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Damit nichts bricht

Emulgatoren helfen bei galenischen Inkompatibilitäten

Von Heiko Schiffter-Weinle | Emulgatoren sind wichtige Hilfsstoffe in der Pharmazie, Lebensmitteltechnologie und Kosmetik. Sie können als eine spezielle Untergruppe der Tenside angesehen werden und werden vor allem dafür verwendet, stabile flüssige oder halbfeste Emulsionszubereitungen herzustellen. Dies ist möglich, da sie sich aufgrund ihrer amphiphilen Struktur in der Grenzfläche zwischen der Öl- und der Wasserphase anreichern, die Grenzflächenspannung signifikant herabsetzen und eine Koaleszenz der dispergierten Emulsions­tröpfchen verhindern. Doch nach welchen Kriterien sollte der oder die Emulgatoren für eine Formulierung ausgewählt werden, um am Schluss der Herstellung eine stabile Emulsion zu erhalten und Inkompatibilitäten mit Wirkstoffen und anderen Formulierungsbestandteilen zu vermeiden? Was es im Umgang mit Emulgatoren auch in der Rezeptur in der Apotheke zu beachten gilt, soll im folgenden Artikel detailliert beleuchtet werden.

Tenside und ihre Eigenschaften

Tenside sind Verbindungen, die sowohl ausgeprägte hydrophile als auch lipophile Bereiche innerhalb ihrer Molekülstruktur aufweisen. Aufgrund dieser sogenannten amphiphilen Struktur bilden sie in der Regel meist energiereiche molekulardisperse Lösungen. In wässriger Lösung versuchen nun die lipophilen (hydrophoben) Molekülteile allerdings, der für sie „feindlichen“ polaren Umgebung zu entkommen, was zu einer Anreicherung der Tensid-Moleküle an Grenzflächen wie auch der Oberfläche führt. Hier ordnen sich die Moleküle derart an, dass die hydratisierten polaren Gruppen in die Wasserphase eintauchen, die unpolaren Molekülteile hingegen in vorhandene lipophile Phasen jenseits einer Grenzfläche oder in die Gasphase jenseits der Oberfläche hineinragen. Eine derartige Anreicherung der Tensid-Moleküle aus dem Phaseninneren an die Grenzfläche/Oberfläche ist mit einem Energiegewinn verbunden und führt gleichzeitig zur Erniedrigung der Grenzflächen- bzw. Oberflächenspannung [1]. Dieses Bestreben, sich an Grenzflächen anzulagern, hat dieser Substanzklasse auch die Bezeichnung grenzflächen- bzw. oberflächenaktive Substanzen, im Englischen Surface Active Agents (Surfactants), eingebracht.

Die wahrscheinlich bemerkenswerteste Eigenschaft der Tenside ist aber zweifelsfrei die Mizellbildung. Wasserlösliche Tenside lagern sich ab einer bestimmten Konzentration, der kritischen Mizellbildungskozentration (CMC), in wässriger Lösung zu kugelförmigen Assoziaten, den sogenannten Kugelmizellen zusammen. Dabei orientieren sich die Moleküle in der Regel so, dass aufgrund von hydrophoben Wechselwirkungen die unpolaren Molekülteile im Inneren und die polaren Kopfgruppen an der Oberfläche der Kugelmizelle liegen. Auch dies führt zu einem Energiegewinn, da die Bildung geordneter Wasser-Cluster um die lipophilen Molekülteile vermieden werden [1]. Zu Mizellbildung kommt es allerdings nur dann, wenn das Tensid ausreichend in Wasser löslich ist. Einige wasserlösliche Tenside können jedoch ein stark temperaturabhängiges Lösungsverhalten aufweisen, so dass erst ab der kritischen Mizellbildungstemperatur (CMT oder Krafft-Temperatur) Mizellbildung möglich ist [2].

