Prisma

Kynureninstoffwechsel und Suizid

Überschuss an Chinolinsäure schädigt das ZNS

cae | Eine Störung beim Abbau der Aminosäure Tryptophan zu Nicotinsäure spielt bei der Entstehung depressiver Stimmungen und von Suizidgedanken eine Rolle.
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Depressionen haben molekulare Korrelate, die theoretisch durch Arzneistoffe gezielt verändert werden können. Doch mit dem praktischen Einsatz ist noch lange nicht zu rechnen.

Die Aminosäure Tryptophan wird teilweise über den Kynurenin-Stoffwechselweg zu Nicotinsäure abgebaut. Bei Störungen dieses vielstufigen Metabolismus kann es zu psychischen Beeinträchtigungen kommen. So löst eine Akkumulation von Kynurenin, das die Blut-Hirn-Schranke überwindet, depressive Stimmungen aus (s. DAZ 2014, Nr. 42, S. 8). Ähnlich wirkt sich eine Akkumulation von Chinolinsäure (Pyridin-dicarbonsäure) aus, die mithilfe der Decarboxylase ACMSD zu Picolinsäure, einem Isomer der Nicotinsäure, abgebaut wird. Dieser Abbau ist insbesondere bei Personen verlangsamt, die unter chronischen Entzündungen leiden. Stark erhöhte Konzen­trationen der Chinolinsäure im ZNS sind gefährlich, weil sie exzitotoxisch wirken. Die Chinolinsäure bindet agonistisch an NMDA-Rezeptoren von Neuronen, die darauf zunächst Glutamat ausschütten und anschließend so viele Calcium-Ionen aufnehmen und intrazellulär aus Vesikeln freisetzen, dass das Programm zur Selbstvernichtung (Apoptose) gestartet wird. Daher dürfte Chinolinsäure an der Pathogenese von ZNS-Erkrankungen wie M. Alzheimer, Autismus und Schizophrenie beteiligt sein. Wie sie die Suizidalität steigert, ist dagegen noch ein Rätsel.

Schwedische Neurophysiologen haben bei Patienten, die einen Suizidversuch unternommen hatten, im Vergleich zu gesunden Probanden sowohl im Blut als auch in der Zerebrospinalflüssigkeit ein erhöhtes Verhältnis der Chinolinsäure zur Picolinsäure gefunden. Zudem haben sie festgestellt, dass ein bestimmter Polymorphismus im Gen ACMSD die Aktivität des Enzyms beeinflusst, sodass für Depressionen und Suizidalität eine gewisse erbliche Komponente anzunehmen ist. Während andere Neurowissenschaftler bei Patienten mit überschüssiger Chinolinsäure den Einsatz von Ketamin erwogen haben, weil es das Glutamat im ZNS hemmt, streben die schwedischen Autoren eine kausale Therapie an, die die Funktion der ACMS-Decarboxylase normalisiert. Ein solcher Wirkstoff ist also ein großes Desiderat. |

Quellen

Bryleva EY, Brundin L. Kynurenine pathway metabolites and suicidality. Neuropharmacology; Epub 26.1.2016

Brundin L, et al. An enzyme in the kynurenine pathway that governs vulnerability to suicidal behavior by regulating excitotoxicity and neuroinflammation. Transl Psychiatry 2016;6(8):e865

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