Fotos: Bahnhof-Apotheke

Die besondere Apotheke

Die Apotheke mit dem gläsernen Steg

Was die Bahnhof-Apotheke in Kempten einzigartig macht

Bahnhof-Apotheke – was in anderen Städten eher nach rascher Arzneimittelversorgung von Reisenden klingt, ist in Kempten, der „Hauptstadt des Allgäus“, zu einem mittleren Gesundheitsbetrieb herangewachsen. Schöpfer dieser Gesundheitswelt, die aus drei Apotheken, einer Manufaktur für Aromamischungen, einem Naturkostladen mit Bistro, einem Blumenladen und einer Kita besteht, ist Apotheker Dietmar Wolz. Doch bei aller Größe des Betriebs: Herzstück ist die Apotheke, die Beratung der Kunden, die pharmazeutische Arbeit, wie Wolz versichert. Ich durfte mir die Betriebe ansehen. Fühlt man sich mit diesen Unternehmen eigentlich noch als Apotheker oder ist man da schon eher Manager, Herr Wolz? | Von Peter Ditzel

Wir treffen uns in der Kantine seines Unternehmens. Es ist zugleich der Aufenthaltsbereich der Mitarbeiter. „Wir nennen es Marktplatz“, so Wolz, hier treffen sich alle Mitarbeiter, egal, ob sie in der Apotheke, im Herstellbereich oder im Naturkostladen arbeiten. Es ist ein großer hoher Raum mit Holzfußboden, eigens entworfenen und gebauten Tischen und Stühlen, alles in warmem Holz, versteckte Schalldämmung an der Decke und an den Wänden. Nicht zu übersehen ist die Theke, hinter der das Mittagessen zur Selbstbedienung bereitsteht. Der Raum strahlt eine ruhige Atmosphäre aus. Das Essen kommt aus der Bioküche des hauseigenen Bistros und wird in die Kantine gebracht, wo es dann für die Mitarbeiter zur Verfügung steht. Morgens gibt es für alle eine Brotzeit, die ebenfalls in der Bistroküche angerichtet wird. Die Kantine wird aber auch für Besprechungen genutzt, für den Jour fixe der Abteilungen. Hier werden offen und für alle transparent Probleme besprochen, Aktionen geplant, Fragen geklärt.

Dietmar Wolz, 57, ist Schwabe. Der gebürtige Esslinger studierte in Tübingen Pharmazie. Schon zu Studienzeiten interessierte er sich für die naturheilkundliche Richtung und hörte gerne Homöopathie-Vorlesungen und -Vorträge. Nach dem Studium stürzte er sich nicht unmittelbar in das Abenteuer einer eigenen Apotheke, sondern sammelte einige Erfahrungen. Gleichwohl, das Ziel, sich selbstständig zu machen, steckte in ihm. Für ihn war klar: „Ich wollte nicht die klassische Apotheke, in der nur Arzneimittel abgegeben werden und beraten wird. Ich wollte in meiner Apotheke auch selbst etwas herstellen.“ Nach einigem Suchen fand er 1985 ein Objekt, das Platz bot für Eigenherstellung in größerem Stil, für Defektur und mehr, viel mehr: die Bahnhof-Apotheke in Kempten.

Die etwas andere Apotheke

Es gibt sie, die Apotheken, die eine besondere Philosophie haben, die außergewöhnliche Ideen verwirklichen oder eine besondere Stellung haben. Kurzum, Apotheken, die anders sind als andere. In unserer Rubrik „Die be­sondere Apotheke“ stellen wir solche Apotheken vor. Dieses Mal besuchten wir die Bahnhof-Apotheke in Kempten.