Chemische Struktur und Einteilung

Eine Einteilung der Tenside erfolgt in der Regel anhand ihrer hydrophilen Gruppe. Hydrophile Gruppen können anionischer, kationischer, zwitterionischer oder auch nicht-ionischer Natur sein, zum Beispiel Hydroxylgruppen, Carboxylgruppen, Sulfatgruppen, protonierte oder substituierte Aminogruppen oder gerade bei nicht-ionischen hydrophilen Emulgatoren auch Macrogol-, also Polyethylenglykolketten. Lipophile Gruppen sind meist gesättigte oder ungesättigte Alkylketten, seltener heterozyklische oder aromatische Ringsysteme. Abb. 1 und der Kasten „Nicht-ionische Emulgatoren“ zeigen eine Übersicht über wichtige oberflächenaktive Substanzen, die in pharmazeutischen Formulierungen eingesetzt werden, einschließlich deren Klassifizierung.

Abb. 1: Übersicht und Klassifizierung pharmazeutisch relevanter ionischer Emulgatoren

Nicht-ionische Emulgatoren

W/O

  • Fettalkohole (z. B. Cetylalkohol [Lanette C®])
  • Glycerolfettsäureester (z. B. Glycerolmonostearat)
  • Sorbitanfettsäureester (Span)
  • (z. B. Sorbitanmonolaurat [Span® 20])
  • Wollwachsalkohole
  • Macrogolfettsäureether
  • (z. B. PEG-2-­oleylether [Brij® 92])

O/W

  • Macrogolfettsäureester
  • (z. B. PEG-8-­stearat [Myrj® 45])
  • Macrogolglycerolfettsäureester (z. B. PEG-20-glycerol­monostearat [Tagat® S2])
  • Macrogolsorbitanfettsäureester (Polysorbate) (z. B. PEG-20-sorbitanmonolaurat [Polysorbat bzw. Tween® 20])
  • Polyoxypropylen-Polyoxyethylen-­
  • Block-Copolymere (Poloxamer) (z. B. Poloxamer 124)

Charakterisierung der Tenside

Um die Funktionalität der Tenside in pharmazeutischen oder kosmetischen Formulierungen zu charakterisieren, reicht eine Einteilung nach ihrer chemischen Struktur allein nicht aus. Hier hilft stattdessen das sogenannte HLB-System weiter. HLB steht hierbei für Hydrophilic-Lipophilic-Balance. Das HLB-System ordnet jedem Tensidmolekül einen dimensionslosen HLB-Wert zu, der sich aus der chemischen Struktur des Moleküls berechnen oder durch physikochemische Messmethoden bestimmen lässt. Für nicht-ionische Tensidmoleküle, für die das HLB-System von Griffin ursprünglich entwickelt wurde, kann der HLB-Wert gemäß der folgenden Formel berechnet werden:

Mlipophil steht hierbei für die Molekülmasse des hydrophoben Anteils und Mgesamt für die Gesamtmolekülmasse des Tensids. Laut Gleichung 1 kann der HLB-Wert maximal einen Zahlenwert von 20 annehmen. Ein Tensidmolekül mit gleich großem lipophilem wie hydrophilem Anteil bezogen auf die Molekülmassen hätte somit den Zahlenwert 10. Bei steigendem lipophilem Anteil sinkt der HLB-Wert, bei steigendem hydrophilem Anteil steigt er. Abbildung 2 zeigt die HLB-Skala einschließlich der Anwendungsbereiche der einzelnen Tenside in Abhängigkeit von ihrem HLB-Wert.

Abb. 2: HLB-Skala einschließlich Klassifizierung der Tensidmoleküle nach Anwendungsbereichen [3].

