Foto: Cherries – Fotolia.com

Recht

Legal oder korrupt?

Experten-Antworten auf Fragen zum neuen Anti-Korruptionsgesetz

Das neue Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen hat in der Apothekerschaft zu einiger Verunsicherung geführt. Zwar wurde praktisch in letzter Minute der Gesetzestext noch so geändert, dass korruptives Verhalten beim Bezug von Arzneimitteln (und anderen Produkten) nur noch dann strafbar ist, wenn das Mittel zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufler gedacht ist – was den „normalen“ Einkauf der Apotheker von der Strafbarkeit ausnimmt. Doch die neuen Tatbestände im Strafgesetzbuch können Apotheker auch in dieser abgespeckten Fassung betreffen. Dazu kommen weitere Regelungen beispielsweise aus dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) oder den Berufsordnungen, die manches Verhalten verbieten, auch wenn es weiterhin nicht strafbar ist. Diese Bestimmungen sind zwar nicht neu, werden aber doch gelegentlich außer Acht gelassen. | Von Benjamin Wessinger 

In einer gemeinsamen Aktion von DAZ.online und DAZ konnten Apothekerinnen und Apotheker in den vergangenen Wochen ihre Fragen zu den neuen (und auch den älteren) Regelungen stellen. Wir haben die Fragen gesammelt und an Juristen weitergeleitet. Neben ausgewiesenen Spezialisten des Apotheken- und Arzneimittelrechts waren auch Strafrechtler unter den Experten.

Dreh- und Angelpunkt sind die neuen Straftatbestände der Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen. Die zentralen Begriffe in diesen Normen sind der „Vorteil“ und die damit verknüpfte Unrechtsvereinbarung.

Niedrige Praxismieten

Mehrere Fragen drehten sich um die Vermietung an Ärzte durch Apotheken. Es sei nicht unüblich, dass Apotheker an Ärzte Praxisräumlichkeiten vermieten, erklärt dazu der Münchener Rechtsanwalt Dr. Christian Tillmanns von der Kanzlei Meisterernst Rechtsanwälte. Das sei – anders als zuweilen behauptet – auch rechtlich einwandfrei möglich. Es sei aber durchaus damit zu rechnen, dass solche Kooperationen zwischen Ärzten und Apothekern verstärkt unter Beobachtung geraten werden. Schwierig werde es, wenn der Mietzins zu niedrig ist, sprich wenn er deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.

Tillmanns weist vor allem darauf hin, dass nach § 11 Apothekengesetz (ApoG) Apotheker mit Ärzten keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen dürfen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben (Ärzten sind solche Geschäfte natürlich ebenfalls untersagt). Diese Vorschriften sollen verhindern, dass Ärzte sich gegebenenfalls genötigt fühlen, die zuwendende Apotheke in irgendeiner Art und Weise zu bevorzugen, etwa durch eine gezielte Zuführung der Patienten an die entsprechende Apotheke.

Umgekehrt bedeutet dies aber: Liegt aus Sicht des Arztes keine solche finanzielle Zuwendung vor, gibt es auch keine Gefahr der Beeinflussung. Damit kann auch kein Verstoß gegen ärztliches Berufsrecht, Apothekenrecht und selbstverständlich auch nicht gegen die neuen strafrechtliche Normen zur Korruption im Gesundheitswesen angenommen werden. Dies bedeutet laut Tillmanns, dass eine Vermietung (oder auch eine Untervermietung) von Praxisräumen an einen Arzt „regelmäßig dann als zulässig anzusehen sein wird, wenn hier der übliche Mietzins gefordert wird“. Zwar spreche sicherlich nichts gegen eine eher am unteren Ende des Üblichen liegende Miete, aber Tillmanns warnt: Eine deutlich unterhalb des ortsüblichen Mietzinses liegende Zahlungsverpflichtung seitens des Arztes könnte als Indiz für eine stillschweigende Absprache einer Bevorzugung des vermietenden Apothekers gewertet werden. Hierfür genügt nach § 32 Abs. 1 Muster-Berufsordnung der Ärzte (MBO-Ä; die in den Länder-Berufsordnungen umgesetzt ist) bereits, wenn durch einen solchen günstigen Mietzins „der Eindruck erweckt“ wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.