Das Unternehmen Bahnhof-Apotheke

„Vieles war Zufall oder hat sich einfach ergeben“, räumt Apotheker Wolz ein, „als ich vor über 30 Jahren als Pächter in die Bahnhof-Apotheke in Kempten einstieg, war in der Tat nicht absehbar, was daraus entstehen würde.“ Und das ist das Unternehmen im Jahr 2016: die Bahnhof-Apotheke mit ihren Filialen Bahnhof-Apotheke im Klinikum und Rochus-Apotheke in Wangen, der Herstellbetrieb für die Stadelmann-Produkte, das Kosmetikstudio der Bahnhof-Apotheke, der Purnatur-Naturkostladen mit Bistro, der Purnatur-Blumenladen, eine Kindertagespflege und ein Duftgarten. Rund 300 Mitarbeiter hat Wolz angestellt, davon sind in den Apotheken und im Herstellbetrieb 24 approbierte Mitarbeiter (22 Frauen, 2 Männer) tätig, außerdem 80 PTA und 28 PKA, von denen 12 als PKA in den Apotheken arbeiten: „Warenwirtschaft ist bei uns schon ein großes Thema“, so Wolz.

Im Herstellungsbetrieb, dem zweiten großen Standbein des Unternehmens, arbeiten derzeit rund 150 Personen. Und etwa 65 Mitarbeiter sind im Naturkostladen mit Bistro beschäftigt. Allerdings gibt es in dem Unternehmen zahlreiche PTA, die sowohl in der Apotheke arbeiten als auch im Bereich Herstellung.

Das Haus der Bahnhof-Apotheke in Kempten ist durch einen gläsernen Steg mit dem Herstellungsbetrieb verbunden.

Die Apotheken

Einen Schwerpunkt seiner Apotheken sieht Wolz in der naturheilkundlichen Ausrichtung, angefangen bei der Homöopathie und der Phytotherapie bis hin zur Aromatherapie. Im Dienstleistungssortiment seiner Apotheken ist nahezu alles vertreten, was eine Apotheke heute überhaupt anbieten kann, von der Diabetesberatung über die Ernährungsberatung bis hin zur Medikationsanalyse, außerdem Wund­management und die Herstellung von Schmerzkassetten für Schmerzpumpen. Wie behält man da noch den Überblick, wie steuert man so eine Apotheke, möchte ich von ihm wissen. „Meine Mitarbeiter werden meist selbst aktiv“, erklärt es Wolz, „sie organisieren sich in kleinen Gruppen. Ein Beispiel: Eine PTA, die eine Kosmetikausbildung absolviert hat, begeistert noch zwei weitere PTAs. Sie treten mit der Idee an mich heran, ein Kosmetikstudio einzurichten. Ich schlage ihnen vor, ein Konzept dazu zu entwickeln. Wenn es mich überzeugt, machen wir’s. Im Fall des Kosmetikstudios war und bin ich überzeugt. Oder beispielsweise im Bereich der Tierarzneimittel: Eine Mitarbeiterin ist Tierheilpraktikerin, eine andere ist in der Ausbildung zur Tierheilpraktikerin, und wieder eine andere ist extrem tierfreundlich und kann mit Tieren besonders gut umgehen und hat viele Fortbildungen zu Tierarzneimitteln besucht. Da bildet sich schnell ein Team, das mit Begeisterung den Bereich der Tierarzneimittel ausbaut. Nach diesem Muster habe ich einige weitere kleine Teams in der Apotheke, z. B. für Spagyrik, für Schüß­ler-Salze, für Homöopathie. Das ist der Vorteil, wenn man einen großen Stamm an Mitarbeitern hat“, zeigt sich Wolz zufrieden. Dazu gehören aber auch Vertrauen in die Mitarbeiter haben, delegieren können, Verantwortung übertragen, loslassen können und immer wieder Gespräche mit den Mitarbeitern führen, lässt sich aus den Ausführungen von Wolz heraushören. „Ich lasse meine Mitarbeiter machen, frage die Teams, was sie benötigen, welche Materialien, und erhalte dann Rückmeldung, wie die Projekte laufen.“

In seinen Apotheken wird Beratung groß geschrieben, „das ist unser Kernelement, wo wir wirklich punkten können“, zeigt sich Wolz überzeugt. „Allerdings“, so räumt er ein, „für Beratung wollen die Kunden nicht bezahlen. Nur ein Beispiel: Für eine ausführliche Ernährungsberatung sind die meisten Kunden sehr offen, aber dafür bezahlen will keiner. Nur in Ausnahmefällen können wir für die halbe Stunde 30 Euro abrechnen. Ab und an bekommen wir sogar ein grünes Rezept, auf dem der Arzt eine Ernährungsberatung verordnet hat.“ Für Wolz ist die Beratung daher in erster Linie Kundenbindung, Imagepflege, „es gehört einfach zum Produkt dazu, damit unterscheiden wir uns vom Supermarkt“.

