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Hintergrund
Die Spezialisten
Neue Verbände vertreten die Interessen spezialisierter Apotheken
In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren hat sich die Apothekenlandschaft in Deutschland zunehmend ausdifferenziert. Angetrieben zum einen durch politische Entscheidungen, die zu veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen geführt haben, und zum anderen durch technische Entwicklungen, allen voran die „Digitale Revolution“, die im Gesundheitswesen verstärkt spürbar wird. So haben sich neben der „klassischen“ Vor-Ort-Apotheke neue „Sonderformen“ der Arzneimittelversorgung entwickelt – beispielsweise der Versandhandel, die Arzneimittel-Verblisterung, die Zytostatika-Herstellung sowie die Krankenhaus- und Heimversorgung. Diese spezialisierten Apotheken fühlten und fühlen sich durch die Apothekerkammern, -verbände sowie die ABDA als Dachorganisation nicht ausreichend vertreten, auch weil ihre Positionen und (Partikular-)Interessen denen der „offiziellen“ Standesvertretung teilweise diametral gegenüberstehen. In der Folge wurden eine Reihe weiterer Interessenverbände gegründet, um selbst Einfluss auf die (Gesundheits-)Politik nehmen zu können.
Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen – BVDAK
Apothekenkooperationen haben seit Jahren stetigen Zulauf. Mittlerweile sind 87 Prozent aller Apotheken aus überwiegend wirtschaftlichem aber auch fachlichem Interesse in mindestens einem der 40 maßgeblichen Verbünde organisiert. Dabei variiert der Umfang von kleinen, regionalen Verbünden bis zu bundesweit agierenden Großkooperationen mit mehr als tausend Mitgliedern. 2008 gründete der Apotheker Dr. Stefan Hartmann aus Gilching bei München den Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK), den er als Vorsitzender bis heute maßgeblich prägt und vorantreibt. Bis heute haben sich 15 kleine bis mittelgroße Kooperationen dem Verband angeschlossen, der die gemeinsamen Interessen der Kooperationen und auch der angeschlossenen Apotheken gegenüber Politik und Krankenkassen vertreten will.
Der BVDAK sieht in Kooperationen die große Chance, die „inhabergeführte Apotheke in vernetzter Form“ nicht nur auf ein „sicheres finanzielles Standbein“ zu stellen, sondern den Apotheker, der nicht nur Heilberufler sondern zugleich Kaufmann ist, zusätzlich in dessen betriebswirtschaftlichen Pflichten zu entlasten, etwa im Einkauf und Marketing. Die Apotheke könne die dadurch frei werdenden Ressourcen in die „Qualität des pharmazeutischen Heilberufs […] investieren“ und somit ihrem Versorgungsauftrag in angemessener Weise nachkommen. Kurz gesagt: Für den Verband geht eine sichere wirtschaftliche Situation dank Kooperationen mit verbesserter pharmazeutischer Betreuung Hand in Hand.
BVDAK – Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen e. V.
Sitz: Gilching (bei München)
Vorsitzender: Dr. Stefan Hartmann
Gründungsjahr: 2008
Mitglieder: 15 Apothekenkooperationen, dazu kommen 24 Fördermitglieder aus den Bereichen Großhandel, Industrie und Apothekendienstleistung
Kosten Mitgliedschaft: Juristische Personen 60 Euro pro Monat, Fördermitglieder 100 Euro pro Monat. Dazu kommt eine einmalige Aufnahmegebühr von 300 Euro.
„Kritischer Begleiter“ der ABDA
Wohl auch bedingt durch den Umstand, dass inzwischen so viele Apotheken einer Kooperation angehören, äußert sich der BVDAK nicht nur zu Kooperations-spezifischen Fragen, sondern nimmt zu vielen Themen Stellung, die die wirtschaftliche Situation der Apotheken betreffen. Dabei soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass die im BVDAK organisierten Kooperationen weit davon entfernt sind, 87 Prozent der Apotheken zu den eigenen Mitgliedern zu zählen.