Nun wird im pharmazeutischen Bereich neben den nicht-­ionogenen Tensiden eine ganze Reihe anionischer und kationischer Tensidverbindungen eingesetzt, deren HLB-Werte aufgrund der ionischen Struktur nicht mittels Gleichung 1 berechnet werden können. Hier kann das von Davies vorgeschlagene System weiterhelfen, das den HLB-Wert direkt aus tabellierten Zahlenwerten für die einzelnen chemischen Gruppen eines Tensidmoleküls berechnet. Hierbei gewichtet die Methode stark wechselwirkende Gruppen höher als weniger wechselwirkende. Der HLB-Wert wird dann gemäß der folgenden Gleichung 2 unter Verwendung von Tabelle 1 berechnet:

Tab. 1: Beispiele für HLB-Gruppennummern zur Berechnung des HLB-Werts nach der Methode von Davies dargestellt in Gleichung 2 [2, 3].
hydrophile Gruppen
Gruppennummer
lipophile Gruppen
Gruppennummer
-SO4- Na+
38,7
=CH-
-0,475
-COO- K+
21,1
-CH2-
-0,475
-COO- Na+
19,1
-CH3
-0,475
-SO3- Na+
11,0
-CF2-
-0,87
N (tertiäre Amine)
9,4
-CF3
-0,87
Ester (Sorbi­tanring)
6,8
-(OCH2CH2CH2)-
-0,15
Ester (frei)
2,4
-COOH
2,1
-OH (frei)
1,9
-O- (Ethergruppe)
1,3
-OH (Sorbi­tanring)
0,5
-(OCH2CH2)-
0,33

Durch Verwendung der Methode nach Davies lassen sich auch für ionische Tenside HLB-Werte berechnen. So ergibt sich zum Beispiel für Natriumdodecylsulfat (SDS) der HLB-Wert 40 [2, 4]. An der Struktur von Natriumdodecylsulfat kann man natürlich erkennen, dass der hydrophile Molekülteil nicht 200% ausmacht. Nein, der Wert sagt lediglich, dass dieses Tensid einen scheinbaren HLB-Wert von 40 im Vergleich zu anderen Tensiden hat.

Praktische Anwendung des HLB-Systems

Das HLB-System ist gerade in der Entwicklung stabiler Emulsionen eine wichtige Hilfe. Zuerst einmal charakterisiert es jedes Tensid-Molekül hinsichtlich seiner lipophilen und hydrophilen Eigenschaften und damit auch hinsichtlich seiner Löslichkeit in der vorhandenen lipophilen oder hydrophilen Phase. Tensid-Moleküle am oberen Ende der in Abbildung 2 dargestellten Skala werden vor allem als Lösungsvermittler zum Beispiel zur Solubilisierung schwerlöslicher Wirkstoffe eingesetzt. Im Bereich hoher HLB-Werte finden sich auch die Öl-in-Wasser-Emulgatoren (O/W-Emulgatoren), die aufgrund ihrer Wasserlöslichkeit vor allem zur Stabilisierung von O/W-Emulsionen verwendet werden. Im Gegensatz dazu liegen die öllöslichen Wasser-in-Öl-Emulgatoren (W/O-Emulgatoren) im Bereich niedriger HLB-Werte [2, 3]. Um Öltröpfchen in einer wässrigen Phase zu stabilisieren, ist es essenziell, dass der Emulgator sowohl über einen gewissen Grad an Hydrophilie verfügt, um eine enthalpische Stabilisierungskraft zu gewährleisten, als auch einen gewissen Grad an Lipophilie, um die Adsorption an der O/W-Grenzfläche zu ermöglichen [5]. Welcher Emulgator und ­damit welche Balance zwischen dem hydrophilen und lipophilen Anteil nun aber geeignet ist, hängt von der Zusammensetzung der zu stabilisierenden Emulsionsformulierung, der Anteile an hydrophiler und lipophiler Phase und ganz besonders von der Natur der Ölphase ab.

