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Arzneimittel und Therapie
Mit doppelter Signalweg-Blockade gegen das Melanom
Das neue Duo Vemurafenib/Cobimetinib folgt Dabrafenib/Trametinib
Rund 30 Jahre lang war die medikamentöse Behandlung des fortgeschrittenen malignen Melanoms wenig erfolgreich, da außer dem Alkylans Dacarbazin kaum wirksame Substanzen zur Verfügung standen. Dank eines besseren Verständnisses der Molekularbiologie des malignen Melanoms konnten in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Wirkstoffe in die Therapie eingeführt werden.
Ein wichtiger Meilenstein in der Weiterentwicklung der medikamentösen Melanomtherapie war die Identifizierung von pathogenetisch bedeutsamen Signalwegen wie dem MAPK-Signalweg (Mitogen-aktivierte Protein-Kinase) in den 1980er Jahren. Er reguliert über eine Kaskade von Proteinkinasen Zellproliferation und Apoptose (s. Abb. 1). In den Zellen einiger solider Tumoren treten aktivierende Mutationen im Gen der Serin-Threonin-Protein-Kinase B-RAF (BRAF) auf, die beispielsweise zu einem Austausch der Aminosäure Valin durch Glutamin an Position 600 (V600E) führen. Das Genprodukt besitzt eine erhöhte Kinase-Aktivität, was ein unkontrolliertes Zellwachstum zur Folge hat. Bei etwa 40 bis 50% Prozent aller Melanom-Patienten liegt eine solche Mutation vor. Diese Erkenntnisse haben dazu geführt, dass man heute verschiedene Unterformen des malignen Melanoms betrachtet. Vor einer medikamentösen Behandlung muss eine eindeutige Zuordnung des Patienten erfolgen. Sollen beispielsweise BRAF-Inhibitoren wie Vemurafenib (Zelboraf®) oder Dabrafenib (Tafinlar®) angewendet werden, muss zuvor der positive BRAF-V600-Mutationsstatus durch einen validierten Test nachgewiesen worden sein, beispielsweise durch den PCR-Test Cobas® BRAF V600 Mutation Test. Bei Patienten mit unmutiertem BRAF („Wildtyp“) sollen die genannten Substanzen nicht zum Einsatz kommen.
Resistenzentwicklung möglich
Vemurafenib war 2012 von der Europäischen Kommission als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit BRAF-V600-Mutation-positivem, nicht resezierbarem oder metastasiertem schwarzem Hautkrebs zugelassen worden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte dem Wirkstoff 2013 einen beträchtlichen Zusatznutzen bescheinigt. Nach einer gewissen Behandlungsdauer kann sich jedoch eine Resistenz der Tumorzellen gegen die Substanz entwickeln, ihr Einsatz ist dann zeitlich limitiert. Diesem Problem soll durch die Kombination mit Cobimetinib, einem weiteren Inhibitor des MAPK-Signalweges, entgegengewirkt werden. Cobimetinib hemmt selektiv und reversibel die Zellproteine MEK-1 und MEK-2 (Mitogen aktivierte und extrazellulär regulierte Kinasen), die BRAF im MAPK-Weg nachgeordnet sind (s. Abb. 1). Dies führt zu einer Hemmung der Phosphorylierung der extrazellulären Signal-regulierten Kinasen (ERK) 1 und ERK-2. Die duale Hemmung hat das Ziel, die Ansprechraten gegenüber der Monotherapie zu verbessern, die Resistenz zu verzögern und das Gesamtüberleben zu verlängern.
Überlegenheit in der klinischen Prüfung
Die zulassungsrelevante Phase-III-Studie coBRIM schloss 495 Patienten ein und untersuchte als primären Endpunkt das mediane progressionsfreie Überleben während eines Beobachtungszeitraums von im Schnitt sieben Monaten [1].
Auf der Pressekonferenz zum Launch von Cotellic®, die im Dezember in Berlin stattfand, wurden Daten des coBRIM-update präsentiert, für das die Patienten teilweise über 21 Monate beobachtet wurden [2]. Der primäre Endpunkt war unter der Vemurafenib-Cobimetinib-Kombination mit 12,3 gegenüber 7,2 Monaten verlängert. Die Hazard Ratio (HR) für Tod oder Krankheitsprogression betrug 0,58.
Auch bei den sekundären Endpunkten hatten die Patienten unter der Kombinationstherapie eine bessere Prognose, beispielsweise beim medianen Gesamtüberleben (22,3 vs. 17,4 Monate, HR 0,70). Für die Kombinationstherapie betrug die Ein-Jahres-Überlebensrate 75%, nach zwei Jahren lebten noch 48% dieser Patienten.
Prof. Dr. Dirk Schadendorf, Direktor der Klinik für Dermatologie des Universitätsklinikums Essen, betonte vor allem die gute Langzeitwirkung. Diese sei besonders bemerkenswert, da die coBRIM-Studie ein prognostisch schlechtes Kollektiv betrachtet hatte: 46% der Patienten wiesen als negativen prognostischen Parameter einen erhöhten Lactat-Dehydrogenase-Wert auf.