Auch die Prävention hat für Apotheker Wolz einen besonderen Stellenwert. Die Bahnhof-Apotheke versucht vor allem, Schülern die Bedeutung einer gesunden Ernährung und ausreichender Bewegung zu vermitteln, und hat daher seit 2008 ein Schulprojekt aufgelegt. „Zwei Mitarbeiterinnen sind hier jeweils fünf Tage an fünf Schulen und unterrichten eine Doppelklasse Fünftklässler in der Hauptschule“, so Wolz, „eine Klasse bekommt Infos zum Thema Bewegung und die andere hat Ernährung als Fach und dann wechselt es. Auch in der sechsten und siebten Klasse werden bestimmte Unterrichtseinheiten wiederholt.“ Dieses Schul­projekt ist mittlerweile bei der Schule und der Stadt voll etabliert und wird sogar vom Landkreis und der Gemeinde bezuschusst. Wolz: „Ein Rektor wunderte sich, wie sich die Brotzeitdose der Schüler im Lauf der letzten Jahre zum Positiven hin veränderte. Wir nehmen auch Einfluss auf das Essen, das in der Schule angeboten und verkauft wird. Gesunde Ernährung kann schmecken. Wichtig ist, dass die Kinder lernen, auch die Zusammensetzung der Fertig­lebensmittel wahrzunehmen und sich die Zutatenliste anzusehen. Oder wir bereiten in der Schulküche mit den Kindern ein gesundes Frühstück zu. Ich habe unlängst auch eine Diätassistentin eingestellt, mir ist dieser Bereich sehr wichtig und ich werde ihn noch ausbauen. Und im Fach Bewegung lernen die Kinder, dass der Energieverbrauch vor dem Computer oder Fernseher deutlich weniger ist, als wenn sie auf dem Platz Fußball spielen.“ Das Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen (WIPIG) hat Wolz und seine Bahnhof-Apotheke für dieses Projekt 2009 mit dem ersten Preis ausgezeichnet.

Gute Beratung, engagierte Mitarbeiter – das geht nicht ohne Fort- und Weiterbildung. Für Wolz und seine Teams gehört Fortbildung unbedingt dazu, wobei er dies auch finanziell unterstützt. Der Betrieb übernimmt die Fortbildungen ab 1000 Euro. Scheidet ein Mitarbeiter allerdings vor einer fünfjährigen Betriebszugehörigkeit aus, sind die Fortbildungskosten anteilig zurückzuzahlen, pro Jahr Betriebs­zugehörigkeit zwanzig Prozent.

Die Kantine der Bahnhof-Apotheke, der „Marktplatz“, ein Treffpunkt nicht nur zur Mittagszeit, sondern auch für Besprechungen.

Der Herstellungsbetrieb

Seit 1988 produziert Wolz die Stadelmann-Produkte, die in Zusammenarbeit mit der Hebamme Ingeborg Stadelmann entwickelt wurden, eine Zusammenarbeit, die bis heute besteht und weiterhin gepflegt wird. Es sind Aromamischungen, durchwegs Pflegeprodukte, wie beispielsweise ätherische Ölmischungen, Badesalze, Ölbäder, Duschgels, Pro­dukte für die Babypflege, zur Gesichts- und Fußpflege, Erfrischungsdüfte, Ölmischungen für die Krankenpflege und vieles mehr. Diese Produkte werden als Kosmetika vertrieben. Besonderer Wert wird auf die Qualität der Ausgangssubstanzen gelegt, auf die Analytik, der Preis steht nicht im Vordergrund. Zusätzlich hat er zwei Medizinprodukte im Sortiment, ein Nasenöl zum Befeuchten und ein Ohrenöl für Hörgeräteträger. Sein Herstellbetrieb nach AMG füllt darüber hinaus Triturationen und Globuli ab (z. B. Aufbaumittel N Stadelmann, ein homöopathisches Komplexmittel). Ein über 60 Seiten starker Katalog gibt ausführlich Auskunft über das Angebot.