Nichtsdestotrotz berücksichtigt das Bundesgesundheitsministerium seit 2013 bei bestimmten Gesetzes- und Verordnungsvorhaben die Stellungnahmen des BVDAK als „relevanten Spezialverband“. Dennoch sei der BVDAK nicht vergleichbar mit der offiziellen Spitzenorganisation der deutschen Apotheker, betont der Vorsitzende Dr. Stefan Hartmann. Aber: Für Hartmann ist einer der Gründe, warum sich immer mehr Apotheken in Kooperationen zusammenschließen, dass „man sich nicht mehr nur auf Kammern und Verbände verlassen kann“. Den großen Verbänden ABDA und DAV falle es „offensichtlich zunehmend schwerer, die Interessen ihrer Mitglieder zu bündeln“. Aufgrund spezieller Anliegen entstünden Splittergruppen, die jedoch alle der Wunsch eine, die inhabergeführte Apotheke zu erhalten, was ebenso ein Ziel der Kammern und Verbände darstelle. „Nur in den Wegen unterscheiden sich viele Kooperationen von den Wegen der Kammern und Verbände“, heißt es auf der BVDAK-Webseite. Daher befinde sich der BVDAK mit diesen stets im Austausch, als „kritischer Begleiter“ lasse er es sich aber nicht nehmen, auch Kritik zu üben.
Vernetzung statt „Verkettung“
Der BVDAK sieht sich selbst immer wieder der Kritik ausgesetzt, Apothekenkooperationen seien eine „Vorstufe von Apothekenketten“. Hartmann betont daher stets den Stellenwert der Selbstständigkeit einer Apotheke sowie die Freiwilligkeit zur Kooperationsbereitschaft. Dies grenze die Apothekenkooperation wesentlich von Apothekenketten ab. Der Erhalt des Fremdbesitzverbots sei ein zentrales Ziel des Verbandes. Ohne sie sei die „Wahrung der Berufsethik im Interesse der Gesundheit der Verbraucher“ nicht möglich. „Kettenbildende Kapitalgesellschaften“, die einer vertikalen Geschäftsstrategie folgen, stellen ein erklärtes Feindbild des Verbandes dar. Sollte der Apothekenmarkt liberalisiert werden, wäre die Selbstständigkeit des Apothekers gefährdet, warnt Hartmann. Darum sei es wichtig, die gemeinsamen Interessen möglichst vieler Apotheken mithilfe einer Vernetzung untereinander gebündelt vertreten zu können, während der „gesunde Wettbewerb“ dabei bestehen bleiben würde.
Ganz im Zeichen der Vernetzung steht der alljährlich in München stattfindende „Kooperationsgipfel“ des BVDAK. Mit knapp 400 Teilnehmern im vergangenen Jahr hat sich die Veranstaltung inzwischen zu einem wichtigen Branchentreff von Apothekenkooperationen, Pharmaindustrie, Großhandel und Warenwirtschaftsanbieter gemausert. In diesem Jahr findet der Kooperationsgipfel am 3. und 4. Februar in München statt.
Bundesverband Deutscher Versandapotheken – BVDVA
Viele Trends basieren auf technischen Innovationen. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist der Onlinehandel, der dem stationären Handel in (beinahe) allen Branchen zusetzt. Der Versandhandel von Arzneimitteln wurde in Deutschland 2004 zugelassen und da das Internet heute – auch unter Älteren – nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken ist, wuchs der neue Vertriebsweg seitdem nahezu stetig an. Nach Angaben des 2005 gegründeten Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA) gab es Ende 2015 in Deutschland 3010 Apotheken mit einer Versanderlaubnis, auch wenn die Mehrheit dieser Apotheken die Erlaubnis nicht oder nur sehr wenig nutzen. Dazu kommen – teilweise sehr große – ausländische Versandapotheken, die nach Deutschland liefern. Im Jahr 2014 haben die deutschen Arzneimittelversender nach BVDVA-Angaben 1,5 Milliarden Euro umgesetzt. Betrachtet man den Gesamt-Apothekenumsatz von 45,8 Milliarden Euro (ABDA-Zahlen für 2014), ergibt das einen Umsatzanteil von etwas mehr als drei Prozent.