Erforderlicher HLB-Wert (required HLB)

Der HLB-Wert eines Emulgators macht allein noch keine Aussage über die Eignung dieses Emulgators als emulgierendes Agens für eine bestimmte lipophile Phase. Die Zusammensetzung und Natur der lipophilen Phase spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Hier kommt der Begriff des erforderlichen HLB-Werts (required HLB) ins Spiel. Als erforderlicher HLB-Wert einer lipophilen Phase kann der HLB-Wert eines Emulgators bzw. einer Emulgator-Mischung verstanden werden, der die lipophile Phase in Wasser mit optimaler Dispersität stabilisiert [3, 5, 6]. Diese Bestimmung erfolgt in der Regel experimentell, indem die Tröpfchengröße der dispergierten Phase und/oder die Stabilität der Zubereitung gegenüber Phasentrennung für Emulgatoren oder Emulgator-Mischungen mit unterschiedlichen HLB-Werten betrachtet wird. Der HLB-Wert des Emulgators, der die stabilste Formulierung mit kleinster Tröpfchengröße erzielt, wird als erforderlicher HLB-Wert der lipophilen Phase angesehen [5]. Einige Beispiele hierzu sind in Tabelle 2 gegeben.

Tab. 2: Erforderlicher HLB-Wert für einige pharmazeutisch relevante Bestandteile lipophiler Phasen in flüssigen und halbfesten Emulsionszubereitungen [6, 7].
O/W
W/O
Baumwollsamenöl
6 bis 7
Vaseline
8
Bienenwachs
9 bis 11
5
Paraffin
10
4
Lanolin (wasserfrei)
12 bis 14
8
Carnaubawachs
12 bis 14
Laurylalkohol
14
Rizinusöl
14
Cetylalkohol
13 bis 16
Stearylalkohol
15 bis 16
Laurinsäure
16
Ölsäure
17
Stearinsäure
17

Algebraische Additivität

Ein großer Vorteil bei der praktischen Anwendung des HLB-Systems ist die algebraische Additivität der HLB-Werte von Emulgatoren oder der erforderlichen HLB-Werte verschiedener Komponenten der Lipidphase [2]. Gemäß der folgenden Formel kann der in einer Mischung resultierende (erforderliche) HLB-Wert berechnet werden:

Hierbei bezeichnen fA und fB jeweils die Anteile der Emulgatoren A und B an der Emulgatormischung mit den entsprechenden HLB-Werten HLBA und HLBB. Analog erfolgt die Berechnung für den erforderlichen HLB-Wert in Abhängigkeit von der Zusammensetzung der lipophilen Phase. Selbstverständlich kann die Berechnung auch für mehr als zwei Emulgatoren oder Komponenten der Ölphase durchgeführt werden. Ein Rechenbeispiel, das den praktischen Umgang bei der Rezepturentwicklung erläutern soll, zeigt der Kasten „Rechen­beispiel“. Trotz dieser recht einfachen Handhabung hat das HLB-System auch einige Nachteile. Der berechnete HLB-Wert betrachtet keine Änderungen, die sich durch Temperaturänderungen oder die Präsenz von Salzen in der Formulierung ergeben. So macht Natriumchlorid durch einen Effekt, der in der Fachsprache als „Aussalzen“ bezeichnet wird, das Emulgator-Molekül weniger hydrophil, was zu einer Abnahme des effektiven HLB-Werts führt. Entsprechend gilt es dies in der Rezepturentwicklung zu beachten [5].

Rechenbeispiel

Beispiel zur HLB-Wert-Berechnung für die Formulierung einer O/W-Emulsion (Tab. 3) [6].

Tab. 3: Zusammensetzung der Formulierung
Bestandteil
Menge
erforderlicher HLB (O/W)
Bienenwachs
15 g
9
Lanolin
10 g
12
Paraffin
20 g
10
Cetylalkohol
5 g
15
Emulgator
2 g
Konservierungsmittel
0,2 g
gereinigtes Wasser
ad 100 g

a) Berechnung des erforderlichen HLB-Werts der lipophilen Phase unter Verwendung des Massenanteils jeder Komponente der lipophilen Phase. Die Gesamtmenge der lipophilen Phase beträgt 50 g.