Elementar: die „Unrechtsvereinbarung“

Doch selbst wenn der Apotheker dem Arzt eine besonders günstige Miete einräumt, macht er sich deswegen nicht ohne Weiteres nach §299a/b StGB strafbar. Denn nach der Gesetzesbegründung sind rein einseitige Zuwendungen grundsätzlich nicht strafbar – selbst dann, wenn sie über das nach dem ärztlichen oder apothekerlichen Berufsrecht Erlaubte hinausgehen. Hinzukommen muss nämlich als zentrales Element für den Strafbarkeitsvorwurf noch die sogenannte Unrechtsvereinbarung. Um strafbar zu sein, müsste die Miete also gerade deshalb so günstig sein, damit der Arzt den vermietenden Apotheker bevorzugt, beispielsweise indem er seine Patienten an diesen verweist.

Nähe alleine kein „Unrecht“

Tillmanns weist darauf hin, dass dabei nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig vom 23. Februar 2010 (Az. Ws 17/10) nicht alleine der Vorteil genügt, der durch die Nähe einer vermieteten Arztpraxis zu einer Apotheke entsteht. Dieser allein stellt demnach keine Unrechtsvereinbarung dar. Denn die mit der Ansiedlung einer Arztpraxis einhergehenden Vorteile für den Apotheker durch erhöhten Umsatz rezeptpflichtiger Arzneimittel beruhen auf dem Standortvorteil und der Entscheidung der Patienten, in gerade dieser Apotheke ihr Rezept einzulösen. Dass ein Apotheker Interesse daran hat, in seiner Nähe möglichst viele Arztpraxen unterzubringen, erschließt sich – so das Gericht – von selbst. Um das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung zu bejahen, müssten vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ärzte als Gegenleistung für monatliche Zuschüsse oder beispielsweise die Übernahme von Umbauten in den Praxisräumen gezielt auf ihre Patienten eingewirkt haben oder einwirken, ihre Rezepte in der Apotheke des vermietenden Apothekers einzulösen. Vorausgesetzt, dass eine solche Unrechtsvereinbarung nicht vorliegt, kommt eine Strafbarkeit demnach selbst bei Einräumung von im Vergleich zum Marktüblichen besseren Konditionen nicht in Betracht. Dennoch: Wer ganz sicher gehen will, dem rät Tillmanns, sich bei der Vermietung von Praxisräumen im marktüblichen Bereich zu bewegen.

Die Vermietung von Praxisräumen durch Apotheker ist keine Seltenheit. Solange die Höhe der Miete im ortsüblichen Rahmen liegt, ist das auch unproblematisch, sagt der Münchner Rechtsanwalt Dr. Christian Tillmanns

Und ein „Umbau-Zuschuss“?

Prinzipiell ähnlich zu bewerten sind „Zuschüsse“ einer Apotheke an eine Arztpraxis, beispielsweise für einen anstehenden Umbau, sagt Nikolai Venn, Fachanwalt für Strafrecht bei Freyschmidt Frings Pananis Venn Rechtsanwälte, Berlin. Selbst wenn der Apotheker gar nicht erwarte, dass der Arzt im Gegenzug für den gewährten Zuschuss (oder beispielsweise auch ein besonders günstiges Darlehen) der Apotheke Patienten zuführe, würde sich der Apotheker laut Venn „dem dringenden Verdacht aussetzen, dass ein gewisses ‚Wohlverhalten‘ des Arztes zumindest unausgesprochen erwartet“ werde. Dabei helfe auch nicht, dass es durchaus auch andere, wirtschaftlich unmittelbar einleuchtende Gründe für eine solche Investition geben könne, als die Zuführung von Kunden. Venn: „Ob der Anschein einer Unrechtsvereinbarung, die – wie erläutert – aus den äußeren Umständen geschlossen wird, im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ausgeräumt werden könnte, erscheint bei der vorgesehenen Konstellation äußerst fraglich. Das Risiko, dass die Justiz auch bei einer Beteuerung des Gegenteils von einer zumindest schlüssig getroffenen Abrede ausgehen wird, ist überaus hoch.“