Mit dem Ziel, das volle Potenzial der modernen technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, versteht sich der BVDVA als freie Selbstorganisation aus „innovativen Apothekern und Unternehmern, die den pharmazeutischen Arzneimittelversandhandel an den Verbraucher organisieren“ und somit als Innovationstreiber im Apothekenmarkt fungieren. Dabei engagiert sich der Verband für „eine hohe Qualität der pharmazeutischen Versorgung im Arzneimittelversandhandel“.
BVDVA – Bundesverband Deutscher Versandapotheken
Sitz: Berlin
Vorsitzender: Christian Buse
Gründungsjahr: 2005
Mitglieder: 26 Versandapotheken, dazu kommen 13 Fördermitglieder
Kosten Mitgliedschaft: 2400 Euro Jahresbeitrag, dazu kommt eine Aufnahmegebühr von einmalig 1000 Euro. Es gibt verschiedene Formen der Fördermitgliedschaft. Auch eine „Kennenlern-Mitgliedschaft“ zu reduzierten Beiträgen ist möglich.
„Königsanwendung“ E-Rezept
Den Mitte 2015 mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz eingerichteten „Innovationsfonds“ sieht der Verband als eine Chance, neue Konzepte in „Telemedizin und internetbasierte Beratungs- und Vertriebslösungen […] zum Wohle des Patienten“ zu fördern. Weitere zukunftsträchtige Konzepte im Sinne des Medikationsmanagements könnten beispielsweise ein digitaler Medikationsplan, mobile Anwendungsmöglichkeiten oder ein 24-Stunden-Online-Beratungsservice via Videokonferenz sein. Für den BVDVA stellt jedoch das elektronische Rezept (E-Rezept) die „Königsanwendung“ dar. Denn im Vergleich zu OTC-Ware (ca. 80 Prozent des Jahresumsatzes in 2015) stagniert der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln – nicht zuletzt weil es sich um „ein umständliches [logistisches] Unterfangen“ handelt. Außerdem sind in diesem Segment seit dem Rezeptboni-Verbot keine Preisaktionen mehr möglich. Das E-Rezept ermögliche eine Telematik-Infrastruktur, welche die großen Sektoren im Gesundheitswesen (Arztpraxis, Apotheke, Krankenhaus, Krankenkasse) miteinander vernetzt, schaffe zudem „Transparenz, Effizienz, verbindet die verschiedensten Leistungserbringer, ist ein sichtbarer Nutzen für den Patienten und schont die Umwelt“.
Versandhandel: „komplementäre Versorgungsform“?
Kritiker sehen den Versandhandel eher als Risikofaktor der Arzneimittelsicherheit. Zuletzt standen die unkontrollierbaren Transporttemperaturen auf dem Versandweg zur Diskussion. Forderungen nach Anpassungen gemäß der Good-Distribution-Practice-Richtlinie (GDP), an welche sich Großhändler zu halten haben, wurden vom Gesundheitsministerium jedoch als unbegründet abgewiesen – zur Freude des BVDVA. Anders verhielt es sich bei der „Pille danach“, die seit dem vergangenen Jahr rezeptfrei erhältlich ist, jedoch nicht über den Arzneimittelversand vertrieben werden darf. Für die Begründung wurden nicht die Temperaturen während des Transports herangezogen, sondern der die zeitliche Verzögerung, die durch den Versand entsteht. Dennoch wertete der BVDVA diese Entscheidung als Stimmungsmache gegen den Arzneimittelversand. „Sollen [Frauen] im Notfall darauf hoffen, dass die Apotheke die ‚Pille danach‘ vorrätig hat?“, fragte der Vorsitzende Christian Buse. Eine sehr zeitnahe Einnahme sei bei Nicht-Bevorratung zu Hause in keinem Fall möglich und es werde suggeriert, dass die Apotheke vor Ort das alleinige Mittel der Wahl zur Bevorratung darstellt.
