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„Eine Messe hat mehrere Funktionen“

Interview mit Avoxa-Geschäftsführer Metin Ergül über die Entwicklung der Expopharm

STUTTGART (wes) | In den letzten Jahren hat die größte pharmazeutische Fachmesse Europas ihr Gesicht deutlich verändert. Wir sprachen mit Avoxa-Geschäftsführer Metin Ergül, seit vier Jahren für die Ausrichtung verantwortlich, über die Entwicklung der Expopharm.
Foto: Avoxa
Branchentreffpunkt für Entscheider statt Jahrmarkt Avoxa-Geschäftsführer Metin Ergül hat der Expopharm einen neuen Auftritt gegeben.

DAZ: In den letzten Jahren konnte man eine Veränderung der Expopharm beobachten. Weniger „knallige“ Aktionen an den Ständen, weniger prall gefüllte Tüten mit Geschenken. War das von ­Ihnen so gewollt?

Metin Ergül: Ja, auf jeden Fall. Die Expopharm ist als wichtigste pharmazeutische Fachmesse Europas der zentrale Marktplatz rund um die Apotheke. Sie ist damit kein Jahrmarkt, sondern der Branchen-Treffpunkt für alle Teilnehmer und vor allem Entscheider des Marktes. Hier informiert man sich über neue Produkte und Dienstleistungen seiner bestehenden und neuen Lieferanten, greift politische marktökonomische sowie sehr praxisbezogene Trends auf und lässt sich die Strategien der führenden Player des Marktes erläutern.

DAZ: War das bisher anders?

Ergül: Als ich die Expopharm 2012 übernommen habe, da habe ich die Messe schon so wahrgenommen, dass sich zumindest einige Aussteller sehr auf das Verteilen von Informationen und Werbegeschenken konzentriert haben. Auch wenn das beileibe nicht für alle Aussteller galt, hat dies das Gesamtbild geprägt. Bei den Besuchern, und unter ihnen besonders bei den Entscheidern, hat das nicht immer das beste Bild hinterlassen. Deswegen war es unser Ziel, die Messe insgesamt zu professionalisieren. Dazu gehört neben dem Zurückfahren des Promotion-Bereichs auch unser Angebot an vor allem kleinere und mittlere Aussteller, ihren Standbau mit unseren Systemständen qualitativ anspruchsgerecht und gleichzeitig Kosten-effizient zu gestalten. Das Bild der Expopharm entspricht nun unseren Erwartungen, aber vor allem denen der Teilnehmer, wie unsere Befragungen deutlich zeigen.

„Wir haben mit dem neuen Auftritt der Expopharm erstmals eine konsistente Marke für die Messe geschaffen und wahrnehmbar gemacht.“

DAZ: Was waren die Gründe für diese neue Marschrichtung?

Ergül: Eine Messe hat immer mehrere Funktionsbereiche. Gerade bei Fachmessen sollte der Bereich Promotion nicht so im Vordergrund stehen. Denn das führt zur Wahrnehmung, dass andere wichtige Funktionsbereiche unterrepräsentiert sind. Diese wollten wir mehr in den Mittelpunkt stellen. Auch die Aussteller profitieren, wenn sie sich beispielsweise besser auf die Bereiche Innovation und Neuheiten konzentrieren. Die Entscheider auf Besucherseite möchten auf der Messe eine schnelle Übersicht und einen Wettbewerbsvergleich der Lieferanten in den jeweiligen Produktbereichen erhalten. Immerhin erleben sie hier alle Anbieter auf kleinstem Raum. Das erleichtert die Entscheidung für die Auswahl gerade bei komplexen Produkten ungemein. Daraus folgen dann auch Kaufabschlüsse. Hinzu kommt, dass man auf einer Messe auch einen anderen Kontakt zu einem Unternehmen aufnehmen kann. Die Apotheker kennen ihre Partner meist nur über den Außendienst, waren aber noch nie im Unternehmen selbst. Dieses wird auf der Messe erlebbar – auch dadurch, dass Mitglieder des Managements die Unternehmensziele und -konzepte vermitteln. Wir sehen, dass dieses Angebot auch verstärkt wahr­genommen wird.