Venn warnt außerdem davor, solche Zuschüsse über Dritte zu bezahlen. Hier bestehe das Risiko, dass die Ermittlungsbehörden eine solche Verschleierung der Zahlung gerade „als ein Indiz für den Abschluss einer strafrechtlichen Unrechtsvereinbarung ansehen würden“.

Der Berliner Strafrechts-Experte Nikolai Venn warnt davor, Zuschüsse oder Darlehen an Ärzte über Mittelsmänner abzuwickeln. Das könne als Indiz für eine Unrechtsvereinbarung gesehen werden.

„Freundschaftspreis“ für Ärzte und Mitarbeiter

Viele Apotheken gewähren benachbarten oder „befreundeten“ Ärzten Preisnachlässe auf ihre privaten Einkäufe in der Apotheke. So schilderte ein Apotheker, dass er den Ärzten und auch dem Praxispersonal die Artikel zum Einkaufspreis plus Mehrwertsteuer – also ohne seinen Aufschlag – verkaufe und diese Konditionen auch im Kassensystem hinterlegt habe. Eine Gegenleistung der Praxen gebe es nicht, er erwarte sie auch nicht. Nichtsdestotrotz beliefere er einige dieser Praxen mit Sprechstundenbedarf.

Dr. Daniel Geiger, Rechtsanwalt für Medizinrecht und Partner bei Dierks und Bohle Rechtsanwälte in Berlin weist darauf hin, dass solche Einkaufsvorteile für benachbarte Ärzte ohne Weiteres „Vorteile“ im Sinne der neuen Straftatbestände darstellen. Der Umstand, dass diese „für private Einkäufe“ gewährt werden, dürfe dabei nicht dazu führen, dass der „Zusammenhang mit der Berufsausübung“ entfällt, denn auch und gerade privatnützige Vorteile können durchaus in einen Zusammenhang mit der Berufsausübung gebracht werden. Zudem werden die Vorteile hier gezielt nur Ärzten gewährt, anderen benachbarten Geschäften oder Unternehmen jedoch nicht.

Doch auch im Fall von „Freundschaftspreisen“ muss zur Vorteilsgewährung die Unrechtsvereinbarung treten. Im vorliegenden Fall wäre diese laut Geiger anzunehmen, wenn die Einkaufsvorteile als Gegenleistung für eine Zuführung von Patienten gewährt würden. Das ist jedoch gerade nicht der Fall: Die Einkaufsvorteile werden an keinerlei Bedingungen geknüpft. „Ist dem so, ist auch der Tatbestand des § 299b StGB nicht erfüllt, die gelebte Praxis also nicht strafbar“ antwortete Geiger dem Apotheker. Sie sei vielmehr als eine sogenannte „Wertwerbung“ für die Dienstleistungen der Apotheke anzusehen, mit der allenfalls das „allgemeine Wohlwollen“ der umliegenden Ärzte aktiviert werden soll, was die durch § 299b StGB gesetzten Grenzen – wie der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klarstellt – (noch) nicht überschreitet.

„Freundschaftspreise“ für benachbarte Ärzte und ihre Angestellten dürfen nicht an konkrete Gegenleistungen geknüpft sein, warnt Rechtsanwalt Dr. Daniel Geiger.

