Arzneimittel und Therapie

Ohne Impfung kann Tetanus tödlich sein

Die Möglichkeit der Schutzimpfung gegen Wundstarrkrampf führte in den letzten Jahrzehnten zu einem deutlichen Rückgang der Fallzahlen in Deutschland. Dass dadurch jedoch auch das Bewusstsein für die Erkrankung zurückgehen kann, zeigte ein Fallbericht aus Bayern, der leider den Tod der Patientin zur Folge hatte.

Aktueller Fall mahnt zu ausreichendem Impfschutz vor Wundstarrkrampf

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Vorsicht im Garten Auch kaum sichtbare Bagatellverletzungen während der Gartenarbeit können Eintrittspforten für den Tetanus-Erreger sein.

Tetanus wird durch Exotoxine (Tetanolysin und Tetanospasmin) des Bakteriums Clostridium tetani verursacht. Die Sporen kommen vor allem im Erdreich vor und sind widerstandsfähig gegen Hitze und Desinfektionsmittel. Wenn sie nicht dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, können sie im Erdreich jahrelang überleben. Zudem ist es relativ leicht, sich zu infizieren, denn die Voraussetzung ist schlicht eine einfache Verletzung der Haut. Hierbei werden die Sporen oft zusammen mit Fremdkörpern (z. B. Holzsplitter, Nägel, Dornen) unter die Haut gebracht. Die Wunden müssen nicht offen sein, auch kaum sichtbare Bagatellverletzungen können gefährlich sein. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch erfolgt nicht. Die Inkubationszeit beträgt etwa drei Tage bis drei Wochen, kann aber auch zwischen einem Tag und mehreren Monaten liegen. C. tetani vermehrt sich an der Eintrittsstelle, sofern anaerobe Bedingungen herrschen. Das Bakterium produziert Exotoxine, wovon das hochpotente Tetanospamin tonische Krämpfe auslöst und das Tetanolysin hämolytische und eventuell auch kardiotoxische Effekte besitzt. Im ZNS wirken die Exotoxine hemmend auf die reziproke Innervation, sodass ausgehende Impulse eine übertriebene Reaktion verursachen. Es kommt zu klonischen Krämpfen oder respiratorischer Obstruktion bis hin zur Ateminsuffizienz. Die Letalität liegt bei Intensiv­therapie noch immer zwischen 10% und 20%. Ohne Behandlung ist die Sterblichkeit mit durchschnittlich 70% sehr hoch. Todesursachen sind vor allem respiratorische Insuffizienz und kardiovaskuläre Komplikationen.

In Deutschland sind die weit über 100 Tetanus-Fälle im Jahr vor 1970 auf jährlich etwa zehn bis 15 Erkrankungen gesunken, was der erfolgreichen Einführung einer Schutzimpfung gegen Wundstarrkrampf zuzuschreiben ist. Die ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt die Grundimmunisierung, bestehend aus vier Dosen, in den ersten 14 Lebensmonaten sowie weitere zwei Auffrischimpfungen im Kindes- und Jugendalter. Diese erfolgen im Alter von fünf bis sechs Jahren und eine weitere Auffrischung im Alter von neun bis 17 Jahren. Wenn sich ein Kind verletzt und die letzte Impfdosis fünf Jahre oder länger zurückliegt, ist eine sofortige Auffrischung nötig. Darüber hinaus sollten auch Erwachsene alle zehn Jahre ihre bestehende Tetanus-Immunisierung auffrischen, nach Möglichkeit in Kombination mit Diphtherie sowie gegebenenfalls Pertussis und Poliomyelitis. Im akuten Verletzungsfall besteht die Möglichkeit der postexpositionellen Prophylaxe mittels aktiver und passiver Immunisierung. Letztere beinhaltet humane Tetanus-Immunglobuline, die das freie Toxin binden und neutralisieren können.