„Ja, wir sind eine große Manufaktur, fast alles machen wir hier in Handarbeit. Unterstützt werden wir seit Kurzem von einem Mischgerät, das die Homogenisierung erleichtert“, so Wolz. „Unser Ziel ist es, so weit wie möglich auf Zusatzstoffe bei unseren Produkten zu verzichten, keine Stabilisatoren und sonstige Hilfsstoffe einzusetzen.“

Sein Herstellungsbetrieb ist zudem Lohnhersteller für an­dere pharmazeutische Unternehmen, für Apotheken und Krankenhäuser. „Es sind z. B. Palliativabteilungen, die bei uns Mischungen bestellen, aber auch die Geburtsabteilungen von Krankenhäusern. Es ist schon eigenartig: Der Beginn des Lebens, der Kreißsaal, und der Palliativbereich, das Ende des Lebens – das sind die beiden Bereiche, in denen man zur Pflege der Menschen auf Ätherische-Öl-Produkte gerne zurückgreift“, sinniert der Apotheker. „Unsere Ansprechpartner sind einerseits die Hebammen, andererseits die Schwestern, die im Hospiz tätig sind. Es sind Bereiche, wo die klassische Schulmedizin am Ende ist, hier geht es mehr um nonverbale Kommunikation, die Angehörigen möchten eine Massage bei den Patienten machen, eine Einreibung, eine Waschung. Die ätherischen Öle helfen auch dabei, den Abstand, der sich durch unangenehme Gerüche ergibt, zu verringern.“

Die Mitarbeiter

Ein großes Thema für Wolz sind die Mitarbeiter, vor allem Mitarbeiter-Gespräche. Bei 300 Mitarbeitern ist das nicht ohne. Klar, er hat eine Personalchefin eingestellt, aber er musste auch Strukturen im Bereich der Mitarbeiter schaffen. „Jetzt haben wir es so geregelt, dass wir Teams in den Apotheken gebildet haben, die für bestimmte Aufgaben zuständig sind. Andererseits sind die Mitarbeiter gewohnt, dass ich der direkte Ansprechpartner bin. Sie haben eine Frage, ein Problem, und bei mir bekommen sie sofort eine Antwort. Ich versuche, dies auch weiterhin so zu hand­haben, quasi ein Chef zum Anfassen zu sein.“ Das ließ und lässt sich aber leider nicht immer durchhalten, wie er einräumt.

Ist die Personalsuche ein Problem? „Eigentlich nicht. Wir bilden relativ viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst aus. Wir haben verhältnismäßig viele Initiativbewerbungen“, zeigt sich Wolz zuversichtlich und fügt hinzu: „Ich glaube nicht, dass sich potenzielle Mitarbeiter bei uns aus Gehaltsgründen bewerben. Ich stelle zu Tarifkonditionen ein, später kann es dann auch mal zehn bis zwanzig Prozent über Tarif geben. Ich denke, dass das Gesamtpaket, unser Arbeitsplatz Bahnhof-Apotheke mit allem, was dazugehört, attraktiv ist. Bis hin zum Angebot, einen Kita-Platz zu haben. Für viele passt hier die Work-Life-Balance besser, dafür verzichten manche sogar auf einen besser dotierten Platz in der Industrie“, weiß Wolz. Viele seiner Mitarbeiter arbeiten mit einer Vier-Tage-Woche.

Wie die Gesundheitswelt der Bahnhof-Apotheke entsteht

Der Zufall will es, dass er 1988 bei einem Geburtsvorbereitungskurs für Paare die Hebamme Ingeborg Stadelmann kennenlernt. Er tauscht sich mit ihr fachlich aus. Sie bringt ihre Erfahrungen mit der Anwendung von ätherischen Ölen im Rahmen der Geburtshilfe ein, er steuert die galenische, die pharmazeutische Seite bei. Entstanden sind daraus die mittlerweile deutschlandweit bekannten und nachgefragten Stadelmann Aromamischungen, Tees und viele weitere Produkte.