Strafbar wäre es allerdings, wenn ein Gegenleistungsverhältnis zwischen Einkaufsvorteilen und Patientenzuführung hergestellt würde. Dieses Gegenleistungsverhältnis muss nicht ausdrücklich vereinbart werden; es genügt auch eine stillschweigende Vereinbarung. Und genau hier liegt der potenziell problematische Aspekt der „Freundschaftspreise“: Ob ein solches Gegenleistungsverhältnis besteht, ist „von außen“ und damit insbesondere auch für Strafverfolgungsbehörden nicht erkennbar. Der Umstand, dass eine Apotheke ausschließlich benachbarten Ärzten gewisse Einkaufsvorteile bietet, kann es für Ermittlungsbehörden daher durchaus nahelegen, der Frage, ob ein (verdecktes) Gegenleistungsverhältnis vorliegt, nachzugehen. Damit besteht für die Apotheken – selbst wenn eine Strafbarkeit am Ende verneint wird – vor allem die Gefahr eines erheblichen Reputationsschadens.

Ähnliches gilt übrigens auch für Rabatte für die Mitarbeiter eines Heims. Ist diese Vorteilsgewährung Gegenleistung dafür, dass das Heim mit der vorteilsgewährenden Apotheke einen Versorgungsvertrag nach § 12a ApoG abschließt oder einen beste­henden Versorgungsvertrag verlängert und damit der Apo­theke Patienten zuführt, kommt eine Strafbarkeit durchaus in Betracht, sagt die Kölner Rechtsanwältin Dr. Sabine ­Wesser.

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft …

Nicht nur Preisnachlässe für Ärzte, Heime und ihre Mitarbeiter sind durchaus verbreitet, sondern auch kleine (oder größere) Aufmerksamkeiten zu Weihnachten oder Geburtstagen. Die Frage nach der Zulässigkeit solcher Geschenke ist deshalb ein Dauerbrenner.

Rechtsanwalt Tillmanns weist darauf hin, dass Ärzte nach ihrer Muster-Berufsordnung von Apothekern keine Geschenke oder andere Vorteile annehmen dürfen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Flankierend zu den Regelungen im ärztlichen Berufsrecht finden sich auch in manchen Apotheker-Berufsordnungen entsprechende Verbote. So sind zum Beispiel gemäß § 19 Nr. 5 der Berufsordnung der Bayerischen Landesapothekerkammer „unangemessene Geschenke und Zuwendungen an Angehörige anderer Heilberufe und Heilhilfsberufe“ verboten. Diese sogenannten „Geschenkeverbote“ sollen eine unsachliche Beeinflussung von gesundheitlichen Entscheidungen vermeiden und die Unabhängigkeit der Heilberufler wahren. Doch wie sieht es nun mit dem Risiko einer Strafbarkeit nach § 299 a/b StGB aus? Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sollen rein einseitige Zuwendungen nach diesen Vorschriften grundsätzlich nicht strafbar sein. Dies gilt nach der Gesetzesbegründung selbst dann, wenn diese über das nach dem Berufsrecht Erlaubte hinausgehen. Das wären auch Geschenke, die beispielsweise nicht mehr als sozialadäquat anzusehen sind oder aus Sicht von Dritten den Eindruck erwecken können, dass die ärztliche/apothekerliche Unabhängigkeit beeinträchtigt ist. Konkret heißt es in der Gesetzesbegründung insoweit, dass „auch bloße Verstöße gegen berufsrechtliche Verbote der Annahme von Vorteilen wie beispielsweise § 32 Abs. 1 MBO/Ä nicht zur Strafbarkeit nach § 299 a StGB führen.“

Ärzte dürfen laut Berufsordnung von Apothekern keine Geschenke annehmen, die die Unabhängigkeit ihrer Entscheidungen beeinflussen könnten. Strafbar wäre das aber nicht, so Rechtsanwalt Dr. Christian Tillmanns.

