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Mit Apothekern an einem Strang ziehen
AOK-Chef Hermann zu Importquote, Retaxationen, Rabattverträgen und Selektivverträgen
Im Abschlussbericht zum Pharmadialog heißt es – weich formuliert –, dass beispielsweise Mehrfachvergaben bei Rabattverträgen die Liefersicherheit stärken könnten. Die AOK Baden-Württemberg, die für die AOK-Gemeinschaft die bundesweiten Rabattverträge abschließt, hat mittlerweile auch einige Wirkstoffe im Mehrpartner-Modell vergeben. Zur Regel will sie das aber nicht werden lassen. Hermann erklärt im Interview mit DAZ.online, er ziehe das Exklusivmodell vor: „Zum einen bietet nur dies verlässliche Mengenkalkulationsgrundlagen für die Hersteller – vor allem wichtig für kleine und mittlere Unternehmen – andererseits erhöht es die Kontinuität der Versorgung. Versicherte können sich so darauf verlassen, dass ihr Medikament über die gesamte Vertragslaufzeit das gleiche bleibt“.
Eine andere Verabredung des Pharmadialogs im Zusammenhang mit Rabattverträgen ist eine sechsmonatige Vorlauffrist zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsbeginn. Hermann betont, dass zu lange Vorlaufzeiten dazu führen können, „dass am Markt vorbei ausgeschrieben wird“. Deshalb spreche vieles gegen eine zu lange und starre Vorlaufzeit. Allerdings lege die AOK-Gemeinschaft „seit Jahren großen Wert auf eine angemessene Vorlaufzeit“. Sechs Monate seien für die AOKen „kein Problem“, sagt Hermann. Wichtig sei, die mögliche Neuregelung „so auszugestalten, dass sie Generikaanbietern nicht die Möglichkeit eröffnet, sie für solche Nachprüfungsverfahren zu missbrauchen, um Anschlussverträge zu verzögern und so auch Apotheken und Versicherte mit vertragsfreien Zeiten und den damit einhergehenden ‚Interims-Substitutionen‘ zu belasten“.
„Wir brauchen keinen Quotendirigismus. Die gesetzlich geförderte Importquote ist ein planwirtschaftliches Relikt.“
Gemeinsam gegen die Importquote
Einig mit den Apothekern, speziell auch dem Landesapothekerverband Baden-Württemberg, zeigt sich Hermann im Hinblick auf die Importquote. Er ist überzeugt: „Wir brauchen keinen Quotendirigismus. Die gesetzlich geförderte Importquote ist ein planwirtschaftliches Relikt“. Bei marginalen Einsparungen werde unnötige Bürokratie befeuert. Heutzutage gebe es bessere, marktwirtschaftlichere und sicherere Instrumente, die Arzneimittelausgaben nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Überdies gibt auch Hermann zu bedenken, dass sich die intransparenten Lieferketten bei Reimporten sich wiederholt als Einfallstor für Arzneimittelfälschungen erwiesen haben.
Hermann geht davon aus, dass es auch ohne Quote noch Reimporteure und auch Einsparungen durch Importe geben wird. Er weist darauf hin, dass die fixierte Quote seit Jahren so weit übererfüllt werde, dass der Spar-Effekt der eigentlichen Quote infrage gestellt sei. „Dass die Einsparungen durch Reimporte insgesamt nicht größer sind, beruht auf der fehlenden Preiselastizität der Reimporte – hier zumindest ‚wirkt‘ die Quote. Allerdings nicht, wie vom Gesetzgeber seinerzeit gewollt“, so Hermann. Zudem läge der Reimportabsatz noch weit über dem heutigen Niveau, wären Reimporte überhaupt ausreichend verfügbar. Dies sei aber schon vom Ansatz her ausgeschlossen. Das Geschäftsmodell der Reimporteure sieht Hermann nicht grundsätzlich gefährdet: „Von führenden Reimporteuren wissen wir, dass sie sich am Wettbewerb beteiligen wollen. Das geht nur ohne Quote“.
Abschaffung auf regionaler Ebene?
Letztlich ist es aus Hermanns Sicht naheliegend, sich gegen die Quote mit den Apothekern zusammenzutun. Eine Abschaffung der Importquote könnte auch vertraglich auf regionaler Ebene erfolgen. „Die Apothekerschaft und die AOK Baden-Württemberg können an einem Strang ziehen, um für den Wettbewerb insbesondere innerhalb des hochpreisigen Arzneimittelsegments, aber auch im Sinne der Patientinnen und Patienten und des Abbaus von Bürokratiemonstern, etwas zu bewegen“.
Kein Interesse an Nullretax wegen Kleinigkeiten
Kein Verständnis zeigte Hermann im DAZ.online-Interview für das Retax-Gebaren „weniger Klein-Krankenkassen“. Erst dadurch seien die neuen Regelungen im Rahmenvertrag zur Arzneimittelversorgung nötig geworden. „Ich sehe nicht, dass unsere Zusammenarbeit mit den Apothekerinnen und Apothekern in der Vergangenheit weitgehend problembelastet war“. Die AOK Baden-Württemberg hatte und habe „keinerlei Interesse daran, Vergütungen wegen Kleinigkeiten auf Null zu setzen“. Allerdings: Manches, was als „Formfehler“ ins Spiel gebracht wurde, habe schon etwas mehr dargestellt. Für seine AOK sei die Grenze „dann erreicht, wenn gesetzliche oder vertragliche Vorgaben verletzt werden und die Sicherheit unserer Versicherten potenziell gefährdet wird“. Hermann: „Was da in der Arzneimittelgesetzgebung Niederschlag gefunden hat, hat schon seinen absoluten Sinn und hier muss es auch Sanktionsmöglichkeiten außerhalb des berufsständischen Rechts oder gar des Strafrechts geben“.
„Ich sehe nicht, dass unsere Zusammenarbeit mit den Apothekerinnen und Apothekern in der Vergangenheit weitgehend problembelastet war.“
Zukunftsoption: Selektivverträge mit Apotheken
Was die Zukunft angeht, so kann sich Hermann gut vorstellen, dass die AOK Baden-Württemberg noch enger mit einzelnen Apotheken zusammenarbeitet. Im hausärztlichen Bereich setzt sie bereits seit einigen Jahren auf Selektivverträge. Einzelverträge mit Apotheken sind allerdings nicht möglich. Hier räume das Sozialrecht den Landesapothekerverbänden bislang das Vertragsmonopol ein, erklärt Hermann. „Die AOK Baden-Württemberg kann sich aber durchaus vorstellen, einzelne Apotheken, die für ein ‚Mehr‘ an Leistungen stehen, in vernetzende Selektivverträge einzubinden“. Dies sei sinnvoll, „wenn dies in unsere alternative Regelversorgung passt und die rechtlichen Grundlagen gegeben sind“. Doch noch fehlen die rechtlichen Grundlagen für pharmazeutische Dienstleistungen. „Würde der Gesetzgeber diese Regelungslücke schließen, sind wir sofort für versorgungsoptimierende Vorschläge offen“, so Hermann. |
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