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Beratung

Damiana für die Dame

Pflanzenkraft soll die Lust auf Sex entfachen

Seit dem 1. Juli 2016 ist mit Remisens® ein Präparat auf dem Markt, das die Libido der Frau unterstützen und das nachlassende sexuelle Verlangen wieder aufleben lassen soll. Nachdem ja schon recht viel für (oder besser: gegen) die erektile Dysfunk­tion des Mannes getan wurde, ist jetzt also auch endlich ein Präparat für die Frau verfügbar – und was noch besser ist: Es ist sogar rein pflanzlich! | Von Ilse Zündorf und Robert Fürst

Sexuelle Unlust und HSDD

Man hat den Eindruck, dass in letzter Zeit auch im Sexualleben auf die Gleichberechtigung der Frau geachtet wird. Nachdem schon immer zahlreiche Anstrengungen unternommen wurden, die männliche Funktionsfähigkeit wiederherzustellen, wird jetzt allmählich auch die Frau entdeckt. Natürlich sind im Internet diverse Artikel zu finden, die sich mit dem Problem der fehlenden weiblichen Libido beschäftigen (z. B. [1]), und ebenso einfach lassen sich entsprechende Ratgeberseiten aufrufen (z. B. [2]). Im Gegensatz zur sehr klar definierbaren erektilen Dysfunktion des Mannes, die sich inzwischen durch Sildenafil & Co. gut therapieren lässt, ist jedoch „fehlende Libido“ oder „sexuelle Unlust“ eine sehr schwer fassbare Symptomatik, die unterschiedliche körperliche, psychische und auch partnerschaftliche Ursachen haben kann. Im Jahr 2000 wurde mit dem Female Sexual Function Index (FSFI, www.fsfiquestionnaire.com) ein Fragebogen mit 19 Fragen zu sechs verschiedenen Bereichen entworfen [3], anhand dessen eine persönliche Einschätzung des eigenen Sexuallebens möglich ist. Die Skala reicht von 0 bis 6 für keine bzw. hohe sexuelle Aktivität.

Verlässliche Zahlen, wie viele Frauen eigentlich betroffen sind, gibt es nicht. Verschiedene Quellen nennen 30 bis über 50 Prozent der Frauen [1, 2], doch lassen sich die Angaben nicht überprüfen. Immerhin erscheint die Klientel so groß, dass sich verschiedene Pharmafirmen auf die Suche nach einer „Pink-Viagra“ gemacht haben, also einem Medikament, das den verminderten sexuellen Antrieb (Hypoactive Sexual Desire Disorder, HSDD) steigern soll.

Bisherige Präparate zur Steigerung der Libido

Mit Intrinsa® kam 2006 ein Präparat in Deutschland auf den Markt, das als Hormonpflaster Testosteron in den Frauenkörper spülte und so dem HSDD entgegenwirken sollte. Nach heftiger Kritik an der Wirksamkeit zog der Hersteller das Präparat 2010 zurück. Ein Präparat namens LibiGelTM, das ebenfalls Testosteron über die Haut substituieren sollte, scheiterte an den Zulassungsbehörden in Europa und den USA. Ansatzpunkt beider Präparate war die Hypothese, dass Frauen mit Libidoverlust einen niedrigeren Testosteron-Spiegel haben [4]. Inwieweit das eine mit dem anderen kausal zusammenhängt, ist nicht eindeutig bewiesen.

An ganz anderer Stelle wirkt das mittlerweile in den USA nach zwei vergeblichen Anläufen doch noch zugelassene Flibanserin (addyiTM): Postsynaptische 5-HT1A -Rezeptoren werden aktiviert, 5-HT2A -Rezeptoren jedoch inhibiert. Offensichtlich gibt es verschiedene (mutmaßliche) „Angriffspunkte“ im Körper, um die sexuelle Lust zu steigern. Flibanserin soll über eine Beeinflussung der Psyche wirken. Wie das geschieht, ist allerdings nicht so ganz klar. Im Gegensatz zu Sildenafil, das nur „bei Bedarf“ angewendet wird, muss man Flibanserin täglich einnehmen, um einen luststeigernden Effekt zu erzielen. Dies ist mit erheblichen Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall, Schwindel, Müdigkeit, Übelkeit, Verstopfung und Angstzuständen verbunden. Zudem ist der Wirkstoff ein Substrat des Enzyms CYP3A4 und darf deshalb nicht zusammen mit CYP3A4-Inhibitoren eingenommen werden. Diese unangenehmen Effekte wiegen umso schwerer, weil die Behandlungserfolge in allen drei vorgelegten Phase-III-Studien eher gering waren: Die Zahl der befriedigenden sexuellen Ereignisse stieg im Mittel von 2 bis 3 pro Monat lediglich um 0,5 bis 1 [5]!

