgaben erfüllen“, so Raiser, „denn durch Düngung, Erntezeitpunkt und andere Parameter lässt sich die Qualität der Droge durchaus beeinflussen.“

Foto: Schwabe Arzneimittel

Max Raiser ist als gelernter Agraringenieur für die Beschaffung der pflanzlichen Rohstoffe verantwortlich.

Zu Raisers Aufgabe gehört es, in regelmäßigen Abständen die Felder zu besuchen: „Ich muss mich vor Ort vom Zustand der Pflanzen überzeugen. Ich muss die Felder sehen, wo die Ginkgo-Blätter angebaut, geerntet und getrocknet werden.“ Und er fügt hinzu: „Wir stehen naturbedingt jedes Jahr vor neuen Herausforderungen, es gibt Wettereinflüsse, Klimaschwankungen usw., auf die wir reagieren müssen. Das ist Landwirtschaft, das kennen alle Bauern. Kein Jahr ist wie das andere. Wir haben heute schon festgelegt, wann die nächste Ernte der Ginkgo-Blätter sein wird, allerdings wissen alle Beteiligten, dass wir die Einflüsse der Natur, von Wetter und Klima, nicht vorhersehen können – da kann es durchaus sein, dass wir den Termin anpassen müssen.“ Fühlt er sich da ein Stück weit als Landwirt? „Nun ja, die meiste Zeit arbeite im zwar am Schreibtisch, aber die Nähe zur Landwirtschaft ist da, ja, ein Stück weit bin ich Landwirt“, bekennt Raiser. „Ich stelle die Verbindung her zwischen dem pharmazeutischen Denken im Unternehmen und dem landwirtschaftlichen Denken vor Ort, dazu kommen noch die kaufmännischen Anforderungen – ich bin die Schnittstelle zwischen diesen Welten. Diese Sichtweisen zusammenzubringen – es macht großen Spaß, das umsetzen zu dürfen.“

Raiser erkundigt sich in der Regel einmal in der Woche bei den Kollegen vor Ort in Südfrankreich und South Carolina, USA, nach dem Wachstum der Pflanzen, nach besonderen Vorkommnissen. Und er besucht die Felder in regelmäßigen Abständen: „Wir tun alles, um die bestmögliche Qualität zu gewährleisten.“

Ginkgo biloba

Dieses Baumes Blatt, der von Osten

meinem Garten anvertraut,

gibt geheimen Sinn zu kosten,

wie’s den Wissenden erbaut.

Ist es ein lebendig Wesen,

das sich in sich selbst getrennt?

Sind es zwei, die sich erlesen,

dass man sie als eines kennt?

Solche Frage zu erwidern

fand ich wohl den rechten Sinn:

Fühlst du nicht an meinen Liedern,

dass ich eins und doppelt bin?

Johann Wolfgang von Goethe

Was könnte als Unglück passieren? „Klar, ein Totalausfall der Ernte durch Unwetter oder andere Schäden“, so der Agrar­ingenieur, „aber das ist zum Glück bisher nicht vorgekommen.“ Nicht von ungefähr baut Schwabe die Pflanze auf zwei Kontinenten an: Man möchte nicht nur von einer Klimazone abhängig sein. Aber Raiser kennt die Gefahren: „Vor vielen Jahren wütete auf der US-Plantage ein Hurricane, der einen Großteil der Blätter von den Bäumen fegte – das war schon ein deutlicher Verlust. Aber Schwabe hat sich abge­sichert: „Natürlich halten wir große Lagerbestände vor, falls wir wirklich einmal einen Ernteausfall haben sollten.“

Dass man Ginkgo auf zwei Kontinenten anbaut, hat nicht nur klimatische Gründe. Die unterschiedlichen Anbaugebiete haben unterschiedliche Böden: „Das hat zur Folge“, macht Raiser deutlich, „dass das Spektrum der Inhaltsstoffe anders ist. Deshalb mischen wir die Blätter aus den Anbaugebieten miteinander, damit sie zu dem Inhaltsstoffspektrum führen, das wir für unseren Spezialextrakt vorgegeben haben. Die Mischung der Standorte macht’s“, lacht der Agraringenieur, „ein Wein aus der Pfalz schmeckt nicht wie der Wein aus Bordeaux, selbst wenn’s die gleiche Rebe ist.“