Auch hier gilt, dass die Unrechtsvereinbarung als zentrales Element Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist. Anders ist das übrigens bei Amtsträgern, wo eine sogenannte „gelockerte Unrechtsvereinbarung“ ausreichen kann. Hier ist es ausreichend, dass mit der Zuwendung nur das allgemeine „Wohlwollen“ des Begünstigten erkauft werden soll. Doch niedergelassene Ärzte sind gerade keine Amtsträger. Diese „Strafbarkeitslücke“ sollen die neuen §§ 299a/b StGB ja gerade schließen – bisher konnten Ärzte selbst bei der Annahme von Bestechungsgeldern für die Verschreibung bestimmter Arzneimittel nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Preis als Indiz für Unrechtsvereinbarung?

Tillmanns betont aber, dass es nicht auszuschließen sei, dass die Strafverfolgungsbehörden die Zuwendung von besonders teuren oder umfangreichen Geschenken gegebenenfalls als Indiz für das Bestehen einer (stillschweigenden) Unrechtsvereinbarung werten. Er rät deshalb dringend, sich an die Vorgaben des Berufsrechts zu halten und nur solche „sozialadäquaten“ Geschenke an Ärzte und deren Personal zu geben, bei denen nicht der Eindruck erweckt wird, dass die ärztliche Unabhängigkeit beeinflusst wird.

Die Frage, in welcher Höhe Zuwendungen noch als „sozialadäquat“ anzusehen sind, ist für Ärzte und deren Personal unterschiedlich zu beantworten. So können Geschenke für Ärzte tendenziell höherwertiger sein also solche für ihr Praxispersonal. Tillmanns bedauert, dass die §§ 299 a/b StGB keine Geringwertigkeits- oder Bagatellgrenze vorsehen. Eine Richtschnur, welche Beträge bei Geschenken an niedergelassene Ärzte noch als sozialadäquat angesehen werden, kann aber zum Beispiel die Auffassung der Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer von vor über zehn Jahren bieten: Danach soll die Wertobergrenze bei 50 Euro liegen. Diese kann auch mit mehreren kleineren Geschenken in einem überschaubaren Zeitraum überschritten werden. Im Klinikbereich sollte man etwas vorsichtiger sein. Zum Teil wird empfohlen, dass ein Geschenk für einen Klinikarzt nicht mehr als 25 bis maximal 40 Euro wert sein sollte. Bei verbeamteten Ärzten – etwa an Universitätskliniken – legen gegebenenfalls dienstrechtliche Bestimmungen noch geringere Obergrenzen für Geschenke fest. Wer hier auf Nummer sicher gehen möchte, sollte vor der Zuwendung eines entsprechenden Geschenkes zur Risikovermeidung die Genehmigung des Dienstherrn beziehungsweise des Arbeitgebers (in der Regel der Kranken­hausverwaltung) einholen.

Und Geschäftsessen?

Was die Einladung von Ärzten zu einem (echten) Arbeitsessen betrifft, verweist Tillmanns als Orientierungsgröße auf eine Leitlinie des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA). Danach ist eine Bewirtung bis zu 60 Euro angemessen. Es muss sich aber nachweislich und dokumentiert um ein Arbeitsessen handeln.

Die neuen Paragrafen

§ 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen) lautet:

„Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er

1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten,

2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder

3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungs­material

einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

§ 299b StGB (Bestechung im Gesundheitswesen) lautet „spiegelbildlich“:

„Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er

1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten,

2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder

3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungs­material

ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Die Sache mit den Blutzucker-Messgeräten

Nicht nur bei Apothekern haben die neuen Paragrafen für Verunsicherung gesorgt, sondern offenbar auch in anderen – großen wie kleinen – Unternehmen. So sind Medizingeräte-Hersteller, die bisher Blutzuckermessgeräte kostenlos an Ärzte zur Weitergabe an die Patienten verteilt haben, dazu übergegangen, die Geräte nun den Apotheken zu überlassen. Nun fragen sich viele Apotheker, ob sie diese Geräte annehmen dürfen. Die Intention der Hersteller bei dieser Praxis dürfte sein, an den entsprechenden Teststreifen zu verdienen, wenn möglichst viele Patienten sich an ihre Geräte gewöhnt haben.

