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Arzneimittel und Therapie
Blutverdünnung plus Haarausdünnung?
Hinweise auf Alopezie-Risiko unter neuen oralen Antikoagulanzien
In den Fachinformationen von Phenprocoumon- und Warfarin-Präparaten sind Alopezien als gelegentliche, das heißt in mehr als einem von 1000 und weniger als einem von 100 Behandlungsfällen auftretende Nebenwirkung aufgeführt. Nach Absetzen ist sie meist reversibel. Interessant ist daher die Frage, ob bei Patienten, die unter dieser unerwünschten Wirkung besonders leiden, eine Umstellung auf ein NOAK sinnvoll sein kann.
Nebenwirkung weltweit beobachtet
Wie das arznei-telegramm berichtet, gibt es jedoch auch für Rivaroxaban, Dabigatran und Apixaban Hinweise auf ein mögliches Alopezie-Risiko. So hatte beispielsweise ein Patient in Neuseeland vier Tage nach Beginn der Einnahme von Rivaroxaban erstmals Haarausfall entwickelt, der kontinuierlich zunahm. Die Pharmakovigilanz-Datenbank der Weltgesundheitsorganisation (WHO) enthält immerhin 507 Verdachtsmeldungen zu Haarverlust unter Rivaroxaban sowie 226 unter Dabigatran, 88 unter Apixaban und eine unter Edoxaban.
Für Deutschland relevant ist eine Auswertung des Dresdener NOAK-Registers, in der man bereits 2012 auf Haarverlust als mögliche Nebenwirkung hingewiesen hatte. Darin waren Alopezien bei 12 von 938 Patienten unter Dabigatran oder Rivaroxaban beschrieben worden, was einer Inzidenz von 4,4 pro 100 Patientenjahre entspricht. In den Fachinformationen aller NOAKs finden sich bisher keine Hinweise auf diese mögliche Nebenwirkung.
Ursachen bisher kaum erforscht
In einem kürzlich veröffentlichten Literatur-Review diskutiert eine Londoner Arbeitsgruppe mögliche Ursachen für einen Haarausfall unter Antikoagulanzien. Die Wissenschaftler geben dabei zu bedenken, dass in den meisten der beobachteten Fälle zwischen dem Beginn der Einnahme der NOAKs und dem Auftreten des Haarausfalls mehrere Wochen vergangen waren. Im Dresdner NOAK-Register beispielsweise lag dieser Zeitraum im Mittel zwischen 22 und 260 Tagen (n = 12, Mittelwert ± Standardabweichung: 68 ± 76). Dies spricht dafür, dass die unerwünschten Prozesse in der letzten Phase des Haarzyklus, der sogenannten Telogenphase (siehe Kasten) stattfinden. Vorstellbar ist, dass durch die Antikoagulanzien vermehrt Haare in diese Phase gelangen, weil ihre Wurzeln eingeschnürt oder das umliegende Gewebe geschädigt wurde.
Anders verhält es sich dagegen beim Chemotherapie-induzierten Haarausfall. Da die Tumortherapeutika gegen schnell wachsende Zellen gerichtet sind, werden die Haare in ihrer Wachstumsphase geschädigt, und die unerwünschte Wirkung tritt meist innerhalb weniger Tage nach Behandlungsbeginn ein. Eine antimitotische Aktivität wird auch Heparinen zugeschrieben, bei denen ebenfalls Alopezien beobachtet wurden.
Der Haarzyklus
In der Anagenphase (Wachstumsphase), die mehrere Jahre andauern kann, wächst das Haar. Daran schließt sich die Katagenphase an – eine ein bis zwei Wochen dauernde Übergangszeit, in der das Haar nicht mehr mit Nährstoffen versorgt wird und sein Wachstum stagniert. Danach beginnt die bis zu vier Monate dauernde Telogenphase (Ruhephase), an deren Ende das Haar ausfällt und ein neuer Zyklus beginnt. Ein täglicher Verlust von 60 bis 100 Haaren gilt als normal.
Verdachtsfälle melden
Die Review-Autoren sind der Ansicht, dass das Alopezie-Risiko wegen der Latenzzeit wahrscheinlich unterschätzt wird. Zudem besteht beim Haarausfall eine große interindividuelle Variabilität. Zahlreiche andere Faktoren können dafür verantwortlich sein. Nicht zuletzt nehmen Patienten in unterschiedlich starkem Maße einen Haarausfall als kosmetisches Problem wahr. Es müssten daher verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um das tatsächliche Alopezie-Risiko der NOAKs sicher einschätzen zu können. Ärzte sollten daher Haarausfall unter Antikoagulanzien als potenzielle Nebenwirkung erkennen und auf den bekannten Wegen melden, so die Autoren. Sie erwähnen nicht, dass selbstverständlich auch Apotheker prädestiniert dafür sind, zur weiteren Aufklärung eines möglichen Zusammenhangs zwischen der NOAK-Einnahme und Alopezien beizutragen. |
Quelle
Haarausfall unter neuen oralen Antikoagulanzien. arznei-telegramm 2016;47(6):60
Watras MM et al.: Traditional Anticoagulants and Hair Loss: A Role for Direct Oral Anticoagulants? A Review of the Literature. Drugs Real World Outcomes 2016;3:1–6
Gelbricht V et al. Hair loss is a potential side effect of novel oral anticoag-ulants - findings from the dresden noac registry (NCT01588119). Blood 2012;120(21)
Fachinformation Marcumar®, Stand Mai 2015
Fachinformation Coumadin® 5 mg, Stand September 2015
http://www.haarerkrankungen.de/intern/intgrundlagen/haarzyklus.php (letzter Abruf am 26.6.2016)
2 Kommentare
Haarausfall
von Dietlind Perl am 17.09.2019 um 10:07 Uhr
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Haarausfall
von Dietlind Perl am 17.09.2019 um 10:07 Uhr
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