Anders als im Weinbau werden die Ginkgo-Pflanzen nicht in bestimmten zeitlichen Abständen ausgewechselt, sondern erst nach vielen Jahren: „Unsere Pflanzen sind zum Teil schon 35 Jahre alt. Natürlich wird die eine oder andere Pflanze im Einzelfall schon mal ersetzt. Wir fangen erst jetzt an, bestimmte Teile von Feldern neu zu bepflanzen.“

Übrigens, die Ginkgo-Pflanzen auf den Plantagen werden nicht als Bäume kultiviert, sondern haben eher das Erscheinungsbild von Büschen, maximal zwei Meter hoch. Der Grund dafür: Aufgrund der großen Mengen kann die Ernte nur maschinell ablaufen. „Da außer uns niemand Erntemaschinen für Ginkgo braucht, gibt es auf dem Markt keine zu kaufen. Daher mussten wir vorhandene Maschinen, nämlich Baumwoll-Pflückgeräte, an unsere Bedürfnisse anpassen und umbauen lassen. Da steckt viel Erfahrung dahinter, im Anbau, in den Maschinen – damit auch alles so schonend und effizient wie möglich abläuft“, berichtet Raiser. „Die Ginkgo-Pflanze ist schon eine robuste Pflanze, jedes Jahr werden ihr alle Blätter entrissen und im neuen Jahr treibt sie wieder neu – ist schon toll!“

Alles unter Kontrolle

Dr. Frank Waimer ist seit 19 Jahren bei Schwabe und hat hier schon einige Stationen im Werk durchlaufen. Er hat Pharmazie in Tübingen studiert und in Technologie promoviert. Heute ist er Hauptabteilungsleiter Qualitätsmanagement und sachkundige Person. Er ist verantwortlich für das gesamte Qualitätsmanagement an den Unternehmensstandorten in Deutschland.

Foto: Schwabe Arzneimittel

Dr. Frank Waimer, Apotheker, ist fürs Qualitätsmanagement zuständig. Ginkgo ist für ihn eine faszinierende Pflanze.

„Ginkgo hat mich schon immer fasziniert“, erzählt er begeistert. „Unser Ginkgo-Spezialextrakt ist kein ‚normaler‘ Extrakt, weil er verschiedene Aufreinigungsschritte erfährt. An Ginkgo ist einfach alles speziell, eine hochkomplexe Herstellungsweise“, kommt Waimer ins Schwärmen, „vom Ginkgo-Extrakt ist übrigens auch das Modell der Extraktkategorisierung des Europäischen Arzneibuchs abgeleitet. Und er ist technisch hochinteressant, weil hier besondere Verfahrenstechniken eingesetzt werden.“

Einen Großteil seiner Tätigkeit als Qualitätsmanager widmet er sich Ginkgo: „Um dieses Produkt zu beherrschen und die Qualität zu garantieren, muss man sehr tief in die Besonderheiten von Ginkgo einsteigen.“ Das beginnt schon beim Anbau. „Deswegen hat sich unsere Forschung von Anfang an Gedanken zum optimalen Anbau angemacht, die Brücke geschlagen vom Acker zur Wissenschaft“, wie Waimer es ausdrückte. „Wir haben eigene Verfahren für die Extraktion entwickelt, Anleihen bei der chemischen Verfahrenstechnik gemacht, alles vor dem Hintergrund, einerseits Menge zu erhalten, andererseits die wertbestimmenden Inhaltsstoffe anzureichern. Alles unter GMP-Bestimmungen. Da steckt wirklich viel Know-how drin“, so der Pharmazeut, „abgesichert über Patente.“

Vom Ginkgobaum zum Arzneimittel

Die Geschichte des Ginkgo-Baumes beginnt vor 150 Millionen Jahren. Da diese Pflanze schon die unterschiedlichsten klimatischen Perioden der Erde überlebte, wird sie als „lebendes Fossil“ bezeichnet. Ginkgo-Bäume gelten als besonders widerstands- und anpassungsfähig. In Deutschland führte man die Ginkgo-Pflanze Ende des 18. Jahrhunderts ein: Zur damaligen „Ginkgo-Manie“ in Deutschland trug Johann Wolfgang von Goethe bei. Er widmete dem Baum 1815 sein Gedicht „Ginkgo biloba“.