Für die Kölner Apotheken- und Arzneimittelrechtsexpertin Dr. Sabine Wesser lässt sich eine solche „milde Gabe“ weder unter § 299a Nr. 1 StGB (Vorteilnahme bei der Verordnung) noch unter die Nr. 2 (Vorteilnahme beim Bezug zur unmittelbaren Anwendung) subsumieren. Weil Apotheker die Teststreifen weder verordnen noch unmittelbar am Patienten anwenden, kommt für sie lediglich Fallvariante Nr. 3 in Betracht: die Zuweisung von Patienten.

Apotheker sollten sich vom Hersteller keine Blutzuckermessgeräte zur kostenlosen Weitergabe an ihre Patienten schenken lassen, warnt die Kölner Apothekenrechts-Expertin Dr. Sabine Wesser. Das könne als strafbare Vorteilsnahme für die Zuweisung von Patienten gelten.

Dies setzt allerdings voraus, dass es sich bei den Beziehern der Geräte und Teststreifen auch um Patienten handelt. Für Wesser ist der Begriff „Patient“ nicht auf Personen beschränkt, die sich in ärztlicher Behandlung befinden. Gesetze wie das Apothekengesetz und die Apothekenbetriebsordnung gehen selbstverständlich davon aus, dass Apotheken Patienten haben (vgl. z. B. § 11a Nr. 2c ApoG, § 20 ApBetrO). Auch Pflegedienste haben „Patienten“ (s. Häusliche Krankenpflege-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses). Vom Wortlaut des § 299a StGB könnte also jede Person abgedeckt sein, die Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nimmt, gibt Wesser zu bedenken, gleich ob dies ärztliche, pflegerische, pharmazeutische, physiotherapeutische oder andere Leistungen sind.

Was ist ein „Vorteil“?

Aber nimmt der Apotheker auch einen Vorteil an – eine weitere Voraussetzung für die Strafbarkeit? „Dass der Apotheker die Blutzuckermessgeräte nicht für sich selbst verwendet, sondern an seine Kunden weiterreicht, steht der Annahme eines Vorteils nicht entgegen“, gibt Wesser zu bedenken. Denn für den Kunden stellt das (hochwertige) Gerät eine Zuwendung der Apotheke dar. „Man sollte sich nicht zu der Annahme verleiten lassen, dass es für eine Vorteilsgewährung im Sinne des § 299a StGB der Erzielung eines ‚Gewinns‘ oder einer ‚Budgetentlastung‘ bedarf“, warnt Wesser. Laut der amtlichen Begründung zum Gesetzentwurf fallen sämtliche Vorteile unter den Tatbestand, unabhängig davon, ob es sich um materielle oder immaterielle Zuwendungen handelt. „‚Vorteil‘ ist daher alles, auf das der Empfänger keinen Rechtsanspruch hat und das seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert“, sogar eine Ehrung oder ein Ehrenamt, ja selbst die Vornahme sexueller Handlungen zählen dazu, so Wesser. Es müsse damit gerechnet werden, dass die Möglichkeit, durch kostenlose Abgabe von Medizinprodukten Imagewerbung für die eigene Apotheke zu betreiben, als Vorteil im Sinne des § 299a StGB gewertet wird.

Für die Annahme einer „Unrechtsvereinbarung“ dürfte es laut Wesser ausreichen, dass der Apotheker durch die kostenlose Abgabe der Geräte seinen Willen zum Ausdruck bringt, auf diese Weise den Absatz der für das Gerät passenden Teststreifen zu fördern. Dazu muss dieses Verhalten des Apothekers gar nicht von Erfolg gekrönt sein. Es genügt, wenn nach der Vorstellung des Täters der Wettbewerb unlauter beeinflusst werden soll.