Pflanzliche Aphrodisiaka im Überblick

Es sind gerade die wenig greifbaren Syndrome oder Befindlichkeitsstörungen, zu deren Therapie gern pflanzliche Arzneimittel ins Spiel gebracht werden. Bei HSDD könnten natürlich vor allem diejenigen Pflanzen interessant sein, die in verschiedenen Ethnien bereits als Aphrodisiaka, also als Mittel zur Steigerung der sexuellen Lust, verwendet wurden oder werden. Es gibt derer einige, wie ein Übersichtsartikel zeigt [6]. Allerdings liegt auch bei diesen Aphrodisiaka der Wirkungsschwerpunkt darin, die männliche Lust und sexuelle Funktionalität zu steigern – was vielleicht in den verschiedenen Benutzergruppen mit ihren eher ursprünglichen Gesellschaftsstrukturen auch nachvollziehbar ist. Allein 64 Pflanzen mit sexuell stimulierender Wirkung aus der ayurvedischen Medizin und 82 Pflanzen mit anderem ethnopharmakologischem Hintergrund wurden aufgelistet [6]; zur letzteren Gruppe gehören z. B. das Hundsgiftgewächs Aspidosperma ulei oder die Orchidee Dactylorhiza hatagirea, und dort findet sich auch ein Hinweis auf einen Extrakt von Damiana-Blättern, der mit 30%igem Ethanol hergestellt wird und über die enthaltenen Flavonoide das Sexualverhalten stimulieren soll.

Die „Wunderpflanze“ Turnera diffusa

Für das Präparat Remisens® werden ebenfalls die Blätter der Damiana-Pflanze (Turnera diffusa Willd. ex Schult.) verwendet. Die Gattung Turnera gehört zur Familie Turneraceae (Safranmalvengewächse), die auch als Unterfamilie der Passifloraceae (Passionsblumengewächse) angesehen wird [7, 8]. Turnera diffusa ist ein ca. 1 bis 2 m hoher Strauch, der in den tropischen und subtropischen Regionen Amerikas wächst und im Sommer kleine gelbe Blüten hervorbringt (Abb. 1). Interessant sind an diesem Busch die ca. 10 bis 25 mm langen, gesägten, aromatisch riechenden Blätter, die bereits von den Maya bei Schwindel und Gleichgewichts­störungen eingesetzt wurden. Im Jahr 1699 wurde die Pflanze erstmals als Aphrodisiakum beschrieben [8]: Der spanische Missionar Juan Maria de Salvatierra hatte beobachtet, dass mexikanische Ureinwohner die Blätter in Wasser einweichten – also einen wässrigen Extrakt herstellten – und, nachdem sie noch Zucker dazugegeben hatten, als aphrodisierendes Getränk zu sich nahmen. De Salvatierra gab der Pflanze auch den Namen „Damiana“ – nach dem heiligen Damian, dem Schutzpatron der Apotheker.

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Abb. 1: Blüte der Damiana-Pflanze Turnera diffusa.

In Kolonial-Mexiko wurde ein Dekokt der Pflanze, mit Honig versetzt, als Mittel gegen Husten und andere Erkrankungen der Atemwege angewendet. Weitere überlieferte Indika­tionen der Dekokte und Extrakte sind gastrointestinale Probleme, Diabetes, Ödeme, Malaria und Hautkrankheiten. Immer wieder taucht aber auch die Anwendung als Aphrodi­siakum auf.