Ein weiterer Vorwurf, dem sich die Online-Apotheker regelmäßig ausgesetzt sehen, ist der der mangelhaften pharmazeutischen Betreuung. Der BVDVA verweist auf Testergebnisse, in denen Versandapotheken nicht schlechter abgeschnitten hätten als Vor-Ort-Apotheken. Vor über einem Jahr habe man angesichts schlechter Testergebnisse konstruktive Kritik ernst genommen und sich mit Verbraucherschützern an einen Tisch gesetzt, um Verbesserungen auszuarbeiten. Aktuelle Zahlen des Kundenmonitors Deutschland 2015 mit rund 21.000 Interviews bescheren dem Arzneimittelversand Bestnoten in der Kundenzufriedenheit. Für den Verband ist schon lange klar: Die Versandapotheke ist eine „komplementäre Versorgungsform“ zur Offizin. Die positiven Umfragewerte bestätigen, dass sich die „Digitalisierung im Gesundheitswesen und auch deren Akzeptanz in der Bevölkerung weiter fortsetzt. Für immer mehr Menschen ist die Bestellung der Arzneimittel bei einer registrierten und seriösen Versandapotheke Alltag“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Nach Auffassung des BVDVA stellt stattdessen der illegale Online-Handel das große Risiko der Arzneimittelsicherheit dar. Maßnahmen seitens der Behörden, wie die Kennzeichnung mit dem neuen Logo für legale Internet-Apotheken, sollen Bestellungen im Netz sicherer machen. Auch der BVDVA klärt auf seiner Webseite ausführlich über Risiken auf und empfiehlt eine „Checkliste für den [sicheren] Online-Einkauf“.
Bundesverband Patientenindividueller Arzneimittelverblisterer – BPAV
Die patientenindividuelle Verblisterung (PAV) spielt momentan vor allem in der Heimversorgung eine Rolle. Sie soll eine verlässliche wie flexible Polymedikation gewährleisten. Während Krankenhaus- und Heim-versorgende Apotheken (s. auch Abschnitt über den BVKA unten) das Verblistern als „ein wichtiges Instrument bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen“ akzeptieren, hat sich der Bundesverband Patientenindividueller Arzneimittelverblisterer (BPAV) gänzlich der Etablierung dieser Technologie verschrieben. Der „Blisterverband“ ist der jüngste der hier vorgestellten Verbände und setzt ähnlich dem BVDVA auf eine „technische Revolution“, wie er selbst die PAV bezeichnet. Nach seiner Ansicht stellt sie das „Mittel der Wahl für eine optimale Arzneimittelabgabe insbesondere an multimorbide Patienten“ dar. Die Vorteile in Arzneimitteltherapiesicherheit, Compliance, Flexibilität im Medikationsmanagement sowie Kosten- und Zeitersparnis für Gesundheitswesen bzw. Heimpersonal sind für den BPAV erwiesen, während ärztliche Verschreibungsfreiheit sowie Arzneimittelvielfalt erhalten blieben. Mit Fokus auf der Arzneimittelsicherheit in Abwägung zu den wirtschaftlichen Interessen der Lohnherstellerbetriebe unter den Mitgliedern lautet die Verbands-Formel: „Erhöhung der Qualität der Arzneimittelabgabe bei möglichst gleichzeitiger Kostensenkung“.
BPAV – Bundesverband Patientenindividueller Arzneimittelverblisterer
Sitz: Berlin
Vorsitzender: Hans-Werner Holdermann
Gründungsjahr: 2009
Anzahl Mitglieder: 13 Lohnhersteller, inklusive einer spezialisierten Apotheke, dazu kommen 9 assoziierte Partner
Kosten Mitgliedschaft: keine Angaben
Unerlässlicher Teil des Medikationsmanagements?