Unlauter ist die Bevorzugung laut Wesser schon deshalb, weil sowohl die Annahme der kostenlosen Geräte wie auch ihre Weitergabe an die Patienten mit dem Heilmittelwerbegesetz (HWG) unvereinbar ist. Die kostenlose Abgabe des Blutzuckermessgeräts bewertet Wesser als produktbezogene Werbung für die Teststreifen. Das wäre nur zulässig, wenn es sich bei dem Gerät um einen „geringwertigen Gegenstand“ handelte. Doch das hält Wesser für ausgeschlossen: Der Wert des Geräts liege schon über der Geringwertigkeitsgrenze (die der Bundesgerichtshof in seiner „Klinikfahrdienstentscheidung“ bei einem Wert von fünf Euro auf jeden Fall schon als überschritten angesehen hat). Auch als „handelsübliches Zubehör“ zu den Teststreifen könne man die Messgeräte nicht sehen: nach § 3 Nr. 9 Medizinproduktegesetz sind „Zubehör für Medizinprodukte“ (was die Teststreifen sind) ausdrücklich „Gegenstände (…), die selbst keine Medizinprodukte sind (…) aber vom Hersteller dazu bestimmt sind, mit einem Medizinprodukt verwendet zu werden“. Blutzuckermessgeräte sind aber unzweifelhaft Medizinprodukte.

Als Ergebnis hält Wesser deshalb fest, dass Apotheker, die sich Blutzuckermessgeräte schenken lassen, die nur mit den Teststreifen bestimmter Hersteller betrieben werden können, ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten könnten. Und sie warnt: „Die mancherorts vertretene Auffassung, aufgrund der in letzter Minute erfolgten Beschränkung der „Bezugsvariante“ des § 299a Nr. 2 StGB auf Arznei- oder Hilfsmittel, die zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen bestimmt sind, könnten Apotheker nur noch Täter einer aktiven Bestechung nach § 299b StGB sein, ist jedenfalls riskant.“

Image-Gefahr Ermittlungsverfahren

Viele Apotheker, die uns geschrieben haben, wollten nicht nur eine Bewertung der strafrechtlichen Relevanz, sondern auch eine Einschätzung, wie groß das Risiko ist, dass die Staatsanwaltschaft (oder auch die Apothekenaufsicht oder die Kammer) Ermittlungen einleitet, wenn sie Kenntnis von bestimmten Vorgängen erlangt.

Daniel Geiger weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Ermittlungsverfahren beträcht­liche Schäden am Image der Apotheke und der Reputation des Apothekers anrichten kann – selbst wenn nachher keine strafrechtlichen Konsequenzen folgen sollten.

Apotheker sollten auch den Reputationsschaden bedenken, der durch ein Ermittlungsverfahren ausgelöst werden kann, gibt Rechtsanwalt Dr. Daniel Geiger zu bedenken. Selbst wenn am Ende keine strafrechtlichen Konsequenzen folgen.

Und die Hürden für ein Ermittlungsverfahren sind niedrig, dazu genügt ein „Anfangsverdacht“. Für diesen wiederum reicht es aus, dass es nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt. Ist das der Fall, sind die Strafverfolgungsbehörden nach dem sogenannten Legalitätsprinzip zur Einleitung von Ermittlungen verpflichtet, jedenfalls dann, wenn es sich wie im Falle des § 299b StGB um ein sogenanntes Offizialdelikt handelt, das von Amts wegen und unabhängig von einem Strafantrag verfolgt wird.

Dass Ermittler im Fall von ausschließlich Ärzten (und dem Arztpersonal) eingeräumten Einkaufsvorteilen einen Anfangsverdacht für weitere Ermittlungen begründen könnten, ist nicht ausgeschlossen. Geigers Rat: „Deshalb sind alle Akteure im Gesundheitswesen gut beraten, diesen Umstand im Rahmen ihrer Marketingmaßnahmen und auch Kooperationen mit (anderen) Heilberufsangehörigen zu berücksichtigen.“ |

Autor

Dr. Benjamin Wessinger, Apotheker, ist Chefredakteur der Deutschen Apotheker Zeitung.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.