1874 wurde die erste Damiana-Tinktur in den USA als „potentes“ Aphrodisiakum vermarktet [9]. Die darauf folgenden Beschreibungen der Wirksamkeit der Tinktur zeigten ein eher diffuses Bild, das vor allem durch Glaube und Hoffnung geprägt war. Dennoch wurde die Tinktur in den USA offensichtlich so stark nachgefragt, dass sowohl ein Elixier als auch ein Fluidextrakt der Blätter in die erste Auflage des „National Formulary“ (1888) aufgenommen wurden. Allerdings wurde die Pflanze nicht in der „United States Pharmacopeia“ gelistet, was bereits darauf hinweist, dass die Relevanz als Arzneipflanze eher gering war. Bis 1946 hielten sich die Einträge über die Droge und den Fluidextrakt im „National Formulary“, bis sie schließlich aus der 8. Auflage verschwanden. In Europa tauchte die Pflanze 1934 erstmals im British Pharmaceutical Codex auf.

Nach wie vor findet man einen mexikanischen „Guaycura Liqueur de Damiana“ im Internet, der in einer speziellen Glasflasche angeboten wird, die – sehr bezeichnend – einem schwangeren Frauenkörper nachempfunden ist und die Fruchtbarkeitsgöttin der Inka darstellen soll.

Die Inhaltsstoffe

Bereits im Jahr 1887 begann man, die Inhaltsstoffe von Turnera diffusa aufzuklären, und fand Tannine, Harze, Schleimstoffe und ätherisches Öl. An der Universität Tübingen analysierte Prof. Dr. Harry Auterhoff das ätherische Öl und identifizierte ca. 20 verschiedene Komponenten, darunter 1,8-Cineol, (–)-α-Pinen, (–)-β-Pinen, p-Cymol und Thymol [10]. Diese Inhaltsstoffe erklären die überlieferte Verwendung der Pflanze bei Atemwegserkrankungen. Eine wichtige und große Inhaltsstoffgruppe von Damiana sind die Flavonoide, wie Pinocembrin, Acacetin, Velutin und verschiedene Glykoside des Apigenins, Luteolins oder Quercetins. Außerdem wurden noch Arbutin, das cyanogene Glucosid Tetraphyllin B, Coffein, das Triterpen Squalen und ein Sitosterolglucosid gefunden [7].

Damiana als Aphrodisiakum?

Für die Wirkung von Remisens® als Aphrodisiakum wird, laut einer Pressemitteilung, die Mitte Juni von der Agentur Petersen & Partner Pharma Marketing GmbH an verschiedene Redaktionen verschickt wurde [11], die Hemmung der Aromatase durch Damiana-Inhaltsstoffe verantwortlich gemacht. Dieses Enzym katalysiert den letzten Schritt in der Biosynthese der Estrogene, indem es Testosteron zu Estradiol und Andro­stendion zu Estron umsetzt. Hemmt man nun die Aroma­tase, sollten sich die Testosteronspiegel im Körper erhöhen, was nach der landläufigen Meinung die Libido sowohl beim Mann als auch bei der Frau steigern soll. Dass ein Extrakt aus Damiana-Blättern als Aromatase-Hemmer wirkt, wurde in vitro im Enzymassay mithilfe einer lysierten Leberzell­linie (HepG2) gezeigt [8]. Mit einem methanolischen Extrakt aus Damiana-Blättern wurde ein IC50 -Wert von 63,1 µg/ml ermittelt – wohlgemerkt: Mit dieser Konzentration an Extrakt wurde das Enzym nur halbmaximal gehemmt!

Auch einzelne Reinsubstanzen des Damiana-Extraktes wurden im Enzymassay getestet. Als wirksamste Inhibitoren zeigten sich die Flavonoide Pinocembrin und Acacetin (Abb. 2), die die Aromatase mit IC50 -Werten von 10,8 bzw. 18,7 µg/ml hemmten. Nun drängt sich natürlich die Frage auf, wieviel von diesen Flavonoiden sich bei der oralen Einnahme von täglich drei Filmtabletten Remisens® (entspricht insgesamt 675 mg Damiana-Blätter-Trockenextrakt, DEV 5 – 7 : 1, Auszugsmittel Ethanol 90% (V/V)) bei der Aroma­tase im Körper der Frau einfinden wird.