Wissenschaftlich machte Ginkgo ab Mitte der 60er Jahre auf sich aufmerksam: Der Unternehmer Dr. Willmar Schwabe brachte nach langjähriger chemischer und pharmakologischer Forschung und mehreren klinischen Prüfungen am 1. September 1965 seinen Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761® unter dem Namen Tebonin® auf den Markt mit der Indikation „periphere Durchblutungsstörungen, cerebrale Mangeldurchblutung und Ernährungsstörungen, auch infolge Gefäßsklerose mit und ohne psychische Ausfallserscheinungen“.

Als Leiter des Qualitätsmanagements gehen alle Informationen, die für den Extrakt relevant sind, über seinen Tisch. „Um zu einer gleichbleibenden Qualität zu kommen, wird zunächst auf der Stufe des pflanzlichen Ausgangsmaterials eine umfangreiche Wareneingangskontrolle vorgenommen: Inhaltsstoffe, Reinheitsparameter, Kontaminanten – ein engmaschiges Monitoring“, so Waimer. „Auf Basis dieser Drogenanalytik wird von der Betriebsleitung gemeinsam mit der Qualitätskontrolle eine Drogenmischung erstellt. Die Drogen werden in diesem Verhältnis in die Extraktion eingebracht. Die Extrakte werden dann getrocknet, gemahlen, homogenisiert und erneut einer Qualitätskontrolle unterzogen. Dieser Prozess wird engmaschig analytisch begleitet. Daraus ergibt sich eine gewisse Bandbreite. Aufgrund der vorliegenden Daten wird dann das Blending vorgenommen, die Mischung erstellt, um exakt mittig in der Spezifikation zu liegen.“ Waimer erklärt dazu: „Der Gehalt an Ginkgo-Flavonglykosiden im Ausgangsmaterial liegt zwischen 0,5 und 2 Prozent, also ein Unterschied um den Faktor vier. Wenn wir unseren Extraktions- und Anreicherungsprozess abgeschlossen haben, erreichen wir einen Level von Ginkgo-Flavonglykosiden mit einer Variabilitätsbreite von nur noch plus/minus zehn Prozent. Es ist also ein hochstandardisiertes Produkt, ähnlich wie bei einem chemisch-synthetischen Arzneimittel. Es ist schwierig, extrem anspruchsvoll, aber machbar.“

Was wäre für ihn ein großes Unglück? „Wir Qualitätsleute sind ja professionelle Riskmanager – und vor diesem Hintergrund gibt es kaum etwas, wovor ich Angst habe, weil wir in Simulationen schon so ziemlich alles durchgespielt haben, was passieren könnte und was wir dann tun könnten. Was wir nicht unbedingt kontrollieren können: die Natur und die Klimaeinflüsse. Zum Glück ist der Ginkgo ziemlich resistent. Sogar nach einem Hagelunwetter hat er neue Blätter ausgetrieben, und wir konnten später ernten.“

Wie die meisten Schwabe-Mitarbeiter hat er natürlich auch eine persönliche Beziehung zu Ginkgo: „In meinem Garten stehen auch Ginkgo-Bäume“, verrät er, „und ich hoffe, dass es keine weiblichen Pflanzen sind, sonst könnten sie eines Tages stinkende Früchte haben“, lacht er. Aber: „Es ist eine absolut faszinierende Pflanze, botanisch ein Phänomen. Und Ginkgo-Blätter habe ich als Buchzeichen in meinen Büchern liegen. Das ist ein Ritual in meiner Familie, im Herbst die gelben Blätter zu trocknen.“

Die Mischung macht’s

Wolfgang Volz ist Produktionsmeister und damit zuständig für die Bereitstellung der Drogen für die Extraktherstellung. Zusammen mit der Betriebsleitung plant er die Produktion der Extrakte, aber auch das Vorstadium, die Drogenmischung, damit später der gewünschte Wirkstoffgehalt vorliegt. „Durch eine richtige Mischung der getrockneten Droge lassen sich Wirkstoffschwankungen ausgleichen“, erklärt Volz. Um den gewünschten Wirkstoffgehalt zu erzielen, stellt er die passende Drogenmischung mithilfe von Tabellen zusammen. „Wir verarbeiten jeden Tag bis zu fünf Tonnen Ginkgo-Droge, daneben natürlich noch eine Vielzahl anderer Drogen für die anderen Schwabe-Präparate, beispielsweise Kastanie oder Johanniskraut, Sabal, Pelargonium und viele andere.“