Die Produktion wächst, die Apothekenräume werden zu eng. Ein an die Apotheke angrenzendes Gebäude, früher ein Hotel, steht zum Verkauf. Wolz und Stadelmann kaufen 1997 das Gebäude, bauen es um und nennen es „Rosenhof“, um die Zusammenarbeit, die 1988 mit ätherischem Rosenöl begonnen hatte, im Namen widerzuspiegeln. In den Rosenhof ziehen die Hebammenpraxis und Arztpraxen ein. Es kann ein Durchbruch zum Gebäude der Bahnhof-Apotheke geschaffen werden, so dass die Raumeinheit mit der Bahnhof-Apotheke hergestellt wird, woraus eine zweite Offizin resultiert und Räume für den Herstellungsbetrieb.

Die Stadelmann-Produkte entwickeln sich zum Renner, der Manufakturbetrieb muss vergrößert werden. Im Rosenhof wird’s eng. Wolz sucht nach größeren Räumen, auch hier spielt wieder der Zufall mit: Auf der von der Apotheke gegenüberliegenden Straßenseite beabsichtigt 2013 ein Investor, ein Bestandsgebäude zu kaufen. Das bringt Wolz auf eine Idee: Der Investor kauft das Gebäude und stockt es auf, den Innenausbau mit den Anforderungen für einen pharmazeutischen Herstellbetrieb übernimmt Wolz, eine günstige Miete und ein langfristiger Mietvertrag vorausgesetzt. Wolz: „Es fehlte nur noch die von der Apothekenbetriebsordnung geforderte Raumeinheit mit der Apotheke.“ Schwaben erweisen sich bei solchen Problemen als erfinderisch: Wolz fotografiert einen gläsernen Steg, den es zwischen zwei Schulgebäuden gibt und den er sich als Verbindung zwischen Apotheke und Neubau auf der anderen Straßenseite vorstellen kann. Mit diesem Bild geht er zur Stadtverwaltung, wo er, wie nicht anders erwartet, auf Skepsis stößt. „Einen gläsernen Steg über der Straße – das konnte man sich städtebaulich nicht vorstellen“, so Wolz, „aber ich gab nicht auf. Ich ließ eine Fotomontage anfertigen, wie das konkret zwischen Apotheke und Neubau aussehen könnte, und zeigte sie unserem Oberbürgermeister. Das fand bei ihm Anklang, und schließlich ging das Bauwerk einstimmig durch den Stadtrat.“ Die Raumeinheit der neuen Räume mit der Apotheke war dadurch hergestellt. Seit dem 18. November 2015 überspannt in rund acht Metern Höhe ein gläserner Steg die Kotterner Straße in Kempten und verleiht ihr Tor-Charakter.

Das Innere des neuen Gebäudes lässt Wolz in Holzbauweise erstellen, was nicht unbedingt günstiger war, aber eine gewisse Nähe zur Natur betont, zur naturheilkundlichen Ausrichtung. Der Neubau beherbergt einen großen Reinraum Klasse C für die Produktion der Aromamischungen und anderer Stadelmann-Produkte. Eine für solche Räume notwendige Lüftungsanlage ist in einem eigenen Technikraum im ersten Stock des Gebäudes installiert. Im Neubau sind auch die Abteilungen für die Konfektionierung der Produkte untergebracht, das Lager, das Callcenter für die Bestelleingänge und die große Mitarbeiter-Kantine. Die neuen Räume sind aufwendig ausgebaut. Extrem viel Wert legt Wolz auf die akustische Schalldämmung. In allen Arbeits- und Aufenthaltsräumen sind schallabsorbierende Materialien verbaut und Schallabsorber angebracht. Auch die Qualität der Arbeitsplätze ist außerordentlich hoch. Die meisten Arbeitstische sind beispielsweise in der Höhe verstellbar.

PurNatur – der Naturkostladen mit Bistro der Bahnhof-Apotheke Kempten.

Apotheke mit Naturkostladen und Bistro – wie geht das?

