Arzneimittel und Therapie

Helfen Zauberpilze gegen Depression?

Kontrollierte Einnahme von Psilocybin in Pilotstudie effektiv

Psilocybin findet sich in Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes und ist daher weder verkehrs- noch verschreibungsfähig. Dies könnte sich vielleicht eines Tages ändern. Eine Londoner Arbeitsgruppe hat kürzlich die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, in der Patienten mit mittlerer bis schwerer therapieresistenter Depression nach nur zwei Psilocybin-Dosen eine Linderung ihrer Symptome verspürten.

Das Indolalkaloid Psilocin und sein Phosphatester Psilocybin sind vor allem als Inhaltsstoffe von Blätterpilzen der Gattung Psilocybe, den „magic mushrooms“, bekannt. Während Psilocybe mexicana, der bereits bei den Azteken für Kulthandlungen Verwendung fand, nur in Mexiko beheimatet ist, kommt beispielsweise Psilocybe semilanceata auch in Nordamerika und Europa vor. Wegen seiner strukturellen Ähnlichkeit zu Serotonin wirkt Psilocybin (bzw. Psilocin als eigentlich aktive Substanz) als Agonist an serotoninergen Rezeptoren, speziell 5-HT2A. Wissenschaftler untersuchen schon seit Längerem mögliche therapeutische Effekte der Substanz, mit teilweise ermutigenden Resultaten, beispielsweise bei Nicotin- und Alkoholabhängigkeit oder bei Palliativpatienten mit Angstsymptomen. Erstmalig wurden kürzlich die Ergebnisse einer Studie zum Einsatz von Psilocybin bei mittelschwerer bis schwerer therapieresistenter unipolarer Depression publiziert.

Foto: lunamarina – Fotolia.com

Psilocybe-Arten sind vor allem wegen ihrer psychodelischen Wirkung bekannt.

Studienziel: Machbarkeit prüfen

Das Ziel der Untersuchung bestand darin, zunächst ein Protokoll für die orale Verabreichung von Psilocybin zu optimieren und einen ersten Eindruck von der Effektivität der Behandlung zu gewinnen. Die zwölf Teilnehmer (jeweils sechs Männer und Frauen zwischen 30 und 64 Jahren) erhielten 10 mg Psilocybin und sieben Tage später eine 25-mg-Dosis in Kapselform. Die Einnahme erfolgte unter kontrollierten Bedingungen im Beisein von zwei Psychiatern, zudem wurden verschiedene kardiovaskuläre Parameter überwacht. Die psychodelischen Effekte der Substanz setzten nach 30 bis 60 Minuten ein und erreichten zwei bis drei Stunden nach der Verabreichung ein Maximum. Nach mindestens sechs Stunden waren die Wirkungen weitgehend abgeklungen.

Primärer Studienendpunkt waren Veränderungen in der depressiven Symptomatik, die im Zeitraum von einer Woche bis drei Monaten nach der Behandlung mithilfe des QIDS (Quick Inventory of Depressive Symptoms), eines 16-Punkte-Fragebogens zur Selbstbeurteilung depressiver Symptome, evaluiert wurden. Der QIDS enthält vor allem Fragen zu Schlafqualität, Appetit, Gewichtsveränderungen, Stimmungsschwankungen und Suizidgedanken. Im Vergleich zu den Ausgangswerten waren die depressiven Symptome nach einer Woche unter Psilocybin sowie nach drei Monaten deutlich reduziert. Im ersten Fall lag die mittlere QIDS-Differenz bei -11,8 (p = 0,002), im zweiten bei -9,2 (p = 0,003). Außerdem wurden deutliche Verbesserungen bei den Symptomen Ängstlichkeit und Anhedonie beobachtet. Die Verträglichkeit von Psilocybin war gut, schwere oder unerwartete Nebenwirkungen traten nicht auf. Bei allen Teilnehmern registrierte man transiente Angstsymptome bei Wirkungsbeginn, bei einigen von ihnen vorübergehend Verwirrung, Denkstörungen, milde Übelkeit oder Kopfschmerzen. Beurteilt anhand der Remissions-Kriterien des BDI (Beck Depression Inventory) erreichten acht der zwölf Patienten eine Woche nach Einnahme der hohen Dosis eine komplette Remission; nach drei Monaten befanden sich noch fünf Patienten in dieser Situation.

Foto: yellowj – Fotolia.com

Psilocybe semilanceata kommt auch in deutschen Wäldern vor.

Was die Zukunft zeigen muss

Aufgrund dieser Ergebnisse schätzen die Studienautoren ein, dass Psilocybin ein Potenzial als Behandlungsoption bei therapieresistenten Depressionen besitzt. In zukünftigen, größeren randomisierten und kontrollierten Studien müssten jedoch noch zahlreiche Fragen geklärt werden. Dazu zählt beispielsweise der Einfluss der psychologischen Unterstützung, die die Probanden dieser Studie vor, während und nach der Psilocybin-Applikation erhalten hatten. Auch müsste der Effekt der Vormedikation genauer überprüft werden. Denn fast alle Studienteilnehmer waren mit SSRI vorbehandelt. Von diesen ist bekannt, dass sie den 5-HT2A-Rezeptor, das Target von Psilocybin, herunterregulieren. |



Quelle

Carhart-Harris RL, et al. Psilocybin with psychological support for treatment-resistant depression: an open-label feasibility study. Lancet Psychiatry 2016, online publiziert am 17. Main 2016; doi: 10.1016/S2215-0366(16)30065-7

Teuscher E, Melzig MF, Lindequist U. Biogene Arzneimittel. Lehrbuch der Pharmazeutischen Biologie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 7. Aufl. (2012)

Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 11.11.2015

Schultes RE, Hofmann A, Rätsch CH. Pflanzen der Götter. AT-Verlag (1998)

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

Lesen Sie dazu auch den Kommentar "Eine kleine Studie, die Mut macht"



2 Kommentare

Studienqualität

von Iris Hinneburg am 20.06.2016 um 9:34 Uhr

Erstaunlich, wie umfangreich die Berichterstattung über eine unkontrollierte Studie an zwölf Teilnehmern ausfällt, noch dazu bei einer Erkrankung, der Symptomatik im Laufe der Zeit stark fluktuieren kann. Welchen Hinweis gibt es denn darauf, dass die beobachteten Veränderungen überhaupt in einem *kausalen* Zusammenhang mit der Einnahme von Psilocybin stehen? Genau darum ging es auch in der letzten Evidenz-Sprechstunde: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2016/06/07/hat-recht-wer-heilt

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Studienqualität

von DAZ.online am 21.06.2016 um 10:13 Uhr

Liebe Frau Hinneburg,
wie unsere Autorin, Frau Dr. Bruhn, schreibt, handelte es sich bei der Untersuchung lediglich um eine Machbarkeitsstudie. Diese werden ja durchgeführt, um die Umsetzung eventuell zukünftiger Projekte zu prüfen, insbesondere wenn Risiken nicht einschätzbar sind. Auch spricht sie nicht von einem "kausalen" Zusammenhang. Die Studienautoren schätzten, dass Psilocybin Potenzial als Behandlungsoption bei Depressionen besäße. Herzlicher Gruß, Celine Müller

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.