Die getrockneten Drogen werden in Ballen mit 80 oder 150 kg angeliefert, zum Teil aber auch in Big Packs bis 500 kg. Die Droge wird gewogen, in einem bestimmten Mischungsverhältnis vorgeschreddert, auf eine bestimmte Korngröße vermahlen und geht dann in die Extraktion. „Ganz klar, auch bei diesem Prozess wird Qualität groß geschrieben“, so Volz. „Manchmal finden sich tolle Wirkstoffgehalte in der Droge, aber unsere Qualitätskontrolle sperrt die Droge, weil die Pharmakognosie zu viele Fremdbestandteile festgestellt hat oder eine zu hohe Belastung mit Kontaminanten – und dann kann es sogar passieren, dass mehrere Tonnen Droge entsorgt werden müssen. Man hatte zwar Muster im Vorfeld, an denen man sich orientierte, aber erst wenn die Ware bei uns im Werk vorliegt, erkennen wir wirklich, was mit der Ware los ist. Als Produktionsmeister verzweifelt man dann fast. Aber letztlich ist es natürlich vollkommen richtig, diese Droge zu sperren, wenn die Qualität nicht stimmt.“ Und mit Überzeugung fügt er hinzu: „Das finde ich hier bei Schwabe wirklich toll: Die Qualität ist das Maß aller Dinge und das zieht sich stringent durch alle Bereiche durch. Es geht nur so.“

Der Drogeneingang bei Schwabe ist auf verschiedene auswärtige Lager aufgeteilt – eine Vorsichtsmaßnahme, damit im Falle eines Schadens, z. B. durch Brand, nicht alle Bestände vernichtet werden.

Wolfgang Volz ist schon 32 Jahre lang bei Schwabe. 1983 hat er seine Ausbildung zum Chemiefacharbeiter begonnen, heute ist daraus das Berufsbild des Chemikanten geworden. „Dann habe ich später noch den Meister aufgesattelt“, die Firma hat dafür die Stelle im Extraktionsbereich geschaffen. „Ohne diese Firma“, da ist sich Volz sicher, „hätte ich keine fünf Kinder. Mein Arbeitsplatz bot mir für meine Familiengründung die Sicherheit.“ Er lobt das Soziale, die Kollegialität in der Firma, „das finde ich hervorragend hier. Mein Herzblut hängt hier an Schwabe.“

Foto: Schwabe Arzneimittel

Wolfgang Volz, Produktionsmeister, stellt die Drogen­mischungen für die Extraktion bereit.

Und ständig wird nach Verbesserungen gesucht, nach Optimierungen, was Volz begrüßt: „Das verhindert Betriebsblindheit. Dann heißt es immer wieder einmal: Herr Volz, das müssen wir verbessern, da müssen wir dran bleiben. Dann wird eine gewisse Zeitspanne gesetzt, bis alles erledigt sein muss – und in meinem Bereich steht dann für die Zeitspanne immer ‚sofort‘“, lacht Volz.

Was macht er am liebsten an seinem Arbeitsplatz? „Der Umgang mit Menschen ist für mich das Schönste.“ Auch die Vielfalt seines Arbeitsplatzes schätzt er sehr: „Man spricht noch miteinander, die Kommunikation läuft nicht nur über E-Mail. Das halte ich für ganz wichtig.“

Analysieren, prüfen, kontrollieren

„Es gibt Fälle, in denen wir die eingegangene Drogenlieferung ablehnen müssen, weil sie nicht den hohen Qualitätsanforderungen entspricht, die wir uns gesetzt haben“, berichtet Apothekerin Ute Knoth, die Leiterin der Qualitätskontrolle. Worin besteht ihre Hauptaufgabe? „Mein Tagesinhalt ist damit angefüllt, Abweichungen zu bewerten, Risikoanalysen zu erstellen“, bringt sie ihre Arbeit auf den Punkt. „Das mag vielleicht ein wenig negativ klingen. Natürlich ist es nicht so, dass jede Charge ständig am Limit liegt, ganz und gar nicht, aber es gibt diese Fälle. Aus den Abweichungen lernen wir, wie wir mit entsprechenden Maßnahmen dagegen steuern können.“ „Letztlich haben wir die Erfahrung“, fügt Thomas Schott, Techniker in der Qualitätskontrolle, hinzu, „welche Abweichungen relevant für das Produkt sind.“

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Ute Knoth, Apothekerin, ist Leiterin der Qualitätskontrolle. Eine ihrer Aufgaben: das Erstellen von Risikoanalysen.