„Eigentlich hat es sich durch Zufall ergeben, geplant war das von Anfang nicht“, erklärt mir Wolz seine Unternehmungen in Sachen Naturkostladen mit Bistro und Blumenladen. „Ich bin schon eher einer, der sagt, Schuster bleib bei deinen Leisten.“ Und dennoch wagt er einen Abstecher in andere Welten. Der Architekt hatte für die projektierte Aufstockung des neuen Gebäudes im Erdgeschoss Räume für einen Biosupermarkt bzw. einen Buchhandlung mit Café eingezeichnet. Als sich die Pläne des Buchhändlers zerschlagen, finden Mitarbeiter von Wolz Gefallen an der Idee, selbst einen Bioladen in diesen Räumen einzurichten. Die Idee infizierte ihn: „Allerdings habe ich mich nur darauf eingelassen, weil die Räume in unmittelbarer Nähe zur Apotheke liegen. Schließlich kam es sogar soweit, dass wir gesagt haben, wir machen auch das Bistro, bewirtschaften die Küche selbst und nehmen keinen Caterer.“

Sein Naturkostladen und Bistro „PurNatur“ ist mit feinen Holzregalen bestückt, angefüllt mit Bio-Lebensmitteln aller Art. Der Laden hat sogar eine Abteilung für frisches Obst und Gemüse, Brot und Kuchen sowie eine Fleisch-, Wurst- und Käsetheke. Um den Natur-Charakter zu betonen, hat Wolz auf Vorschlag seines Schreiners sogar Einkaufswägen aus Holz anfertigen lassen. Zwischen den Regalen und Verkaufsgondeln finden sich Bistrotische und Hocker, an denen man die Speisen der warmen Theke zu sich nehmen kann. Täglich gibt es verschiedene Gerichte, vegan, vegetarisch, mit Fleisch oder Fisch, Salate und Quiches zur Auswahl, dazu Wasser, Säfte, Wein oder Bier. Die Speisen sind rasch auf dem Teller, sie sind preiswert und von sehr guter Qualität, frisch gekocht in der eigenen Bistroküche. Besonders lecker: das selbst hergestellte Bio-Eis. Das Bistro wird von den Kunden gut angenommen: „Innerhalb eines Monats haben wir täglich schon 200 Essen ausgegeben. Der Zustrom hält weiter an.“ Einen weiteren Schub erhofft sich Wolz vom Parkhaus im Haus, das demnächst eröffnet wird.

Von der guten Küche des Naturkostladens profitieren im Übrigen alle Mitarbeiter: Die Küche kocht die Mittagessen für die hauseigene Kantine der Bahnhof-Apotheke.

Im Naturkostladen gibt’s Bio-Lebensmittel aller Art, auch frisches Obst und Gemüse, eine Wurst-, Fleisch-, Käse- und Brot-Theke und ein Bistro mit frisch zubereiteten Speisen.

Noch ein paar Blumen?

Der Blumenladen „PurNatur“ war ebenfalls eine Zufallsentscheidung. „Durch die Verlegung des PurNatur-Ladens wurde eine Fläche im Apotheken-Gebäude frei“, erzählt Wolz. „Außerdem passt ein Blumenladen gut ins Straßenbild, er belebt, er bringt Farbe. Ich habe hier zwei Floristinnen als Kernteam eingestellt, die von drei Mitarbeiterinnen aus der Apotheke unterstützt werden, die ein Händchen für Blumen und zum Teil eine gärtnerische Ausbildung haben.

War es schwierig für Wolz, sich neben der Apotheke mit anderen Sortimenten wie Biolebensmittel, Blumen und Gastronomie zu befassen? „Das war und ist kein Problem für mich, das machen meine zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in diesen Sortimenten und Bereichen Erfahrung haben, vollständig alleine und selbstständig. Ich habe z. B. meine Floristinnen nur gefragt, welche Einrichtung sie für den Laden möchten, ich habe mein O.K. dazu gegeben. Und alles andere machen sie selbstständig.“ Auch in die Küche mischt sich Wolz nicht ein: „Ich bin nur ein gefragter Tester, weil ich mittags dort esse“, lacht der Apotheker.