Tab. 4: Beispielhafte Berechnung
Bestandteil
Menge
HLB
Bienenwachs
15 g/50 g = 0,3
0,3 × 9 = 2,7
Lanolin
10 g/50 g = 0,2
0,2 × 12 = 2,4
Paraffin
20 g/50 g = 0,4
0,4 × 10 = 4,0
Cetylalkohol
5 g/50 g = 0,1
0,1 × 15 = 1,5
erforderlicher HLB
10,6

b) Berechnung der Zusammensetzung einer Mischung aus zwei unterschiedlichen Emulgatoren, die einen HLB-Wert von 10,6 haben soll. Es werden die Emulgatoren Polysorbat 80 mit einem HLB-Wert von 15 und Span 80 mit einem HLB-Wert von 4,3 gewählt. Die Berechnung kann wie im Folgenden dargestellt unter Verwendung des Mischungskreuzes erfolgen:

Bei einer Gesamtmenge von 2 g Emulgator-Mischung in der Rezeptur ergibt sich somit für die benötigten Mengen an Polysorbat 80 und Span® 80:

Polysorbat® 80: 2,0 g × 0,59 = 1,18 g

Span® 80: 2,0 g × 0,41 = 0,82 g

Wie Emulgatoren wirken

Emulsionen sind ganz allgemein disperse Systeme zweier nicht miteinander mischbarer Flüssigkeiten oder flüssigkristalliner Phasen. Die innere disperse Phase ist dabei in diskrete Tröpfchen zerteilt und von der äußeren kontinuierlichen Phase, dem Dispersionsmittel, umgeben. Aufgrund dieses dispersen Zustandes sind Emulsionen thermodynamisch instabile Systeme. Zwar kann durch Homogenisieren, im einfachsten Fall Schütteln oder Rühren, eine Phase tröpfchenförmig in der anderen Phase verteilt werden, nach kurzer Ruhezeit tritt aber schnell Entmischung auf. Die Tröpfchen fließen zusammen, bis die Phasen vollständig getrennt sind und sich aufgrund von Dichteunterschieden eine Phase auf der anderen ansammelt. In diesem – in zwei Schichten getrennten – Zustand haben die beiden Phasen die kleinste gemeinsame Grenzfläche und somit die geringste Grenzflächenenergie. Werden 10 Milliliter Öl in Wasser auf eine Tropfengröße von 0,1 µm dispergiert, nimmt dabei die Grenzfläche auf etwa 600 m2 zu, was etwas mehr als der Fläche eines Basketballfeldes entspricht. Die Energie kann unter Zuhilfenahme von Gleichung 4 berechnet werden:

Hierbei steht γO/W für die Grenzflächenspannung an der Öl-Wasser-Grenzfläche und ΔA für die Zunahme der Grenzfläche durch die Emulgierung. In unserem Beispiel errechnet sich ausgehend von γO/W = 57 mN/m für eine Mineralöl-Wasser-Grenzfläche eine Energie von 34,2 Joule. Dieser Energieanstieg reicht aus, das System thermodynamisch instabil zu machen, und bewirkt das Zusammenfließen, also die Koaleszenz der Tropfen [6].

Um nun sowohl die Herstellung der Emulsionen zu erleichtern als auch Auftreten von Koaleszenzerscheinungen zu verhindern oder wenigstens zu verlangsamen, ist der Einsatz von Emulgatoren notwendig. Emulgatoren verringern die Grenzflächenspannung und haben somit einen direkten Einfluss auf den Energiebetrag, die treibende Kraft der Phasentrennung. Die Reduktion der Grenzflächenenergie allein reicht allerdings noch nicht zur Stabilisierung einer Emulsion aus. Die Emulgator-Moleküle bilden zusätzlich eine zusammenhängende Monolayer um das dispergierte Tröpfchen, die durch den Aufbau von Energiebarrieren hilft, das Zusammenfließen zu verhindern. Ionogene Emulgatoren wirken hierbei meist durch elektrostatische Abstoßung zwischen den Emulsionströpfchen, nicht-ionische Emulgatoren bauen die Energiebarriere durch sterische Effekte auf. Damit die oben beschriebenen Effekte voll zum Tragen kommen, sollte der Emulgator-Film die Grenzfläche lückenlos überziehen. Ansonsten kann es zur Koaleszenz kommen, wenn sich Tröpfchen der inneren Phase an nicht bedeckten Stellen berühren. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Emulgator-Konzentration ausreichend hoch ist und genügend Emulgator-Moleküle bei einem entsprechenden Dispersitätsgrad zur Verfügung stehen [2, 5, 6].