Abb. 2: Die beiden potentesten Aromatase-Inhibitoren in Turnera diffusa sind die Flavonoide Pinocembrin und Acacetin.

Schaper & Brümmer, der Hersteller von Remisens®, geht in seiner Pressemitteilung nicht genauer auf einen möglichen pharmakodynamischen Mechanismus ein. Einen anderen Hinweis auf die aphrodisierende Wirksamkeit eines Damiana-Blätterextrakts gaben Studien mit „sexually exhausted males“ – allerdings handelte es sich nicht um Männer, sondern um männliche Ratten [12]. Die getesteten Rattenmännchen durften sich zunächst mit einem empfänglichen Weibchen sexuell verausgaben und wurden anschließend mit einem neuen empfänglichen Weibchen zusammengesetzt. Nach der oralen Verabreichung von 80 mg/kg wässrigem Extrakt aus Damiana-Blättern kopulierten mehr Männchen mit dem neuen Weibchen als in der Vergleichsgruppe [12]. In diesem Extrakt wurden die Inhaltsstoffe Arbutin, Coffein sowie verschiedene Flavonoide wie Apigenin, Luteolin oder – erneut – Acacetin nachgewiesen. Weitere Untersuchungen legten die Vermutung nahe, dass der wässrige Damiana-Blätterextrakt eventuell über den NO-Signalweg die Penis-Erektion bewirkt [13]. Dies wird unterstützt durch Ergebnisse mit dem Spezialextrakt FB 9389 der Firma Finzelberg, der auf einem Rohextrakt mit 60%igem Ethanol basiert. Mit einem IC50 -Wert von 5 µg/ml hemmt FB 9389 in vitro die Phosphodiesterase-5 und hat somit denselben Wirkungsmechanismus wie Sildenafil [14].

Für ein entsprechendes Präparat wurde mit dem sehr treffenden Namen Plantagra® – also eine Art „Bio-Viagra“ – geworben [15]. Mittlerweile findet man allerdings auf der Homepage der Martin-Bauer-Gruppe nur noch einen sehr versteckten Hinweis auf das Produkt.

Auf Nachfrage bei der Firma Finzelberg war zu erfahren, dass der Damiana-Blätterextrakt nur außerhalb Europas als eine Art Nahrungsergänzungsmittel geliefert und dabei nicht mehr explizit auf die PDE-5-Hemmung hingewiesen wird. Inwieweit dort die potenziellen Anwender den Extrakt als Aphrodisiakum einsetzen, entzieht sich der Kenntnis des Extraktherstellers.

Interessanterweise sorgte ungefähr zeitgleich zu den Arbeiten der Firma Finzelberg mit Plantagra® eine Studie der Berliner Charité, Arbeitskreis Prof. Holger Kiesewetter, durchgeführt mit einem Bio-Potenzmittel, für ziemliche Negativschlagzeilen. Dieses Präparat, das in den Medien als „Plantagrar“ bezeichnet wurde, bestand allerdings aus der Andenpflanze Maca (Lepidium meyenii, Brassicaceae), dem Burzeldorn (Tribulus terrestris, Zygophyllaceae), dem aus Zuckerrohr gewonnenen Policosanol (Gemisch langkettiger Alkohole) und der Aminosäure L-Arginin [16]. Wegen der höchst zweifelhaften Studie und wegen undurchsichtiger Finanzgeschäfte ermittelte schließlich die Staatsanwaltschaft, und Holger Kiesewetter wurde auf eigenen Wunsch von der Charité beurlaubt [17].

Wie ist ein Therapieansatz mit pflanzlichen Aphrodisiaka zu bewerten?