Um diesen Effekt zu verstärken, bieten wir den Ausstellern über Medienangebote mit zielgruppenspezifischer Ansprache die Möglichkeit, schon im Vorfeld ihre Botschaften zu platzieren und zu kommunizieren, was die Besucher auf der Messe erwartet. Damit wird der Kommunikationszeitraum viel länger als nur die vier Tage der Expopharm. Das schafft dann auch eine frühzeitige Besuchermobilisierung. Wir konnten dadurch den generellen Trend zu späteren, kurzfristigeren Buchungen umkehren.

DAZ: Welche Maßnahmen haben Sie denn konkret ergriffen?

Ergül: Fangen wir mit der Fremdwahrnehmung an. Wir haben mit dem neuen Auftritt der Expopharm erstmals eine konsistente Marke für die Messe geschaffen und wahrnehmbar gemacht. In der Vergangenheit wurde die Expopharm primär als Verkaufsmesse gesehen – auch wenn sie nicht so positioniert war. Das war nicht mehr zeitgemäß. Veranstaltungen entwickeln sich gerade im Gesundheitswesen zu Learning-Plattformen. Das Bewerten der Order-Bücher nach der Messe sollte eigentlich nicht im Mittelpunkt stehen. Verkaufsabschlüsse auf der Messe sind wichtig, aber nicht die Kernfunktion der Expopharm. Vielmehr geht es um die Anbahnung neuer Geschäfte und Geschäftskontakte, um Informationsaustausch und Beziehungspflege, um Meinungsbildung sowie um die Vermittlung von aktuellem Wissen und Informationen. Das sind für uns die wichtigen Funktionen der Messe.

DAZ: Wie kommen Sie mit der Neuausrichtung voran?

Ergül: Natürlich geht so eine Umstellung nicht von heute auf morgen. Zunehmend orientieren sich unsere Aussteller aber daran. Gerade die Softwarehersteller und Rechenzentren konzentrieren sich auf den Bereich Innovationen und Neuheiten. Das freut uns besonders, da sie ja vor einigen Jahren der Expopharm ganz ferngeblieben waren. Heute sehen gerade diese Unternehmen die Messe als wichtige Innovationsplattform, wo man die neuen Produkte und Funktionalitäten vorstellt. Heute ist das Segment wieder vollständig vertreten. Dieses Jahr werden wir hier mit den Medikationsplan-Tools viele Neuheiten auch mit Blick auf die interdisziplinäre Vernetzung im Gesundheitswesen sehen. Diese werden die künftigen Aufgaben und Prozesse in der Apotheke verändern.

DAZ: Wie ist denn die Akzeptanz der Veränderungen bei den Ausstellern?

Ergül: Unter dem Strich kann man sagen, dass die konzeptionelle Neuorientierung sehr konstruktiv aufgenommen wurde. Der ein oder andere Aussteller musste sich teilweise von altem Verhalten verabschieden und neue Regeln annehmen. Weil dies aber letztlich Unternehmen wie Besuchern nutzt, haben die Aussteller das akzeptiert.

DAZ: Kam der „neue Weg“ bei den Besuchern genauso gut an?

Ergül: Es gibt natürlich nie nur schwarz oder weiß. Eine Messe hat eben verschiedene Funktionen, und nicht zuletzt muss sie auch einen Erlebnischarakter aufweisen – aber eben in der richtigen Dosierung. Deswegen würde ich nie sagen, es darf überhaupt keine Promotion mehr geben. Aber das kann doch nicht der Grund für eine Reise nach Düsseldorf oder München sein.

Foto: DAZ/Schelbert
25.000 Besucher erhofft sich Avoxa für die kommende Expopharm. Volle Gänge in den Hallen wären dann wieder sicher.