Unerwünschte Wirkungen
Bei mehr als 10% der Patienten traten moderate unerwünschte Wirkungen wie Durchfall, Übelkeit, Hautausschlag, Arthralgie, Fatigue, Fotosensitivität, Fieber, Erbrechen sowie Alopezie auf. Als schwere unerwünschte Wirkungen beobachtete man bei je 11% der Patienten erhöhte Kreatinkinase- und Alanin-Amino-Transferase-Werte. Die Therapieabbruchraten lagen in beiden Studienarmen bei rund 13% [1].
Eine für die Apotheke beratungsrelevante Nebenwirkung ist die mögliche erhöhte Lichtempfindlichkeit. Diese ist wahrscheinlich auf Vemurafenib zurückzuführen, da sie unter einer Cobimetinib-Monotherapie nicht beobachtet wurde.
Bei den Patienten, die auf die Behandlung ansprachen, verbesserte sich die Lebensqualität deutlich, vor allem in den Bereichen Fatigue, soziale Leistungsfähigkeit, Schmerzen und Schlaflosigkeit. Dies hatte sich bereits in der klinischen Testung gezeigt, wo die Lebensqualität anhand eines Fragebogens mit 30 Kernpunkten evaluiert worden war [4].
Wechselwirkungen
Cobimetinib wird hauptsächlich durch CYP3A4 metabolisiert. Die gleichzeitige Gabe von starken CYP3A4-Induktoren wurde in klinischen Studien nicht untersucht und sollte deshalb vermieden werden. In Kombination mit dem starken CYP3A4-Inhibitor Itraconazol stieg die Area under the curve (AUC) von Cobimetinib um das Siebenfache.
Wenn Cobimetinib gleichzeitig mit moderaten oder starken CYP3A4-Inhibitoren angewendet wird, sollten die Patienten daher sorgfältig bezüglich Neben- bzw. Wechselwirkungen überwacht werden. Bei einer kurzzeitigen Anwendung (sieben Tage oder weniger) mit einem starken CYP3A4-Inhibitor sollte eine Unterbrechung der Therapie mit Cobimetinib während dieser Zeit in Betracht gezogen werden.
Cobimetinib ist auch ein Substrat des P-Glykoproteins (P-gp). Die gleichzeitige Verabreichung von P-gp-Inhibitoren wie Cyclosporin und Verapamil kann die Plasmakonzentration von Cobimetinib potenziell erhöhen.
Dosierung
Cobimetinib wird in einem 28-Tage-Zyklus zunächst über 21 Tage in einer Dosierung von einmal täglich 60 mg oral eingenommen, daran schließt sich eine siebentägige Behandlungspause an [3]. Bei Vemurafenib beträgt die Dosierung zweimal täglich 960 mg [5]. Da beide Präparate derzeit nur in einer Stärke (Cotellic® 20 mg, Zelboraf® 240 mg) vorliegen, bedeutet dies in den ersten drei Vierteln jedes Behandlungszyklus eine Einnahme von insgesamt elf Tabletten täglich. Unter bestimmten Umständen müssen Therapieunterbrechungen oder Dosisanpassungen vorgenommen werden, beispielsweise bei kardialen Symptomen wie dem Auftreten einer QTc-Zeit-Verlängerung oder der Abnahme der linksventrikulären Auswurffraktion.
Verfügbare Wirkstoffe
Für die Therapie des malignen Melanoms stehen inzwischen mehrere Wirkstoffe zur Verfügung, u. a. die Klasse der Checkpoint-Inhibitoren mit dem CTLA-4-Antikörper Ipilimumab (Yervoy®) und den PD-L1-Antikörpern Pembrolizumab (Keytruda®) und Nivolumab (Opdivo®) (s. Abb. 3). Atezolizumab, ein weiterer PD-L1-Antikörper, befindet sich derzeit in Phase Ib der klinischen Prüfung. Zwei Monate vor der Zulassung von Vemurafenib und Cobimetinib wurde bereits mit Dabrafenib (Tafinlar®)/Trametinib (Mekinist®) eine Kombination aus BRAF- und MEK-Inhibitor beim BRAF-Mutation-positiven Melanom zugelassen.
Hautkrebs als chronische Erkrankung?
Angesichts der breiten Palette an möglichen Therapieoptionen können sich einige Experten bereits eine Heilung des malignen Melanoms vorstellen. Der Kieler Dermatoonkologe Prof. Dr. Axel Hauschild vertritt die Ansicht, dass bei etwa 30 bis 40% der Patienten bei sequenzieller Anwendung verschiedener Medikamente wenigstens ein chronisches Stadium erreicht werden kann. Um die verfügbaren Wirkstoffe optimal einsetzen zu können, müssen nun spezielle Therapie-Algorithmen entwickelt und in die Praxis überführt werden. Derartige Behandlungsschemata werden mit hoher Wahrscheinlichkeit in die aktualisierte S3-Leitlinie zur Behandlung des malignen Melanoms einfließen, die voraussichtlich Anfang 2016 erscheinen wird. |
Quelle
[1] Larkin J et al. Combined vemurafenib and cobimetinib in BRAF-mutated melanoma. New Engl J Med 2014;371:867-1876
[2] McArthur GA et al. Eur J Cancer 2015;51:S720-S723
[3] Fachinformation Cotellic®, Stand Dezember 2015
[4] Dréno et al. ASCO 2015, Poster Session Melanoma/Skin Cancers, Abstract No. 9021
[5] Fachinformation Zelboraf®, Stand Oktober 2015
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