Aphrodisiaka im Allgemeinen und pflanzliche Aphrodisiaka im Speziellen sind mit großer Vorsicht zu genießen. Nur in wenigen Fällen, z. B. bei der Einnahme bestimmter Medikamente oder nach gewissen Operationen, können Libido-Probleme kausal zurückverfolgt und dann eventuell auch therapiert werden. Meistens spielen mehrere Faktoren ursächlich zusammen, und dann reicht es eben nicht, nur eine vermeintliche Ursache – beispielsweise einen verminderten Testosteronspiegel – zu beheben, was sich am Misserfolg von Intrinsa® und LibiGelTM gezeigt hat. Generell ist zudem zu hinterfragen, ob die Hemmung der Aromatase der richtige Ansatz ist, um die Libido zu steigern. Denn: Bisher sind keine Berichte darüber zu finden, dass Frauen, die infolge ihrer Tumorerkrankung mit Aromatasehemmern behandelt werden, ein außergewöhnlich erfülltes Sexualleben haben. Umgekehrt sollten diese Frauen auf gar keinen Fall auf den Gedanken kommen, den nebenwirkungsreichen Aromatasehemmer, den sie für ihre Tumortherapie einsetzen, durch einen verträglicheren „Aromatasehemmer“ in Form von Remisens® zu ersetzen. Vielleicht fürchtete der Hersteller genau so eine Fehlanwendung und hat deswegen den Hinweis auf einen möglichen Wirkmechanismus zurückgezogen.

Ob das Präparat überhaupt wirkt, müsste erst in ordentlich durchgeführten klinischen Studien nachgewiesen werden. Inwieweit dabei der ursprünglich postulierte Wirkmechanismus eine Rolle spielt, ist ebenso unklar. Da es sich bei Remisens® jedoch um ein traditionelles Arzneimittel handelt, das vom BfArM nicht zugelassen, sondern „nur“ registriert wurde, gibt es diese Studien nicht.

Ein Blick in die Liste der (angeblichen) pflanzlichen Aphrodisiaka zeigt, dass auch ganz alltäglich angewendete Pflanzen wie Camellia sinensis (Tee), Hibiscus sabdariffa (Hibiskus) oder Zingiber officinalis (Ingwer) dazugehören (sollen) [6]. Aber einmal ganz ehrlich: Haben Sie nach dem Genuss von schwarzem Tee, Hibiskus- oder Ingwer-Tee schon jemals ein gesteigertes sexuelles Verlangen verspürt?

Bleibt noch die Frage, ob man in der Apotheke Remisens® empfehlen sollte. Der rechtliche Status des Arzneimittels fordert keinen Wirksamkeitsnachweis. Eine Registrierung als traditionell verwendetes Phytopharmakon beruht lediglich auf einer Plausibilitätsvermutung, die man vielleicht aus den In-vitro- und Tier-Versuchen ableiten kann (aber nicht muss). Die Veröffentlichungen zu den vermeintlichen Wirkungen der Damiana-Blätter wurden mit sehr unterschiedlichen Extrakten gemacht: wässrig, methanolisch oder ethanolisch, wobei 30- oder 60%iger Ethanol verwendet wurde. Diese Extrakte sind bezüglich ihres Inhaltsstoffspektrums sicherlich nicht miteinander vergleichbar. Außerdem zielten die veröffentlichten Versuche auf eine Verbesserung der männlichen sexuellen Funktionsfähigkeit ab. Remisens® enthält einen Extrakt, der mit 90%igem Ethanol hergestellt wurde, und bringt somit noch eine weitere Extraktvariante ins Spiel. Außerdem soll das Produkt explizit die Libido der Frau unterstützen – hat also eine ganz andere Zielgruppe, wofür noch weniger Daten publiziert sind. Des Weiteren ist sehr fraglich, ob die sehr verbreitet vorkommenden Flavonoide als Wirksubstanzen herhalten können, und noch fraglicher ist, ob man durch die Einnahme der Tabletten tatsächlich ausreichende Konzentrationen relevanter Substanz(en) im Körper erreichen könnte.

Generell ist der Ansatz, in der Ethnobotanik/Ethnopharmazie nach relevanten Arzneipflanzen zu suchen, sehr lohnenswert, wie am Beispiel des Antimalariamittels Artemisia annua zu sehen ist. Aber dieses Beispiel zeigt auch, dass mit potenten Pflanzen Wirksamkeitsnachweise und klinische Studien tatsächlich möglich sind. Überall dort, wo eine Wirkung jedoch eher auf (Aber-)Glaube und Hoffnung beruht, bleibt eine Registrierung als „traditionell angewendetes“ Phytopharmakon.