Todesfall durch Unachtsamkeit

Die erfolgreiche Immunprophylaxe führt mit der Zeit zu einer Impfmüdigkeit. Das reicht von persönlicher Bequemlichkeit bis hin zu mangelnder oder fehlerhafter Aufklärung über die Notwendigkeit und die Vorteile von Schutzimpfungen. Durch die erfolgreiche Reduktion der Zahl von Tetanus-Fällen verringert sich allmählich das Bewusstsein in der Bevölkerung für das Gefahrenpotenzial von Infektionskrankheiten wie Wundstarrkrampf. Hinzu kann eine Angst vor möglichen Impfreaktionen und Impfschäden kommen. Oft ist auch das Klinikpersonal nicht mehr sensibilisiert für selten gewordene Infektionen. Sie können im Rahmen der Diagnosestellung übersehen werden – mit letztlich fatalen Folgen, wie ein nun veröffentlichter Fallbericht aus Bayern zeigte. Eine 82-jährige Frau zog sich während der Gartenarbeit eine tiefe Schnittverletzung zu und suchte daraufhin die Ambulanz eines Krankenhauses auf, um ihre Wunde nähen zu lassen. Nachfolgend suchte die Patientin wegen zunehmender Schmerzen und weiteren Beschwerden wie Gesichtsmuskelverzerrung, Kiefersperre und Schluckstörungen erneut das Krankenhaus auf, woraufhin jedoch nur der Verdacht auf Schlaganfall mittels Computertomographie ausgeschlossen wurde. Eine Tetanus-Infek­tion zogen die Ärzte nicht in Betracht, weder wurde der vorhandene Impfschutz der Frau überprüft, noch bekam die Patientin eine postexpositionelle Tetanus-Prophylaxe im Rahmen der Erstversorgung. Erst der Ehemann der Patientin sprach nach einer Internetrecherche den Verdacht auf Wundstarrkrampf aus, woraufhin die Frau stationär gegen Tetanus geimpft und mit Antibiotika therapiert wurde. Nach einer Verlegung in eine Fachklinik für Neurologie erlitt die Frau eine Sepsis mit Herzrhythmus-Störungen, Leber- und Nierenversagen. Sie verstarb an kardialer Dekompensation am 27. Tag nach der Verletzung im Uniklinikum, wo die Diagnose Tetanus bestätigt werden konnte. Das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, wie der unzureichende Impfschutz der Patientin, das Versäumnis einer akuten Immunprophy­laxe sowie das verspätete Erkennen einer vorliegenden Tetanus-Infektion führten letztlich zum Tod. |

Quelle

Tetanus-Todesfall bei ungeimpfter Rentnerin – ein Fallbericht aus Bayern. Epidemiologisches Bulletin 2016;30:269-272, www.rki.de

Apotheker Dr. André Said


Immer den Impfstatus erfragen!

Ein Kommentar von Prof. Dr. med. habil. Jörg Klewer

Prof. Dr. med. habil. Jörg Klewer

Fast 80 Jahre nach Einführung der aktiven Tetanus-Impfung ist die Tetanus-Erkrankung weiterhin ein globales Gesundheitsproblem mit jährlich ca. 60.000 Erkrankungsfällen, wobei vor allem Neugeborene in Ländern mit weniger leistungsstarken Gesundheitssystemen betroffen sind. Deshalb strebt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an, die Durchimpfungsraten unter anderem gegen Tetanus weltweit auf über 90% zu steigern – ein Ziel, das selbst in Deutschland zumindest bei der älteren Bevölkerung noch nicht erreicht worden ist. Immerhin gelang es der WHO durch intensive Impfprogramme die Zahl der an Tetanus verstorbenen Neugeborenen von ca. 787.000 im Jahr 1988 auf ca. 49.000 im Jahr 2013 zu senken.

Der aktuelle Fall einer Tetanus-Erkrankung in Deutschland offenbart mehrere Aspekte, die letztlich auch für weitere impfpräventible Infek­tionskrankheiten gelten:

Dank guter Durchimpfungsraten ist die Tetanus-Erkrankung mittlerweile so selten, dass sie praktizierenden Medizinern nur noch theoretisch bekannt ist und daher fatalerweise bei der Differenzialdiagnostik vergessen werden kann. Tetanus wird, wie andere Infektionskrankheiten, fälschlicherweise als ausgerottet angesehen, obwohl der Erreger unausrottbar überall in der Umwelt verbreitet ist.

Die einzige Schutzmöglichkeit ist die Tetanus-Impfung. Sie muss in den empfohlenen Abständen aufgefrischt werden, idealerweise in Kombination mit Impfungen gegen weitere Infek­tionskrankheiten.

Im Fall einer (chirurgischen) Versorgung von ambulant erworbenen Verletzungen ist deshalb die Frage nach dem Impfschutz gegenüber Tetanus obligatorisch, um bei fehlendem bzw. unklarem Impfstatus eine entsprechende Immunisierung anzubieten. Somit sollten auch Personen, die beispielsweise Verbandmaterial und/oder Mittel zur Wunddesinfektion in einer Apotheke erwerben, ebenfalls auf ihren Tetanus-Impfstatus angesprochen und gegebenenfalls auf eine notwendige Impfung hingewiesen werden. Ein beigefügter farbiger Hinweiszettel kann dabei als Erinnerungshilfe dienen, zielgerichtet ärztlichen Rat einzuholen.

Idealerweise sollte in allen Institutionen des Gesundheitswesens bei jedem Kunden- bzw. Patientenkontakt dessen Impfstatus angesprochen werden. Durch diese stetige Erinnerung kann für das Thema Impfungen sensibilisiert werden, so dass möglicherweise bestehende Impflücken geschlossen werden. Dadurch ließen sich allein in Deutschland pro Jahr Zehntausende Erkrankungsfälle an impfpräventiblen Infektionskrankheiten verhindern.


Prof. Dr. med. habil. Jörg Klewer (FRSPH), Professor für Pflegewissenschaften, Fakultät Gesundheits- und Pflegewissenschaften der Westsächsischen Hochschule Zwickau

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