Arzneimittel und Therapie

Metamizol – eines der sichersten Analgetika?

Steigende Verordnungszahlen bereiten Unbehagen – eine aktuelle wissenschaftliche Einschätzung

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Als Metamizol im Jahr 1922 unter dem Handelsnamen Novalgin® in den Markt eingeführt wurde, war die Begeisterung zunächst groß. Doch der anfänglichen Euphorie folgte in den 60er-Jahren die große Ernüchterung. Unter dem Pyrazolon-Derivat trat gehäuft die Blutbildungsstörung Agranulozytose auf. 1987 wurde der Arzneistoff dann aufgrund immer größer werdender Bedenken in Deutschland unter die Rezeptpflicht gestellt. Trotz aller Zweifel erlebte Metamizol einen neuen Boom. Die Verordnungszahlen stiegen, aber mit ihnen auch die Meldungen unerwünschter Wirkungen. Deshalb appellierte das BfArM im Jahr 2009 an die Ärzte, auf die strenge Indikationsstellung von Metamizol zu achten [42]. Ungeachtet dessen stiegen die Verordnungszahlen in den Folgejahren weiter an – ein Anlass, dieses alte und beliebte Schmerzmittel näher unter die Lupe zu nehmen. | Von Isabelle Viktoria Maucher

Ein Blick in das Wirkstoffdossier der ABDA zeigt für Metamizol folgende Indikationen auf:

  • akute starke Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen,
  • Koliken,
  • Tumorschmerzen,
  • akute oder chronische Schmerzen, soweit andere therapeutische Maßnahmen nicht indiziert sind, und
  • hohes Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht.

Metamizol (engl. dipyrone) kann oral, rektal und aufgrund seiner guten Wasserlöslichkeit auch parenteral verabreicht werden. Nach intravenöser Applikation ist Metamizol für nur ca. 15 Minuten im Serum detektierbar, nach oraler Gabe aufgrund seiner Metabolisierung im Magen-Darm-Trakt gar nicht [1].

Die Pharmakokinetik von Metamizol, das nach oraler Einnahme zu 85% bioverfügbar ist, ist durch die schnelle Hydrolyse zu 4-Methylaminoantipyrin (MAA) gekennzeichnet, das weiter zu 4-Aminoantipyrin (AA) und 4-Formylaminoantipyrin (FAA) metabolisiert wird [2] (Abb. 1). Mittlerweile sind mehr als 20 weitere Metaboliten von Metamizol bekannt, darunter zwei Arachidonsäureamide [3, 4] (Abb. 1). Die Bildung von MAA ist bei älteren Patienten und Trägern eines defekten CYP2C9- und CYP2C19-Allels verringert. CYP2C19- und NAT2-(N-Acetyltransferase-2-)Substrate oder ‑Inhibitoren scheinen zu Wechselwirkungen mit Metamizol führen zu können [5]. Hierbei stehen erhöhte MAA-Spiegel im Verdacht, das Risiko für toxische Reaktionen des Metamizols zu erhöhen [5].

Abb. 1: Metabolisierung von Metamizol. AA = 4-Aminoantipyrin; FAA = 4-Formylaminoantipyrin; MAA = 4-Methyl­aminoantipyrin. Es gibt etwa 20 weitere Metaboliten.

Analgetischer Effekt

Der Mechanismus, der dem schmerzstillenden Effekt des Metamizols zugrunde liegt, ist nicht endgültig geklärt. Beginn und Dauer der analgetischen Wirkung korrelieren mit der Speichelkonzentration von MAA und AA [6], welche sehr leicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden können. Es wird vermutet, dass eine zentrale Cyclooxygenase(COX)-3-Inhibition [7] eine Hemmung der Prostaglandin-(PG-)Synthese im Hinterhorn des Rückenmarkes initiiert, wodurch die Sensitivität von Nozizeptoren gegenüber Schmerzmediatoren abnimmt. Weiterhin wurde im Jahr 2012 entdeckt, dass die Metaboliten MAA und AA mit Arachidonsäure zu Amiden reagieren können (Abb. 1) [8]. Für diese Reaktion ist die Fettsäureamidhydrolase (FAAH) verantwortlich, deren Aktivität im ZNS und in der Leber am höchsten ist. Das könnte erklären, warum Metamizol nur schwache antiinflammatorische Effekte besitzt. Zudem könnten die Arachidonsäure­amide im ZNS zur analgetischen und antipyretischen Aktivität des Metamizols beitragen, denn sie wirken agonistisch am Cannabinoid-Rezeptor des Typs 1 (CB1), der Teil des absteigenden antinozizeptiven Systems ist [8]. Durch die Aktivierung von CB1 wird die GABAerge Transmission im periaquäduktalen Grau (Substantia grisea periaquaeductalis) reduziert. Der dadurch ausgelöste antinozizeptive Effekt beruht auf einer Aktivierung absteigender Nervenfasern [9], so die Hypothese. Erhärtet wurde sie dadurch, dass die antino­zizeptiven Effekte nach Metamizol-Mikroinjektion in das periaquäduktale Grau durch den CB1 -Antagonisten AM251, ein Biarylpyrazol-Derivat, aufgehoben werden konnten [8].