Fazit

Die Evidenz für die Anwendung von Remisens® ist sehr gering (entsprechend seinem Zulassungsstatus). Will eine Kundin jedoch unbedingt etwas gegen ihren Libidoverlust einnehmen, muss man bei der Abgabe dieses Präparats keine allzu großen Bedenken haben, denn gerade auf dem Gebiet der Aphrodisiaka ist der Placebo-Effekt nicht zu vernachlässigen. |

Quellen

 [1] Panic I. Libido-Probleme – Was tun, wenn die Lust fehlt? Ratgeber ­Sexualität-Medizin; www.stern.de, abgerufen am 22.6.2016

 [2] Sexualtherapie für Frauen; www.sexuelle-stoerungen-der-frau.de, ­abgerufen am 22.6.2016

 [3] Rosen R, et al. The Female Sexual Function Index (FSFI): a multi­dimensional self-report instrument for the assessment of female ­sexual function. J Sex Marital Ther 2000;26:191-208

 [4] Bean JL. Expressions of Female Sexuality. J Sex Marital Ther 2002;28(Suppl 1):29-38

 [5] Joffe HV, et al. FDA Approval of Flibanserin – Treating Hypoactive Sexual Desire Disorder. N Engl J Med 2016;374:101-104

 [6] Chauhan NS, et al. A review on plants used for improvement of ­sexual performance and virility. Biomed Res Int 2014;2014:868062

 [7] Szewczyk K, Zidorn C. Ethnobotany, phytochemistry, and bioactivity of the genus Turnera (Passifloraceae) with a focus on damiana – ­Turnera diffusa. J Ethnopharmacol 2014;152:424-443

 [8] Zhao J, et al. Anti-aromatase activity of the constituents from ­damiana (Turnera diffusa). J Ethnopharmacol 2008;120:387-93

 [9] Tyler VE: Damiana – History of a Herbal Hoax. Pharmacy in History 1983;25:55-58

[10] Auterhoff H, Häufel H-P. Inhaltsstoffe der Damiana-Droge. Arch Pharm 1968;301:537-544

[11] Neu in der Apotheke: Pflanzliches Aphrodisiakum bei nachlassendem sexuellem Verlangen. Remisens®Turnera diffusa unterstützt die Libido der Frau; www.petersenpartner.de

[12] Estrada-Reyes R, et al. Turnera diffusa Wild (Turneraceae) recovers sexual behavior in sexually exhausted males. J Ethnopharmacol 2009;123:423-429

[13] Estrada-Reyes R, et al. Pro-sexual effects of Turnera diffusa Wild (Turneraceae) in male rats involves the nitric oxide pathway. J Ethnopharmacol 2013;146:164-172

[14] Feistel B, Walbroel B, Benedek B. Damiana (Turnera diffusa Willd.) – a traditionally used aphrodisiac as modern PDE-5 inhibitor. Planta Med 2010;76:P002

[15] Finzelberg GmbH & Co. KG. plantagra® – a new purified Damiana leaf extract as a modern aphrodisiac; www.martin-bauer-group.com, ­abgerufen am 23.6.2016

[16] Bio-Potenzmittel – Wissenschaftler entwickeln pflanzliches Viagra; www.welt.de, Meldung vom 15.3.2009

[17] Potenzmittel-Skandal: Charité-Professor räumt seinen Posten; www.spiegel.de, Meldung vom 17.9.2009

Autoren

Dr. Ilse Zündorf
Studium der Biologie in Erlangen; Forschungsaufenthalt an der University of Kentucky (USA); Promotion am Institut für Pharmazeutische Biologie der Uni Frankfurt; Akademische Oberrätin am Institut für Pharmazeutische Biologie der Uni Frankfurt; Forschungsschwerpunkt: monoklonale Antikörper

Prof. Dr. Robert Fürst
Studium der Pharmazie; Promotion und Habilitation im Fach Pharmazeutische Biologie an der LMU München; W3-Professur für Pharmazeutische Biologie am Institut für Pharmazeutische Biologie der Uni Frankfurt; Forschungsschwerpunkt: molekulare Wirkmechanismen von Naturstoffen 

Institut für Pharmazeutische Biologie der Goethe-Universität Frankfurt | Campus Riedberg

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