Emulgator + Emulgator muss nicht brechen

Um löchrige Emulgator-Filme zu vermeiden, die zum Beispiel beim alleinigen Einsatz von Emulgator-Molekülen mit geladenen, stark polaren Kopfgruppen (z. B. Fettsäuresulfate) entstehen können, werden meist Emulgator-Gemische verwendet. So kann ein zweites nicht-ionisches Tensid als Lückenfüller zwischen den ionischen Kopfgruppen des ersten Tensids dienen. In der Praxis sind Gemische von Emulgatoren meist effizienter in Bezug auf die Emulsionsstabilisierung als ein Emulgator-Typ allein [2, 6]. So lässt sich eine Verstärkung der Emulgierwirkung durch Kombination von zwei Emulgatoren des gleichen Emulgator-Typs erzielen. Die Verwendung von Emulgatoren unterschiedlichen Typs muss differenziert betrachtet werden. Wird zu einer bestehenden Emulsion ein Emulgator des entgegengesetzten Typs gegeben, so kommt es häufig zum Brechen der Emulsion [2]. Ein Problem, das später nochmals bei den Verdünnungsrezepturen angesprochen werden wird. Es sind aber auch Kombinationen von O/W- mit W/O-Emulgatoren bekannt, die eine verbesserte Emulgierwirkung aufgrund einer stärkeren Senkung der Oberflächenspannung aufweisen als ein einzelner Emulgator allein. Diese Emulgator-Kombinationen werden als Misch- oder Komplexemulgatoren bezeichnet. Auch bei Komplexemulgatoren orientieren sich die lipophilen Gruppen in die Ölphase und die hydrophilen Gruppen in die Wasserphase. Die Emulgator-Moleküle durchdringen sich dabei allerdings derart, dass es zur Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den polaren Gruppen in der Wasserphase und zu van-der-Waals-Kräften in der Ölphase kommt. Durch die Erhöhung des Wasserbindungsvermögens mit Bildung starker Hydratationsfilme und Steigerung der Viskosität entstehen durch Gelbildung sehr starke, stabile Systeme. Ein typisches Beispiel für einen Mischemulgator ist der emulgierende Cetylstearylalkohol Typ A, bei dem es sich um die Kombination des nicht-ionischen W/O-Emulgators Cetylstearylalkohol und des ionischen O/W-Emulgators Natriumcetylsetarylsulfat handelt [2]. Auch die Kombination von Sorbitan­estern und Polysorbaten führt häufig zu sehr stabilen Emulsionen [6, 8]. Das Verhalten der beiden Moleküle an der Grenzfläche und die Effekte der sterischen Stabilisation sind in Abbildung 3 dargestellt.

Abb. 3: Schematische Darstellung einer O/W-Emulsion einschließlich der Orientierung von Polysorbat 40 und Span® 80 an der Grenzfläche [8].

Emulgatoren in der Individualrezeptur – Achtung Kompatibilität!

Auch in der Individualrezeptur in der Apotheke ist die Funktionalität der Emulgatoren essenziell, um stabile feindisperse Zustände von flüssigen und halbfesten Emulsionszubereitungen während der Herstellung, Anwendung und Lagerung zu gewährleisten. Die Präsenz von Wirkstoffen oder weiteren Formulierungsbestandteilen können bei ungünstiger Interaktion mit dem Emulgator manifeste oder lavierte Inkompatibilitäten verursachen und müssen deshalb selbstverständlich im Plausibilitäts­check identifiziert werden. Die möglichen Inkompatibilitäten hängen hierbei stark von der chemischen Struktur des verwendeten Emulgators ab.