Die patiendenindividuelle Arzneimittelverblisterung wurde im Rahmen der ApBetrO-Novellierung 2012 als apothekenspezifische Herstellungstätigkeit bestätigt. Für eine Herstellungserlaubnis (die auch Voraussetzung für eine BPAV-Mitgliedschaft ist) sind Ausstattungen nach § 13 AMG (u. a. Reinräume der Klasse D) vorgeschrieben. Die Einführung der PAV kann für eine Apotheke also mit großen Investitionen verbunden sein.
Mit der Aufnahme des Medikationsmanagements als pharmazeutische Tätigkeit in die ApBetrO sieht der BPAV die Dienstleistung seiner Mitglieder als unerlässlichen Teil dieses Prozesses bestätigt. „Die Apotheke kümmert sich um das Rezeptmanagement und ist durch die Planung der Blister-Herstellung schon heute im Besitz der aktuellen Informationen über die Medikation, erkennt die Verträglichkeiten und das Blisterzentrum stellt valide diese Medikationen patientenindividuell her“, heißt es in einer Pressemitteilung. Zudem sei das manuelle Stellen der Arzneimittel fehlerbehaftet und bleibe qualitativ hinter der maschinellen Verblisterung zurück.
Diese Überzeugung teilt indes nicht jeder. Bereits 2011 äußerte beispielsweise die Landesapothekerkammer Brandenburg Zweifel an der PAV. Die vermeintlichen Vorteile seien nicht bewiesen. Obwohl der BPAV mit einer ausführlichen Stellungnahme mitsamt einer Reihe von in Auftrag gegebenen Studien reagierte, welche die Vorzüge der ökonomischen und sicherheitsrelevanten Aspekte belegen sollen, schloss sich 2014 die Thüringer LAK der Brandenburger Position an – die entsprechenden Studien seien berücksichtigt worden. Die BPAV-Geschäftsstelle weist diese „falschen Behauptungen“ zurück, man dürfe sich aber auch nicht mit einer „verbohrten und voreingenommenen Einstellung einiger Kammern verkämpfen“. Die Sache habe man daher mit „Blick nach vorn“ auf sich beruhen lassen.
Bleibt die Frage nach dem Honorar
Neben der Arzneimittelsicherheit steht v. a. die Honorierung der PAV in der Kritik. Seit Verabschiedung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes 2007 unterliegen pharmazeutische Blister nicht mehr der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Seitdem werden von Heimen frei verhandelbare Blisterpreise als Druckmittel bei Vertragsverhandlungen verwendet. Infolge des wachsenden Konkurrenzdrucks wird die Serviceleistung oft unzureichend honoriert oder vereinzelt gar kostenlos angeboten. Die Apothekerkammer Saarland reagierte auf das Preisdumping mit einem Verbot in der Berufsordnung und auf Bundesebene wurde ein weiterer Punkt juristisch geklärt: Laut Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg stellt kostenloses Verblistern einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Heilmittelwerbegesetz (HWG) dar.
Der BPAV tritt entschieden dafür ein, die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für eine angemessene Honorierung dieser Dienstleistung zu schaffen. Eine pauschale Preisfestlegung ist jedoch nach seiner Auffassung aufgrund der Vielzahl zu berücksichtigender Faktoren nicht praxistauglich. Der Verband plädiert stattdessen für eine verbindliche Abrechnungsgrundlage in der AMPreisV – auch um endlich Rechtssicherheit zu schaffen.
