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DAZ aktuell
Sorgenkind Lieferengpässe
Jour Fixe im BfArM gestartet – gesetzliche Vorratspflicht gefordert
Die Politik nimmt Lieferengpässe bislang nur bedingt ernst. Sie sieht zwar, dass es immer wieder Schwierigkeiten gibt – zu Versorgungsengpässen komme es deshalb aber noch nicht, betonte das Bundesgesundheitsministerium wiederholt. Es sah daher auch noch keinen Anlass, die öffentlichen Engpass-Listen des BfArM und des Paul Ehrlich Instituts (PEI) zu verschärfen. Bislang melden die Hersteller hier ihre Engpässe freiwillig. Von vielen Seiten wurde bereits eine Meldepflicht gefordert – nicht zuletzt vom BfArM selbst.
Doch bevor die Politik eine Meldepflicht prüft, will sie andere Maßnahmen ergreifen. Im Pharmadialog hat sie sich immerhin auf einige Vereinbarungen eingelassen, mit denen Engpässe besser vermieden werden sollen. Unter anderem soll das PEI künftig über die freigegebenen Produktionsmengen von Impfstoffen informieren können. Auch ein Jour Fixe unter Beteiligung der Bundesoberbehörden und der Fachkreise soll regelmäßig stattfinden. Hier soll die Versorgungslage beobachtet und bewertet werden.
Am 8. September ist der Jour Fixe mit Vertretern der Apothekerschaft, der Pharmaverbände, des Großhandels und der Fachgesellschaften zum ersten Mal zusammengekommen. Das Treffen auf Arbeitsebene dürfte zunächst dem Zweck gedient haben, sich eine Agenda und einen weiteren Terminplan zu erstellen. Reden wird man hier auch über die geplante Liste versorgungsrelevanter, engpassgefährdeter Arzneimittel.
Indessen bleiben Lieferengpässe ein Problem. Sie waren vorige Woche auch Thema der TV-Sendung „defacto“ des Hessischen Rundfunks. Konkret ging es hier um das immer wieder fehlende Zytostatikum Alkeran® (Wirkstoff Melphalan). Zu Wort kam in dem Beitrag auch Hilko Meyer, Professor für Recht an der Frankfurt University of Applied Sciences, – ein Jurist mit langer Berufserfahrung in den Verbänden der Apotheker, des Großhandels und der pharmazeutischen Industrie. Ihm reichen die im Pharmadialog vereinbarten Maßnahmen nicht: „Informationen über Lieferengpässe beseitigen diese nicht, sondern erleichtern allenfalls den Umgang damit“, erklärt er. Denn das helfe den Patienten bei lebenswichtigen Medikamenten nicht weiter. „Wenn die Länder ein Problem darin sehen, Lieferengpässe behördlich festzustellen, sollte der Gesetzgeber auf Bundesebene eine Vorratspflicht für pharmazeutische Unternehmer einführen.“ Und das möglichst schnell, fordert Meyer, zumindest für Arzneimittel, die zur Vorbeugung oder Behandlung schwerwiegender Erkrankungen benötigt werden. Apotheken, Krankenhäuser und Großhändler kennen solche Pflichten bereits. Meyer erklärte, dass der Gesetzgeber eine stärkere Kontrolle der Lieferfähigkeit von Arzneimittelherstellern wegen des damit verbundenen Eingriffs in die unternehmerische Freiheit bislang nicht umgesetzt habe.
Nach geltendem Arzneimittelrecht sind die Anbieter von Arzneimitteln bereits heute verpflichtet, die angemessene und kontinuierliche Bereitstellung des Arzneimittels sicherzustellen. Den Überwachungsbehörden fehlen allerdings entsprechende Kontroll- und Sanktionsbefugnisse. 2012 unternahm die Bundesregierung zwar einen Anlauf, solche einzuführen – doch im weiteren Gesetzgebungsverfahren verschwanden die geplanten Neuregelungen wieder aus dem Gesetzentwurf. Man monierte seinerzeit, dass zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet würden. Kürzlich hatten sich die Bundesärztekammer und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft dafür ausgesprochen, diesen alten Vorschlag wieder aufzugreifen. |
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