Chemische Reaktionen

Bei anionischen oder kationischen Emulgatoren können sich durch ionische Wechselwirkungen mit Wirkstoffen oder anderen Bestandteilen schwer lösliche Salze bilden. In der Folge sind Fällungen oder Flockungen und ultimativ ein Brechen der Emulsionszubereitung zu beobachten. Ein typisches Beispiel stellt die Inkompatibilität von Natriumcetylstearylsulfat und Ethacridinlactat dar. Natrium­cetylstearylsulfat ist integraler Bestandteil des Mischemulgators emulgierender Cetylstearylalkohol Typ A Ph.Eur. und wird in der anionischen hydrophilen Creme DAB (früher wasserhaltige hydrophile Salbe DAB) verwendet. In Anwesenheit von Ethacridinlactat reagiert der anionische Emulgator mit dem kationischen Teil des Wirkstoffs zu einem schwer löslichen Salz, das bezogen auf eine Emulgator-Aktivität praktisch wirkungslos ist. Es kommt zum Brechen der Zubereitung [9]. Um diese Inkompatibilität zu vermeiden, ist es also besser, eine Grundlage mit einem nicht-ionischen Emulgator, zum Beispiel die nicht-ionische Hydrophile Creme DAB oder die nicht-ionische Hydrophile Creme SR DAC zu wählen.

Physikalisch-chemische Reaktionen

In vielen pharmazeutisch verwendeten hydrophilen nicht-ionischen Emulgatoren ist Macrogol (Polyethylenglykol) Bestandteil der Molekülstruktur. Da nicht-ionische Tenside keine dissoziierbaren funktionellen Gruppen besitzen, handelt es sich bei ihrem hydrophilen Teil meist um Hydroxylgruppen oder eben um Polyethylenglykol. Die PEG-Kette ist hierbei über eine Ester- oder Ether-Bindung an den lipophilen Molekülteil gebunden. Bei gleichbleibendem lipophilem Anteil steigt der HLB-Wert mit zunehmender Länge des PEG-Blocks an, das heißt, das Tensid verhält sich zunehmend hydrophiler. Auch in vielen halbfesten Emulsions­zubereitungen werden nicht-ionische Emulgatoren mit Polyethylenglykol im Molekül angewendet. Eine Inkompatibilität, die in diesem Zusammenhang bekannt ist, ist die Interaktion zwischen dem Ether-Sauerstoff des PEG-Anteils und der phenolischen Hydroxylgruppe von Wirk- oder auch Hilfsstoffen. Obwohl es sich hierbei um eine schwache elektrostatische Interaktion handelt, kann sie in bestimmten Konzentrationsbereichen ausreichen, um die Funktion des Emulgators signifikant zu stören und somit zum Brechen der Emulsion zu führen [9]. In diesem Falle ist es tatsächlich ratsam, sofern sich keine andere Inkompatibilität ergibt, auf eine Zubereitung oder Grundlage mit anionischem O/W-Emulgator auszuweichen.