Vor Kurzem (2015) konnte eine italienische Forschungsgruppe den TRPA1 -Kanal (TRPA = transient receptor potential channel) für den analgetischen Effekt des Metamizols mitverantwortlich machen [10]. Metamizol schwächte hier im Tiermodell für entzündliche und neuropathische Schmerzen die TRPA1 -vermittelte Nozizeption [10]. Da die antinozizeptiven Effekte des Metamizols durch Naloxon aufgehoben werden können und es Evidenz für eine Freisetzung von β-Endorphinen aus der Hypophyse sowie dem Hypothalamus gibt, werden die zentralen Wirkungen vor allem mit der Beeinflussung des endogenen Opioidsystems in Verbindung gebracht [11]. Metamizol steigert außerdem die analgetische Wirkung von Morphin [12, 13] und verringert, wenn es vor chirurgischen Eingriffen verabreicht wird, den postoperativen Morphin-Bedarf [14]. Der zugrunde liegende Mechanismus dieses Synergismus ist auch noch ungeklärt [15].

Antipyretischer Effekt

Die neurochemischen Mechanismen, die dem starken antipyretischen Effekt von Metamizol zugrunde liegen, sind noch umstritten. Metamizol kann sowohl Prostaglandin-(PG-)abhängig als auch PG-unabhängig Fieber senken und unterscheidet sich darin von den antipyretisch wirksamen NSAIDs [13]. Interessanterweise konnte in dieser Studie auch gezeigt werden, dass trotz Senkung der PGE2 -Konzentration im Plasma und im zerebrospinalen Liquor durch Metamizol die PGE2 -Synthese im Hypothalamus unbeeinflusst blieb – also in dem Hirnbereich, der als hauptverantwortlich für die PGE2 -Effekte während der Fieberentstehung angesehen wird [16, 55]. Dieses unterschiedliche Wirkprofil könnte vorteilhaft in der Behandlung von Fieber sein. Man denke nur daran, dass Metamizol auch bei hohem Fieber eingesetzt werden kann, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht [17].

Antiinflammatorischer Effekt

Metamizol wirkt nur sehr schwach antiinflammatorisch. In vitro konnte es zwar die aufgereinigten Enzyme COX-1 und COX-2 hemmen, doch diese Ergebnisse lassen sich nicht ohne Weiteres auf intakte Zellen oder gar Organismen übertragen [18].

Spasmolytischer Effekt

Metamizol besitzt einen ausgeprägten spasmolytischen Effekt auf die glatte Muskulatur. Er ist wahrscheinlich Folge einer reduzierten intrazellulären Calciumfreisetzung, die wiederum auf eine Hemmung der Phospholipase C und der damit verbundenen reduzierten Inositolphosphat-Synthese zurückzuführen ist [13, 19]. Da auch der CB-Agonist Δ9 -Tetrahydrocannabinol für seine spasmolytische Aktivität bekannt ist [20], wird spekuliert, ob die beim Abbau von Metamizol entstehenden Arachidonsäureamide auch in anderen Geweben zu einer CB-Stimulierung führen können [8].

Thrombozytenaggregationshemmung

Dosisabhängige thrombozytenaggregationshemmende Effekte durch Inhibition der Thromboxan(TXA2)-Synthese wurden zwar für Metamizol beschrieben, sind aber klinisch gesehen im Vergleich zu Acetylsalicylsäure (ASS) eher zu vernachlässigen [21 – 23]. Metamizol kann allerdings den thrombozyten­aggregationshemmenden Effekt von ASS bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit aufheben. Um diese Wechselwirkung zu umgehen, wird empfohlen, ASS 30 Minuten vor Metamizol einzunehmen [24].