Auch an seinem Arbeitsplatz spielt der Ginkgo-Spezialextrakt die größte Rolle. „Ginkgo ist eigentlich ein sehr angenehmes Präparat“, so Schott aus Sicht des Laboranten. „Es gibt viel zu prüfen, der Extrakt ist ohne besonderen Geruch, im Gegensatz zu Baldrian oder Sabal mit fetten Ölen.“

„Jeder Extrakt hat so seine Besonderheit“, weiß Knoth, „seine eigenen Problemzonen.“

Die Arbeitsplätze von Knoth und Schott erinnern an die Laborplätze während des Pharmaziestudiums – mit einem entscheidenden Unterschied: der aufwendige Gerätepark. Hier finden sich Rotationsverdampfer, Abzüge, Destillierkolonnen, aber auch eine große Batterie an HPLC-Geräten mit unterschiedlichen Detektoren, Gaschromatografen, Tüpfelroboter für automatisierte DC. „Wir analysieren in der Regel mehrere Chargen auf einen Schlag“ erklärt die Apothekerin, „meistens fünf oder sechs. Daran arbeitet ein Laborant dann schon mehrere Tage einschließlich der Vorbereitungen. Hinzu kommen HPLC- und GC-Analysen, die oft über Nacht laufen. Danach müssen die Daten berechnet, ausgewertet und dokumentiert werden – das braucht seine Zeit, im Schnitt drei Tage pro Serie. Die Analyse eines Ginkgo-Extrakts ist relativ aufwendig, da reicht eine Woche nicht.“

Ute Knoth liebt ihren Arbeitsplatz: „Ich wollte schon immer etwas mit Pflanzen machen verknüpft mit Wissenschaft.“ Schon im praktischen Jahr entschied sie sich, für ein halbes Jahr in der Industrie zu arbeiten, um zu sehen, ob es für sie passt. Und es hat gepasst, „für mich war es das Ziel, in der Industrie zu arbeiten. Bei Schwabe zu arbeiten, ist etwas Besonderes. Ich fühle mich sehr wohl hier, das Arbeitsklima ist toll, ich bin sehr glücklich hier.“

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Thomas Schott arbeitet als Techniker in der Qualitätskontrolle. Ihm gefällt das Handwerkliche am Laborberuf.

Auch Thomas Schott hatte schon sehr früh „ein Fabel für das Mischen von dubiosen Substanzen“, scherzt er, „das Handwerkliche am Laborberuf hat mir von Anfang an gefallen.“ Er arbeitet sich gerne in neue Geräte, in neue Analysenprobleme ein. „Selbst beim Ginkgo findet sich ab und an noch eine neue Methode oder es taucht ein neues Analysenproblem auf. Das macht meine Arbeit interessant.“

Herr der Tabletten

Manfred Bonefeld, promovierter Apotheker, ist verantwortlich für die Herstellung der festen Arzneiformen bei Schwabe am Standort in Karlsruhe. Mit seinem Team von 75 Mitarbeitern produziert er jährlich 1100 Tonnen Tabletten, 3,1 Milliarden Stück.

Hochkonzentrierte Pflanzenextrakte zu Arzneimitteln zu verarbeiten ist nicht einfach, da man mit einer großen Variabilität an galenischen Eigenschaften konfrontiert sein kann. Bonefeld: „Unser Vorteil ist: Wir arbeiten mit standardisierten Extrakten, die bei Schwabe auch mit dem Ziel einer optimalen Arzneiform entwickelt wurden. Wir haben ein großes Wissen zu den Extrakten und den galenischen Eigenschaften. Und wir wissen, auf welche Parameter es ankommt. Auch bei den Hilfsstoffen. Meine Rezepturen sind ausgetüftelt bis ins kleinste Detail. Da kann man nicht eben mal den Hilfsstoff wechseln. Es kommt schon einmal darauf an, ob man eine kristalline, sprühgetrocknete oder granulierte Variante eines Stoffs verwendet. Wir prüfen natürlich immer, ob wir etwas verbessern, wo wir optimieren können. Ich kann mir nicht erlauben, hier mit nicht detailliert spezifizierten Ausgangsstoffen zu arbeiten.“

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Dr. Manfred Bonefeld, Apotheker, verantwortet die Herstellung fester Arzneiformen bei Schwabe in Karlsruhe.