Vorsicht mit oberflächenaktiven Wirkstoffen

Eine weitere mögliche Inkompatibilität ist die Bildung von Mischmizellen aus den Emulgator-Molekülen der flüssigen oder halbfesten Emulsion und grenzflächenaktiven Wirkstoffen. Besondere Gefahr besteht hier, wenn hydrophile oberflächenaktive Wirkstoffe in wasserreiche O/W-Cremes eingearbeitet werden sollen. Aufgrund ihrer Grenzflächenaktivität reichern sich auch die Wirkstoffmoleküle in der Grenzfläche zwischen hydrophiler und lipophiler Phase an und bilden Mischmizellen. Nach den obigen Ausführungen zur algebraischen Additivität der HLB-Werte und dem erforderlichen HLB-Wert zur Stabilisierung von Emulsionen ist nun klar, dass sich der HLB-Wert der Mischung an oberflächenaktiven Substanzen in der Grenzfläche durch die Einlagerung von Wirkstoffmolekülen merklich ändern kann [2]. Dies führt in Folge nicht selten zum direkten Brechen der Emulsionszubereitung oder zu reduzierter Stabilität während der Lagerung. Daneben kann es auch zu einem merklichen Wirkungsverlust kommen, da in der Grenzfläche adsorbierte Wirkstoffmoleküle für eine direkte Penetration in die Haut nicht mehr zur Verfügung stehen. Ein bekanntes Beispiel aus der Praxis ist die Einarbeitung von Polidocanol in die wasserhaltige Wollwachs­alkoholsalbe [9]. Schon bei geringen Konzentrationen an Polidocanol kann eine Verflüssigung der Zubereitung aufgrund der oben beschriebenen Interaktion beobachtet werden. Eine Lösung des Problems kann eine starke Reduktion des Wassergehaltes der wasserhaltigen Wollwachsalkoholsalbe auf maximal 20% oder die Verwendung der hydrophoben Basiscreme DAC mit Reduktion des Wassergehalts von ursprünglich 64,3% auf 9,9% sein [9].

Als letzte Inkompatibilität in diesem Bereich soll noch auf die Kombination von W/O-Systemen mit O/W-Systemen eingegangen werden, das heißt das Mischen verschiedener Emulsionssysteme, wie sie zum Beispiel häufig bei Verdünnungsrezepturen gefunden werden. Galenisch ist die Kombination von W/O- mit O/W-Emulsionen allerdings nicht sinnvoll, da es hier wie oben bereits angesprochen durch die unbedachte Kombination von Emulgatoren meist zum Brechen der Zubereitung kommt [2]. In der Regel stören sich die beiden unterschiedlichen Emulgator-Systeme an der Grenzfläche, und es kommt zu einer Änderung des HLB-Wert des Gesamtemulgator-Gemischs. Aus diesem Grund ist es ratsam, beim Verdünnen von halbfesten Fertigarzneimitteln eine geeignete Grundlage des gleichen Emulsionstyps zu wählen [2, 9]. |

Literatur

[1] Bauer KH, Frömming KH, Führer C. Pharmazeutische Technologie. 9. Auflage 2012, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart:131–136

[2] Fahr A, Voigt R. Pharmazeutische Technologie für Studium und Beruf. 12. Auflage 2015, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart:446-454

[3] Aulton ME. Aulton’s Pharmaceutics. The Design and Manufacture of Medicines. 3. Auflage 2007, Churchill Linvingston, 92–98

[4] Rowe RC et al. Handbook of Pharmaceutical Excipients. 6. Auflage, Pharmaceutical Press, London, 2009:651–652

[5] Florence AT, Attwood D. Physicochemical Principles of Pharmacy. 4. Auflage 2006, Pharmaceutical Press London

[6] Sinko PJ. Martin’s Physical Pharmacy and Pharmaceuticals Sciences. 6. Auflage 2011. Lippincott Williams & Wilkens

[7] Becher P. Emulsions, Theory and Practice. 2. Auflage 1966, Reinhold, New York:249

[8] Boyd J, Parkinson C, Sherman P. J Coll Interface Sci 1972;41:359

[9] Wolf G. Rezepturen – Probleme erkennen, lösen und vermeiden. 4. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart 2012

Autor

Prof. Dr. Heiko A. Schiffter-Weinle

Pharmaziestudium in Heidelberg, Promotion in Erlangen in pharmazeutischer Technologie, Postdoktorat und Lecturer in Bioingenieurwesen an der Universität Oxford, von 2012 bis 2015 tätig im Bereich Forschung und Entwicklung von pharmazeutischen Hilfsstoffen bei der BASF SE, seit September 2015 Professur für Galenik an der Technischen Hochschule in Köln.

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