Eine Kita, nicht nur für die Apotheke

Darüber freut sich Wolz besonders: „Wir haben auch eine Kindertagesstätte. Wir sind eine der ersten dieser Art hier im Regierungsbezirk.“ Geleitet wird sie von einer erfahrenen Erzieherin und einer Kinderpflegerin. Unterstützt wird das Team durch zwei Mitarbeiterinnen, die auch in der Apotheke beschäftigt sind und eine Tagesmutterzulassung haben, um in der Kita einzuspringen. „Insofern können wir Urlaubs- und Krankheitszeiten relativ gut auffangen“, so Wolz.

Die Kita darf zehn Kinder parallel betreuen, insgesamt hat sie 16 Vertragsverhältnisse, da nicht alle Kinder die gesamte Woche hier sind. „Die Regierung hat die Kita geprüft – wir hatten ein Audit – und war sehr angetan von unserem Konzept. Wir sind gerade dabei, unsere Kita als Kneipp-Kindertagesstätte zu zertifizieren. In der Kita finden die Kinder unserer Mitarbeiter einen Platz, außerdem die Kinder unserer Kooperationspartner. Und dann haben wir noch öffentliche Plätze.“ Auch die Kita wird von der Bistroküche mitverköstigt – mit einer kindergerechten gesunden Kost.

„Ich bin nur Apotheker“

Und wie fühlt sich Wolz, als Manager oder als Apotheker? „Ich bin nur Apotheker“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Er ist sogar selbst noch ab und an im HV anzutreffen, allerdings, wie er eingesteht, nicht mehr allzu oft. Ich springe vor allem ein, wenn Not am Mann ist, wenn Krankheitsfälle auftreten, wenn’s eng wird. „Ich bin auch kein Betriebswirt. Es hat sich alles so ergeben. Wichtig ist für mich, gut zuzuhören und dann eine Risikoabwägung anzuschließen. Bisher bin ich damit gut gefahren. Letztlich entscheidet der Kunde, wohin er geht und das jeden Tag neu.“

Neue Pläne hat er derzeit nicht, ein Umbau, eine Renovierung seiner Apotheke steht im nächsten Jahr an, doch vorrangig möchte er sich um seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern, „das ist zurzeit mein Hauptanliegen.“ Wolz kennt sie alle – mit Namen: „Ich halte für sehr wichtig zu wissen, wie jeder Mitarbeiter tickt, wie er denkt, wohin er will. Wenn ich das nicht weiß, kann ich nichts für ihn tun, kann ihn nicht fördern. Also muss ich das wissen. Das gehört zu meiner Philosophie. Mein Mitarbeiter möchte auch eine Antwort von mir, ob ich gut finde, was er macht, ob er einen guten Job macht.“

Ein Großereignis für die Apotheke ist die jährliche Weihnachtsfeier, für die Wolz einen großen Veranstaltungssaal anmietet und das Essen und Trinken organisiert: „Und meine Mitarbeiter machen das Programm dafür. Das ist schon immer etwas Besonderes.“

An Rückzug oder gar Ruhestand denkt Dietmar Wolz noch lange nicht: „Wenn man diesen Betrieb führen will, muss man ihn mit Herzblut führen, anders geht das nicht.“ Seine beiden Söhne studieren Pharmazie, ob sie in den Betrieb einsteigen und ihn später übernehmen, das ist noch offen: „Ich will da keinen Druck ausüben.“

Jetzt freut er sich erst einmal auf sein nächstes freies Wochenende. Er wird es nutzen für seine geliebten Bergtouren, bei denen er Entspannung von der Apothekenarbeit, vom Stress findet. In einer halben Stunde ist er von Kempten aus im Oberstaufer Bereich, in einer Stunde im Lechtal: „Oder wir machen einen Ausflug nach Südtirol. Übers Wochenende muss ich in die Berge, in die Natur, die Bewegung – das brauche ich, um aufzutanken.“ Man kann es gut verstehen. |

Autor

Peter Ditzel

ist Herausgeber der DAZ – Deutsche Apotheker Zeitung

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