Andere Wirkungen

Metamizol reduziert konzentrationsabhängig den Tonus des Ductus choledochus (Hauptgallengang) und des Musculus sphincter Oddi und hat Einfluss auf die Motilität der ableitenden Harnwege und der Harnblase [15]. Zudem wurde von antiapoptotischen, neuroprotektiven und antikonvulsiven Effekten berichtet [25 – 28]. Tierversuche zeigen, dass Metamizol neuronale Schädigungen im Hippocampus, Cortex und Striatum verzögert sowie Komplikationen sekundärer Hyperthermieschäden verhindern kann [29].

Ein weiteres neues und sehr interessantes Einsatzgebiet könnte der Arzneistoff in der Mikrochirurgie finden. Im Tiermodell für zerebrale Vasospasmen konnte gezeigt werden, dass topisch appliziertes Metamizol relaxierend auf die glatte Muskulatur der Aorta wirkt und klare spasmolytische Effekte auf induzierte zerebrale Vasospasmen aufweist [30]. Im Vergleich mit Papaverin und Lidocain, welche normalerweise zur Behandlung von Vasospasmen eingesetzt werden, war Metamizol gleich bzw. besser wirksam [31, 32]. Metamizol wird deshalb als vielversprechende Alternative zu Papaverin und Lidocain für die mikrochirurgische Behandlung von Vasospasmen diskutiert [31].

Anwendungsbeschränkungen

Metamizol darf nicht bei Säuglingen in den ersten drei Lebensmonaten oder unter 5 kg Körpergewicht sowie nicht intravenös bei drei bis elf Monate alten Säuglingen angewendet werden. Obwohl bisher keine embryotoxischen oder teratogenen Effekte beobachtet wurden, sollte Metamizol im ersten Trimenon nicht und im zweiten nur nach ärztlicher Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden. Kontraindiziert ist es im letzten Trimenon und in der Stillzeit [33]. Überempfindlichkeit gegenüber Metamizol oder Pyrazolonen bzw. Pyrazolidinen, ein bekanntes Analgetika-Asthmasyndrom, Störungen der Knochenmarksfunktion (z. B. nach Zytostatikabehandlung), Erkrankungen des hämatopoetischen Systems, genetisch bedingter Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel und akute oder intermittierende hepatische Porphyrie zählen außerdem zu den Ausschlusskriterien. Parenteral darf der Arzneistoff nicht bei bestehender Hypotonie und instabiler Kreislaufsituation angewendet werden und aufgrund der Gefahr von Schockreaktionen auch nur dann, wenn eine orale Applikation nicht infrage kommt [33].

Wie groß ist das Agranulozytoserisiko?

Die Sicherheit von Metamizol wird seit Jahren diskutiert. Aufgrund des Agranulozytoserisikos wurde Metamizol in den USA und vielen anderen Ländern vom Markt genommen. In Bulgarien hingegen ist es ein OTC-Präparat [15]. Eine Agranulozytose (griech. „ohne Granulozyten“) ist per definitionem durch einen Abfall neutrophiler Granulozyten auf unter 500 Zellen/µl Blut gekennzeichnet. Die Betroffenen haben ein hohes Risiko, an schwerwiegenden Infektionen zu erkranken. Die Agranulozytose kann zum einen durch eine Immunreaktion gegen zirkulierende Granulozyten, aber auch durch eine toxische Schädigung des Knochenmarkes ausgelöst werden. Viele Arzneistoffklassen, darunter Antiinfektiva, Thyreostatika, Antikonvulsiva, Antipsychotika, Antirheumatika und Analgetika stehen im Verdacht, eine Agranulozytose auslösen zu können [34].

Allerdings beeinflussen Metamizol und MAA weder die Granulozytendifferenzierung, noch induzieren sie relevante apoptotische Prozesse während der terminalen Differenzierung der Granulozyten. Das deutet darauf hin, dass eine Metamizol-induzierte Agranulozytose (MIA) auf einer immunoallergischen und nicht auf einer toxischen Reaktion beruht [22]. Metamizolmetaboliten können spezifisch von IgE-Antikörpern erkannt werden, welche auf der Oberfläche basophiler Granulozyten gebunden sind, und dadurch eine anaphylaktische Reaktion induzieren [35]. Das Aminopyrin-Grundgerüst fungiert hierbei als Hapten und bildet im Verbund mit Plasmaproteinen Antigene, die die Bildung von Antikörpern initiieren [56].