Bundesverband der klinik- und heimversorgenden Apotheker – BVKA
Mit mehr als 30 Jahren ist der Bundesverband der klinik- und heimversorgenden Apotheker (BVKA) der Methusalem unter den Apothekerverbänden. Er wurde als Bundesverband klinikversorgender Apotheker in Reaktion auf neue gesetzliche Regelungen zur Krankenhausversorgung gegründet, dessen Aufgabengebiet 20 Jahre später um die Heimversorgung erweitert wurde. Erklärtes Ziel des BVKA war und ist die „ständige Verbesserung der pharmazeutischen Leistungsfähigkeit unserer Mitgliedsapotheken zum Wohle der Patienten in Krankenhäusern und Alten- und Pflegeheimen“. In diesem Sinne kooperiert er mit allen Beteiligten – vom Arzt über das Pflegepersonal bis zum Patienten. Zusätzlich pflegt er Kontakte zu den entsprechenden Einrichtungen, Behörden, Arzneimittelproduzenten und Großhändlern. Eine Fördermitgliedschaft für wirtschaftliche Vertragspartner passe aber nicht zur Verbands-Philosophie, erklärt BVKA-Geschäftsführer Dr. Rötger von Dellingshausen, der Verbandszweck sei die Interessenvertretung seiner Mitgliedsapotheken.
BVKA – Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker e. V.
Sitz: Berlin
Vorsitzender: Dr. Klaus Peterseim
Gründungsjahr: 1983
Anzahl Mitglieder: 255 Mitglieder mit 350 (Filial-)Apotheken
Kosten Mitgliedschaft: Grundbeitrag 250 Euro pro Jahr für Apothekeninhaber, mit einer freiwilligen Staffelung. 100 Euro pro Jahr für Angestellte
Erst kürzlich kamen außerdem die Substitutions- und Palliativversorgung hinzu und so engagiert sich der BVKA heute für eine ordnungsgemäße, unverzügliche und bedarfsgerechte Arzneimittelversorgung sowie pharmazeutische Beratung von Einrichtungen und Patienten, die aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert sind, die Apotheke persönlich aufzusuchen. So will er sich „zu einem Spezialverband von Apotheken [für] die pharmazeutische Versorgung von Patienten außerhalb der Offizin“ entwickeln.
Dabei spielt „Ortsnähe“ für den BVAK eine entscheidende Rolle: 2012 feierte er das Verbot der Klinik-Fernversorgung durch das Bundesverwaltungsgericht als Meilenstein, für den er zehn Jahre lang gekämpft habe. Eine – laut Apothekengesetz – „angemessene Nähe“ ist nach Auffassung des Verbands eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die klinikversorgende Apotheke ihren vertraglichen Pflichten nachkommen könne.
Ein „pharmazeutisches Gesamtpaket“
Den Mitgliedern steht der BVKA in Versorgungsfragen sowie zur betrieblichen Organisation beratend zur Seite und bietet ihnen zudem mit dem alljährlich stattfindenden Symposium eine Plattform zum Erfahrungsaustausch. Dort beschloss der BVKA bereits 2011 seine „Bad Homburger Erklärung zur Heimversorgung“, in der er eine faire Vergütung in diesem Bereich forderte. Für die künftigen „Bausteine“ der Heimversorgung wie Stellen, Verblistern und Medikationsmanagement, die zusammen ein hohes Arzneimittelsicherheitsniveau gewährleisten sollen, wurden konkrete Honorierungsmodelle vorgeschlagen.
Auf diesem Wege reagierte der BVKA auf den scharfen Wettbewerb sowohl zwischen Heimträgern als auch zwischen Apotheken. Die Entwicklung in der Heimversorgung hin zu kostenfreien, nicht-pharmazeutischen Zusatzdienstleistungen durch versorgende Apotheken habe auch innerhalb der Apothekerschaft Spuren hinterlasse. Doch den meisten Heimträgern sei durchaus bewusst, dass die orts- und zeitnahe Arzneimittelversorgung sowie fachkundige Beratung ein „pharmazeutisches Gesamtpaket“ darstelle, das nicht durch kostenlose Zusatzangebote ersetzt werden könne. Daher rät der Verband den heimversorgenden Apotheken, ihre pharmazeutischen Dienstleistungen in den Vordergrund zu stellen.
Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker – VZA
Zytostatika werden in der modernen Medizin für den Patienten nach Maß angefertigt. Die aseptische Herstellung von Zytostatika unterliegt sehr hohen Sicherheitsauflagen, die deutschlandweit nur von verhältnismäßig wenigen Apotheken erfüllt werden (können). Diese beliefern Einrichtungen und Arztpraxen mit Zytostatika und anderen Parenteralia wie Ernährungs- und Analgetikalösungen. Der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker e. V. (VZA), der dieser relativ kleinen Gruppe von Spezialapotheken in der Gesundheitspolitik eine Stimme verleiht, sieht seine Mitglieder jedoch nicht nur in der Rolle des Versorgers, sondern auch in der des fachkompetenten Therapiebegleiters, der u. a. verspricht, für alle Beteiligten rund um die Uhr erreichbar zu sein.
VZA – Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker e. V.
Sitz: Berlin
Präsident: Dr. Klaus Peterseim
Gründungsjahr: 1999
Anzahl Mitglieder: ca. 230
Kosten Mitgliedschaft: 300 Euro pro Monat
Zyto-Auschreibungen
Für die wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder bringt sich der VZA in sozialpolitische Entscheidungsprozesse wie die um die Hilfstaxe ein. Hierfür sucht er auch den Kontakt zu anderen Berufsverbänden. So ist der VZA in der Verhandlungskommission des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) personell vertreten, um diesen beispielsweise in Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband zu unterstützen. Nach Angaben des VZA sei man vom DAV aufgrund des Know-hows als fachlich-inhaltliche Unterstützung akzeptiert. DAV wie auch ABDA hätten Kernforderungen des VZA bei ihren Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben berücksichtigt – etwa die nach der Abschaffung der sogenannten Zyto-Ausschreibungen.
Zur Enttäuschung des Verbands bestätigte Ende 2015 das Bundessozialgericht die exklusiven Versorgungsverträge der AOK Hessen mit Apotheken über Zytostatikazubereitungen (Zyto-Ausschreibungen). VZA-Präsident Peterseim sprach von einem „rabenschwarzen Tag für Krebspatienten und ihre wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln“. Der Patient habe seiner Auffassung nach auch bei Zytostatika ein gesetzlich verbrieftes Apothekenwahlrecht nach § 31 Abs.1 Satz 5 SGB V.
Leitlinien einer guten onkologischen Versorgung
In juristischen Auseinandersetzungen wie der um die Zyto-Ausschreibung profitieren Mitglieder vom Rechtsbeistand ihres Verbands. Auch hinsichtlich der Anlage 3 der Hilfstaxe, in der die Abrechnungsregeln für Spezialrezepturen festgelegt sind, gibt es hin und wieder Probleme mit Krankenkassen, da die Hilfstaxe von diesen unterschiedlich interpretiert werde, was die Abrechnungen erschwere. Im Interesse seiner Mitglieder macht sich der VZA dafür stark, dass erbrachte Leistungen angemessen vergütet werden und die Anlage 3 der Hilfstaxe zeitnah den aktuellen Entwicklungen angepasst wird. Einen wichtigen Schritt stellt dabei die Veröffentlichung der „Leitlinien einer guten onkologischen Versorgung in Deutschland“ dar, die auf der VZA-Jahrestagung 2015 in Berlin bereits angekündigt wurde. In Kooperation mit Onkologen arbeite der VZA daran, „möglichst effiziente und harmonische Zusammenarbeit zwischen verordnendem Arzt und herstellendem Apotheker“ zugunsten der Krebspatienten sicherzustellen, so von Dellingshausen.
Dass es zwischen den Versorgungsbereichen und den Mitgliedern der beiden „Spezialverbände“ VZA und BVKA große Überschneidungen gibt, zeigt sich in deren Vorstandsstrukturen. Dr. Klaus Peterseim ist Vorsitzender bzw. Präsident beider Verbände, die jeweils unter der Geschäftsführung von Dr. Rötger von Dellingshausen stehen.