Zählt man alle Varianten zusammen, gehen etwa 50 verschiedene Produkte über seinen Tisch. Jeden Tag laufen etwa vier bis fünf Tonnen aus den Tablettenpressen, etwa acht bis neun Chargen parallel. Geplant wird jeweils einen Monat in Voraus. Bonefeld: „Die Tablettenpressen dürfen nicht zum Stehen kommen. Was diese Pressen produzieren, müssen die nachfolgenden Stationen weiterverarbeiten können – dafür braucht es genaue Planungen.“

Seine neun Tablettierlinien sind technisch exakt gleich ausgestattet, das gibt ihm die Möglichkeit, schnell zu reagieren: „Wir können sehr schnell umrüsten – trotz aufwendiger Reinigungsschritte beim Produktwechsel.“ Und er fügt hinzu: „Das Schlimmste wäre, wenn wir nicht lieferfähig wären, das ginge gar nicht. Es gehört zu unseren Ansprüchen, immer liefern zu können. Qualität ist das oberste Ziel und gleich danach kommen die Kundenzufriedenheit und die Lieferfähigkeit.“

Mit großem Enthusiasmus zeigt er die einzelnen Schritte seiner Produktionsabläufe, vom Einwiegen der Ausgangsstoffe über das Mischen, Granulieren, Tablettieren bis hin zum abschließenden Coatingprozess. „Allein das System der Einwaage wurde genauestens durchdacht, so dass hier kein falscher Schritt durchgeführt werden kann. Wurde beispielsweise ein Wirkstoff von der Qualitätskontrolle noch nicht freigegeben, kann der Mitarbeiter diesen Wirkstoff hier in der Herstellung nicht weiterverarbeiten, dafür sorgt eine automatische Abfrage im übergeordneten Bestandssystem“, erklärt der Pharmazeut.

Ist der Behälter mit der Wirk-Hilfsstoffmischung auf die Tablettenpresse gesetzt, kann das Pressen beginnen. Die Maschinen laufen mit hoher Geschwindigkeit: Pro Stunde werden 160.000 Tabletten produziert. Trotz dieser Geschwindigkeit: Bei jeder einzelnen Tablette überprüft die Anlage, ob die Presskraft stimmt, und sortiert Tabletten aus, deren Werte nicht entsprechen. Eine automatische Inline-Inprozesskontrollstation zieht alle 20 – 30 min eine Probe der Tablettencharge, prüft diese auf Bruchfestigkeit, Höhe und Gewicht, dokumentiert die Daten und regelt bei Abweichungen die Presse nach. Unmittelbar nach dem Tablettieren transportiert und verteilt ein Robotersystem, der Leanmaster, die frisch gepressten Tabletten über Förderbänder automatisch auf die bereitgestellten Behältnisse. Bonefeld: „Das hat den Vorteil, dass die Mitarbeiter keine manuellen Gebindewechsel vornehmen müssen.“

Nach der Tablettierung folgt das Coaten, das Färben der Tabletten: „Wir arbeiten nur noch mit wässrigen Suspensionen, wir haben keine organischen Lösungsmittel mehr. Es werden bei uns relativ dicke Filmschichten aufgetragen, weil wir zum Teil die Gerüche unserer Pflanzenextrakte kaschieren müssen, z. B. die eines Baldrianextraktes.“

Äußerst aufwendig sind auch die Reinigungsschritte an allen Anlagen und Behältnissen. Reinigungszeiten der Maschinen sechs bis acht Stunden sind keine Seltenheit. Auch wenn die Reinigung weitgehend automatisiert abläuft, so ist immer noch Handarbeit notwendig, um z. B. Teile auseinanderzuschrauben und wieder zusammenzusetzen.

Wie Bonefeld nebenbei anmerkt: „Ich bin eigentlich kein Technologe, sondern von Haus aus Pharmazeutischer Biologe.“ Aber davon merkt man nichts. Er hat die Herstellung im Griff, kein technologischer Kniff ist ihm fremd.