Im Jahr 1986 wurde eine Studie zum Agranulozytoserisiko des Metamizols durchgeführt (International Agranulocytosis and Aplastic Anemia Study, IAAAS), welche das durchschnittliche Risiko nach einer Woche Einnahme auf 1,1 Fälle pro einer Million exponierter Patienten einschätzt. Allerdings wurden die Auswahlverfahren für die Fall- und Kontrollgruppe kritisiert und die Ergebnisse der IAAAS deshalb infrage gestellt [36]. Dagegen bestätigte eine im Jahr 2005 veröffentlichte Studie die Größenordnung des Agranulozytoserisiko in der IAAAS [37].

Zwischen 1990 und 2012 wurden über das spontane Meldeverfahren in Deutschland 449 Fälle von MIA dokumentiert. Hiervon wurden 161 Fälle gezielt analysiert – mit dem ernüchternden Ergebnis, dass keine spezifischen Faktoren für MIA identifiziert werden konnten [38]. Die Auswertungen verschiedener Studien zeigen allerdings, dass für ein frühes Erkennen einer Agranulozytose ein Monitoring der Leukozyten gleich nach der ersten Einnahme von Metamizol erforderlich ist. Da Metamizol jedoch in den meisten Fällen ambulant und intermittierend eingesetzt wird, ist ein solches Monitoring offensichtlich undurchführbar [38]. Patienten müssen somit dringend darauf hingewiesen werden, bei Fieber, Halsschmerzen oder anderen Anzeichen einer Infektion sofort einen Arzt aufzusuchen. Die umgehende Behandlung mit Breitspektrumantibiotika, dem Granulozyten-Kolonie-stimulierenden Faktor (G-CSF) und dem Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor (GM-CSF) hält die Todesfälle durch MIA auf einem sehr niedrigen Niveau (Abb. 2) [39].

Abb. 2: Anzahl der Berichte an die AkdÄ über eine durch Metamizol hervorgerufene Agranulozytose (Säulen: oben Verdachtsfälle insgesamt; ­unten Todesfälle) und Anzahl der Verordnungen zulasten der GKV in Deutschland (blaue Kurve; Millionen Tagesdosen, DDD) in den Jahren von 1990 bis 2010 bzw. 2014 [43, 54].

Aspekte der Risikominimierung

Auch wenn die vielen ambulanten Verschreibungen von ­Metamizol eine risikoarme Anwendung suggerieren, ist die Patientenaufklärung gerade in der Apotheke von äußerster Wichtigkeit. Zu diskutieren ist eine Begrenzung der Packungsgröße auf eine Anwendungsdauer von maximal zwei Wochen. Sie könnte dazu beitragen, das Risiko einer unkontrollierten und nichtindizierten Einnahme zu verringern. Denn in etwa 25% der Fälle wird Metamizol off label eingesetzt, was die wachsenden Verordnungszahlen teilweise erklären kann [38]. Die ebenfalls nicht nebenwirkungsfreien Alternativen und die sehr niedrigen Kosten für Metamizol tragen sicherlich auch zu der Zunahme der Metamizol-Verschreibungen in europäischen Ländern bei.

Trotz allem ist es aufgrund mangelnder Studien unklar, ob die Metamizol-Therapie den Alternativen wirklich überlegen ist [40]. Sowohl das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) als auch die AkdÄ (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) wiesen in den Jahren 2009 und 2011 auf Metamizol-assoziierte Agranulozytose­risiken hin und appellierten, die genau definierten Indikationen zu beachten [41, 42]. Diese Mitteilungen führten allerdings nicht zu einem Rückgang der Verordnungen. Vielmehr stiegen die Verschreibungen sukzessiv an (Abb. 2) [38, 43]. Die Applikationsart (i. v. oder oral) beeinflusst laut AkdÄ vermutlich nicht das Agranulozytoserisiko [41].

Die Auswertung epidemiologischer Studien zeigte, dass das Mortalitätsrisiko von Metamizol ähnlich hoch ist wie das von Paracetamol und niedriger als das von ASS, Diclofenac oder anderen Kurzzeitanalgetika: An den Folgen einer Agranulozytose, aplastischen Anämie oder von oberen Magen-Darm-Komplikationen versterben pro 100 Millionen Patienten

  • 592 unter der Therapie mit Diclofenac,
  • 185 unter ASS,
  • 25 unter Metamizol und
  • 20 unter Paracetamol [44].