DAZ: Wie haben sich denn in den letzten Jahren die Aussteller-Zahlen verändert?

Ergül: Sie sind nicht mehr rückläufig, diesen Trend haben wir bereits vor drei Jahren durchbrochen. Und das nicht nur quantitativ, sondern – was mir viel wichtiger ist – auch qualitativ! Wir bewegen uns bei der Ausstellerzahl um die 500 Firmen, mit zirka 18 bis 20 Prozent Auslandsanteil. Vor allem haben wir eine stabile Ausstellerschaft. Wobei es natürlich immer wieder Unternehmen – gerade kleinere und mittlere – gibt, die aufgrund der für sie schwierigen Marktentwicklung nicht mehr ausstellen. Diese Fälle konnten wir aber kompensieren, indem wir neue Aussteller gewannen. Hinzu kommt, dass wir führende pharmazeutische Hersteller im OTC-Segment zurückgewinnen konnten. Dazu hat nicht zuletzt die Pharma-World beigetragen.

„Die Pharma-World ist ein Format, mit dem wir eine Symbiose aus dem Kontakt zwischen Apothekern und ­Industrie mit einem unab­hängigen Vortragsprogramm anbieten.“

DAZ: Was ist die Idee hinter der Pharma-World?

Ergül: Die Pharma-World ist ein Format, mit dem wir eine Symbiose aus dem Kontakt zwischen Apothekern und Industrie mit einem unabhängigen Vortragsprogramm anbieten. Es handelt sich dabei um ein direkt ins Messegeschehen eingebettetes Forum mit Vorträgen von unabhängigen Referenten, die einen hohen wissenschaftlichen Standard mit Praxisbezug verbinden. Die Programmpunkte werden von den Professoren Schubert-Zsilavecz und Dingermann kuratiert und nach Indikationsgebieten ausgewählt. Gleichzeitig kann die Industrie, die Produkte zu diesen Indikationen anbietet, im direkten Umfeld des Forums ihre Lösungen vorstellen. Und das nicht – wie sonst auf der Messe – auf Unternehmensebene, sondern rein auf Produkt- und Brand-Ebene. Die Aussteller sind mitunter mit ihrer Medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung vertreten, sowie mit ihren Sales- und Vertriebsteams. Das bringt einen großen Mehrwert für die Besucher.

DAZ: Wie viele Unternehmen beteiligen sich in diesem Jahr an der Pharma-World?

Ergül: Insgesamt sehen die Besucher rund 30 Produktpräsentationen, ca. 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Wir konnten durch die Pharma-World OTC-Unternehmen zurückgewinnen, die sich vor sieben, acht Jahren als Aussteller von der Expopharm abgewendet hatten.

DAZ: Herr Ergül, was sind denn Ihre ganz persönlichen Highlights der diesjährigen Expopharm?

Ergül: Das wesentliche Highlight ist natürlich die Messe mit den attraktiven Angeboten der Aussteller selbst. Wer hier nicht war, hat etwas verpasst. Eine hohe Innovationskraft bietet das Thema digitale Apotheke bzw. digitale Angebote und Services in der Apotheke. Die Pharma-World ist zudem gerade für Learning-orientierte Apotheker ein tolles Format. Und wir haben, neben den vielfältigen Angeboten für Apotheker, zum zweiten Mal einen Programm-Schwerpunkt für PTAs. Es ist uns wichtig, dass auch bei den Besuchern ankommt, welchen Wert die Aussteller auf die PTAs legen. Und nicht zu vergessen die Expopharm-Night, die sich zu einem wichtigen Branchen-Event für den gemeinsamen Austausch in entspannter und unkommerzieller Atmosphäre entwickelt hat. Im letzten Jahr hatten wir mehr Interessenten als es Eintrittskarten gab – also sichern Sie sich frühzeitig Ihr Ticket!

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch. |


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