Apothekerverbände in der Zwickmühle
Die Flächendeckung fehlt
Die hier vorgestellten Spezialverbände werben mit exklusiven Vorteilen und Leistungen für ihre Mitglieder. Teilweise haben sie sich auch einen relativ großen politischen Einfluss erarbeitet. Dennoch gelingt es ihnen bisher nicht, die Apotheken in „ihrem“ Bereich in Gänze oder auch nur in der Mehrheit hinter sich zu versammeln, sie repräsentieren jeweils nur einen Bruchteil der potenziellen Mitglieder. Selbst der BVDAK, der dank der Mitgliedsapotheken seiner Mitgliedskooperationen viele Apotheken bündelt, ist Interessenvertreter von rund 10 Prozent der deutschen Apotheken – nach eigenen Angaben sind aber insgesamt 87 Prozent in einer Kooperation. Das liegt vor allem daran, dass die „Big Player“ wie MVDA mit der Dachmarke Linda und die Großhandels-gesteuerten Kooperationen fehlen.
Dem BVDVA ergeht es ähnlich. Mehr als 3000 öffentliche Apotheken besitzen eine Versandgenehmigung. Jedoch betreiben nur etwa 150 von ihnen einen aktiven Online-Handel und davon sind lediglich 26 beim BVDVA organisiert. Der BVKA geht bundesweit von schätzungsweise 5000 Heimversorgern aus – das Zwanzigfache der bisherigen Mitgliederzahl. Und der BPAV ist mit einer verblisternden Apotheke von bundesweit geschätzten 200 ebenfalls deutlich unterbesetzt.
Die Spezialverbände befinden sich in einer Zwickmühle. Vor allem in der Honorierungsfrage machen sie die Arbeit zwar für die eigenen Mitglieder, es profitieren aber auch alle anderen Anbieter, auch wenn sie nicht Mitglied sind. Die exklusiven Leistungen scheinen nicht ausreichend zu sein, um eine (teilweise auch teure) Mitgliedschaft zu rechtfertigen. Der VZA mag hier die Ausnahme darstellen. In der Betreuung von Krebs-Patienten scheint – ersichtlich anhand aktueller Ereignisse – der Rechtsbeistand durch den Verband, eine ortsübergreifende Organisation sowie Zugang zu aktuellen Fachinformationen für den Patienten genauso wichtig zu sein wie für die Apotheke selbst.
Zum Weiterlesen
Die Struktur und die Aufgaben der Landesapothekerkammern und -verbände sowie ihre Dachorganisationen Bundesapothekerkammer, Deutscher Apothekerverband und ABDA werden in dem Artikel „Wer macht was in der Berufspolitik? Ein Wegweiser durch die Selbstverwaltung der Apotheker“ (DAZ 2015, Nr. 22) ausführlich vorgestellt.
Verbände nehmen Einfluss
Für die offizielle Standesvertretung ist es naturgemäß schwierig, manchmal gar unmöglich, sich der Partikularinteressen spezialisierter Apotheken anzunehmen. Diese Lücke füllen die Spezialverbände, die entsprechend gute Kontakte zum Gesetzgeber pflegen und auch wegen ihres Spezial-Know-hows dort teilweise große Wertschätzung genießen. So hat jeder seine Erfolge, aber auch Niederlagen in der Gesundheitspolitik vorzuweisen, und auch wenn die Repräsentativität ausbaufähig ist, kommen die Interessenvertreter nichtsdestotrotz ihrer Verantwortung nach und haben durch die vielen (v. a. auch passiven) Profiteure sogar eine größere politische Reichweite bzw. einen stärkeren wirtschaftlichen Einfluss auf die Apothekenlandschaft als es die tatsächlichen Mitgliederzahlen glauben machen. |
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