Eine doppelblinde randomisierte Studie mit Tumorschmerz-Patienten konnte zeigen, dass die Schmerzhemmung unter 2 g Metamizol alle acht Stunden ähnlich effektiv ist wie unter 10 mg Morphin alle vier Stunden und dass Metamizol besser vertragen wird (die Unterschiede waren jedoch nicht sta­tistisch signifikant). Eine zurzeit sehr kritisch bewertete Nebenwirkung wurde nach intravenöser Verabreichung therapeutischer Dosen beobachtet: Durch einen Dosis- und Ap­plikationsgeschwindigkeits-abhängigen Widerstandsverlust der glatten Muskulatur kann es zu starkem Blutdruckabfall kommen [45]. Hierfür wird eine Aktivierung Kalium-abhängiger ATP-Kanäle in vaskulären glatten Muskelzellen verantwortlich gemacht, die eine Vasodilatation zur Folge hat [25].

Eine langsame kontinuierliche Infusion – nicht schneller als 1 ml bzw. 500 mg pro Minute für 20 bis 30 Minuten – ist dementsprechend einer Bolusinjektion vorzuziehen [46, 47]. Die Inzidenz für eine leichte Hypotension nach Metamizol-Gabe liegt bei 1 : 5000 und für einen schweren behandlungsbedürftigen Blutdruckabfall bis hin zum vasodilatatorischen Schock bei 1 : 50.000 [45]. Die unerwünschte Blutdrucksenkung ist vor allem bei geriatrischen Patienten relevant. Bei ihnen kann übrigens auch eine orale Gabe zu einer starken Hypotension führen, weil gerade bei älteren Patienten die Bioverfügbarkeit von Metamizol erhöht sein kann [44].

Eine aktuelle Studie zeigt, dass Metamizol unter den NSAIDs das höchste Hypersensitivitätsrisiko besitzt. Hauttests auf Hypersensibilität scheinen aber eine geringe Empfindlichkeit zu besitzen [48], weshalb vor der Einnahme von Metamizol nicht getestet werden kann, ob Komplikationen wahrscheinlich sind oder nicht.

Vergleichende Studien zur Hepatotoxizität von Metamizol und anderen Analgetika gibt es nicht.

Schlussfolgerungen

Eine schon ältere Metaanalyse epidemiologischer Studien über schwere Analgetika-assoziierte Nebenwirkungen ergab, dass das absolute Sterblichkeitsrisiko für Metamizol nach Kurzzeitgebrauch mit 25 Todesfällen auf 100 Millionen Anwender ähnlich hoch ist wie unter Paracetamol, aber sehr viel niedriger als unter Diclofenac und Acetylsalicylsäure [49]. Da auch andere Arzneistoffe wie Trimethoprim/Sulfamethoxazol, Cimetidin und Clomipramin zu einer Agranulozytose führen können, wird kritisiert, warum gerade Metamizol immer wieder in den Fokus gerückt wird [25]. Andere Autoren bemängeln wiederum die Diskrepanz zwischen steigender Verordnungszahl vor allem für ältere Patienten und fehlender Evidenz von Effektivität und Sicherheit [50]. Die generell sehr hohen Meta­mizol-Verordnungszahlen in Altenheimen werden zum Teil mit dem Fehlen renaler, gastrointestinaler und hepatischer Toxizität im Vergleich zu NSAIDs begründet [51 – 53]. Die Spontanmeldungen von Nebenwirkungen weisen darauf hin, dass Metamizol häufig auch bei leichten und mittelstarken Schmerzen sowie bei Beschwerden eingesetzt wird, für die es wirksame Alternativen gibt. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft betont, dass beim Off-label-use das Nutzen-Risiko-Profil von Metamizol ungünstig ist [41].

Zusammenfassend ist Metamizol trotz aller Divergenz ein relativ sicherer Arzneistoff, vor allem wenn er kurzzeitig und nach Aufklärung der Patienten über Agranulozytose-Anzeichen angewendet wird. Die kontinuierlich steigenden Metamizol-­Behandlungen sollten weiterhin vor allem in Bezug auf die Indikationen, wiederholte Behandlungen und die Dauer der Therapie stringent beobachtet werden [40]. Die dominierende Rolle des Meta­mizols in der Schmerztherapie lässt nicht nur einen Mangel an sicheren Alternativen erkennen, sondern zeigt vor allem auch den Bedarf an evidenz­basierten und vergleichenden Wirksamkeits- und Sicherheitsstudien [50]. |

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Autor

Isabelle Viktoria Maucher studierte von 2007 bis 2012 Pharmazie in Tübingen und Frankfurt, wurde 2013 approbiert und ist seither Doktorandin in Frankfurt.

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