Bonefeld freut sich bereits darauf, dass das Unternehmen grünes Licht gegeben hat für neue und größere Coater: „Was unser jetziger Coater in 15 Stunden bearbeitet, erledigt der neue dann in 3 Stunden, das ist ein echter Fortschritt, aber auch eine große Investition: Die neue Maschine kostet rund 1,4 Mio. Euro.“ Bonefeld: „Was mich besonders freut: Das Unternehmen hat mich in all den Jahren kreativ arbeiten lassen, ich konnte meine Ideen einbringen, das macht Spaß.“

„Wir schikanieren die Tabletten“

Die nächste Station: Die zentrale Inprozess-Kontrolle, kurz ZIPK. Sabine Schneider-Schyma, Mitarbeiterin dieser Gruppe, untersucht die festen Arzneiformen, die Tabletten, Mischungen und Granulate, auf ihre physikalischen Eigenschaften. Sie erhält Proben aus den jeweiligen Produktionsgruppen. Bestimmt werden z. B. die Feuchtigkeit, die Korngrößenverteilung, das Fließverhalten, das Schütt- und Stampfvolumen der Granulate: „Die Einhaltung der vorgegebenen Parameter ist wichtig, damit die Tabletten später stabil verpresst werden können. Stellen wir Abweichungen fest, melden wir es sofort, damit die zuständige Gruppe die Ursachen ausfindig macht, warum die Parameter nicht eingehalten wurden.“

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Sabine Schneider-Schyma arbeitet in der zentralen Inprozess-Kontrolle. Sie überprüft die festen Arzneiformen.

Sabine Schneider-Schyma, gelernte Biologie-Laborantin, ist schon seit 35 Jahren bei Schwabe. Sie war in verschiedenen Abteilungen des Unternehmens tätig. Seit fünf Jahren ist sie in der ZIPK. Vor ihrem kritischen Auge muss quasi jede feste Form des Schwabe-Sortiments bestehen, natürlich auch die Ginkgo-Granulate und das Endprodukt, die Filmtabletten. „Man muss jeden Tag sehr konzentriert und sorgfältig arbeiten“, beschreibt sie ihren Arbeitsplatz, „man hat eine große Verantwortung. Es darf kein Fehler passieren.“ Erst wenn alle Parameter in Ordnung sind, gibt sie ihr OK an die Gruppe der Tablettierung weiter, „erst dann darf dort gestartet werden“.

Die Kontrolle ist damit noch nicht zu Ende. Verteilt über den gesamten Produktionszeitraum eines Tablettiervorgangs untersucht die ZIPK in festgelegten Abständen (Anfang, Mitte, Ende) die Tablettenkerne. „Aber auch dazwischen ziehen wir laufend Kontrollen“, ergänzt die Laborantin, „wir untersuchen die Kerne u. a. optisch auf Beschädigungen.“ Es folgen die Gewichts- und Härtebestimmungen an einem automatischen Tablettenprüfgerät, bei welcher Kraft die Tablette zerbricht. Es schließen sich weitere Messungen zur Friabilität an: „Dabei schikanieren wir die Tablette über eine definierte Zeit und messen, wie hoch der Abrieb ist. Wir prüfen auch noch die Zerfallszeit in warmem Wasser und messen die Zeit, bis sich der Kern vollständig aufgelöst hat.“

Der nächste Schritt ist dann die optische Kontrolle der fertigen FIlmtablette nach dem Coating: Löcher, Höcker oder eine Deckelung dürfen nicht vorkommen! „Erst wenn wir unser OK geben, darf die Tablette in die Verpackung“, so Frau Schneider-Schyma. „Bei uns ist lückenlos nachvollziehbar, wer wann wo wie und was mit diesem Produkt gemacht und gemessen hat. Es ist ein großer Aufwand, was wir hier in der Inprozesskontrolle leisten, verbunden mit viel Dokumentation. Aber ich steh da voll dahinter, nur so lässt sich die bestmögliche Qualität der Produkte gewährleisten. Es macht Spaß, am Ende des Tages zu sehen, was und wie viel in welcher Qualität produziert wurde. Tebonin begleitet mich von Anfang an, seitdem ich bei Schwabe bin. Viele Entwicklungsschritte habe ich mitbekommen. Ich bin stolz darauf, was man aus der Natur mit Hightech-Methoden herausholen kann. Und ich freue mich darüber, dass wir mit unserer Gruppe einen wichtigen Beitrag zur Qualität des Produkts leisten können.“ |

Autor

Apotheker Peter Ditzel, Herausgeber Deutsche Apotheker Zeitung

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