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Schutz vor Verderben

Konservierungsmittel in der Rezeptur

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Von Heiko Schiffter-Weinle | Arzneimittelzubereitungen können je nach Typ und Formulierung für einen mikrobiellen Befall prädestiniert sein. Obwohl in der Regel deutlich ungünstigere Bedingungen für ein mikrobielles Wachstum herrschen als zum Beispiel in manchen Nahrungsmitteln, können auch hier gesundheitsgefährdende Mikroorganismen bis zu hohen Konzentrationen wachsen, wenn die Formulierungen nicht geschützt werden. Konservierungsmittel stellen deshalb einen wichtigen Aspekt der Formulierungsentwicklung von Arzneimitteln dar, gerade vor dem Hintergrund, dass vor allem kranke und meist weniger widerstandfähige Menschen die hergestellten Arzneimittel einnehmen oder anwenden.

Anforderungen an nicht-sterile Arzneimittel

Das Europäische Arzneibuch spezifiziert in Monographie 5.1.4 die mikrobiologische Qualität von nicht-sterilen pharmazeutischen Zubereitungen und von Substanzen zur pharmazeutischen Verwendung. In nicht-sterilen Zubereitungen darf die therapeutische Aktivität nicht durch Mikroorganismen verringert werden, eine Gefährdung der Gesundheit des Patienten sollte ausgeschlossen sein. Daher muss bei Herstellung, Lagerung und Inverkehrbringen eine niedrige mikrobielle Ausgangsbelastung gewährleistet werden. Das Arzneibuch sieht als Kriterien für nicht-sterile Darreichungsformen die Gesamtzahl aerober Mikroorganismen und die Gesamtzahl von Hefen und Schimmelpilzen vor. Tabelle 1 enthält eine Liste mit spezifizierten Mikroorganismen, für die je nach Darreichungsform und Applikationsweg Akzeptanzkriterien festgelegt wurden.

Tab. 1: Akzeptanzkriterien für die mikrobiologische Qualität nicht-steriler Darreichungsformen [1], KBE: kolonienbildende Einheit
Anwendung derDarreichungsform
Gesamtanzahl an aeroben Mikroorganismen (TAMC)
Gesamtanzahl an Hefen und Schimmelpilzen (TYMC)
spezifizierte Mikroorganismen
nicht-wässrige Zubereitungen zum Einnehmen
103 KBE/g oder KBE/ml
102 KBE/g oder KBE/ml
Abwesenheit von Escherichia coli (1 g oder ml)
wässrige Zubereitungen zum Einnehmen
102 KBE/g oder KBE/ml
101 KBE/g oder KBE/ml
Abwesenheit von Escherichia coli (1 g oder ml)
rektale Anwendung
103 KBE/g oder KBE/ml
102 KBE/g oder KBE/ml
Abwesenheit von Escherichia coli (1 g oder ml)
Anwendung in der Mundhöhle und am Zahnfleisch;
kutane Anwendung; Anwendung in der Nase und am Ohr
102 KBE/g oder KBE/ml
101 KBE/g oder KBE/ml
Abwesenheit von Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa (1 g oder ml)
vaginale Anwendung
102 KBE/g oder KBE/ml
101 KBE/g oder KBE/ml
Abwesenheit von Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus und Candida albicans(1 g oder ml)
transdermale Pflaster (Grenzwerte für 1 Pflaster einschließlich der Haft- und Trägerschicht)
102 KBE/Pflaster
101 KBE/Pflaster
Abwesenheit von Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa (1 Pflaster)
Anwendung durch Inhalation (spezielle Anforderungen für flüssige Zubereitungen zur Vernebelung)
102 KBE/g oder KBE/ml
101 KBE/g oder KBE/ml
Abwesenheit von Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosaAbwesenheit von Gallensalze-tolerierenden, gramnegativen Bakterien (1 g oder ml)

Gefährdete Produkte und Materialien

Ob eine Arzneiform anfällig für einen mikrobiellen Befall ist oder nicht hängt von der Zusammensetzung und dem physikalischen Zustand ab. Wie andere lebende Organismen benötigen auch Bakterien und Pilze Wasser, um wachsen zu können. Vor allem Produkte mit ausreichend großem Wasser­anteil sind hinsichtlich eines mikrobiellen Wachstums und Verderbs gefährdet. Hierzu zählen flüssige und halbfeste Darreichungsformen wie Lösungen, Säfte, Suspensionen, Emulsionen, Cremes etc. Die Tatsache, dass ein Produkt Wasser enthält, bedeutet aber noch nicht automatisch, dass das Wasser auch für die chemischen Reaktionen zur Verfügung steht, die den Mikroorganismen das Wachstum ermöglichen. Einige der Wassermoleküle in Lösungen sind an die gelösten Moleküle über Wasserstoffbrückenbindungen oder andere Mechanismen gebunden. Daher sollte das freie verfügbare Wasser betrachtet werden, mit dem Mikroorganismen interagieren können. Dies geschieht durch Berechnung der Wasseraktivität (AW), die definiert ist als der Quotient des Dampfdrucks von Wasser über einer Lösung geteilt durch den Dampfdruck über reinem Wasser bei der gleichen Temperatur. Die Zahlenwerte liegen zwischen 0 und 1,0, wobei 1,0 reines Wasser repräsentiert. Mit zunehmender Konzentration gelöster Bestandteile in der Lösung sinkt der Wert für die Wasseraktivität und damit auch die Zahl der verschiedenen Arten an Mikroorganismen, die noch wachsen können. An vielen Stellen spiegeln die Werte für die Wasseraktivität die natürliche Umgebung des Mikroorganismus wieder. So braucht Pseudomonas und andere durch Wasser übertragene Mikroorganismen eine hohe Wasseraktivität für optimales Wachstum, wohingegen auf der Haut vorkommende Organismen wie Staphylococcus und Mikrococcus eine niedrigere Wasseraktivität tolerieren können. Letztere sind eine Umgebung mit hoher Salzkonzentration, sezerniert durch die Schweißdrüsen, gewohnt. Dieser Zusammenhang zwischen Wasseraktivität und mikrobiellem Wachstum ist auch der Grund, warum hoch konzentrierte Sirupe meist selbst-konservierend und nicht durch mikrobiellen Verderb gefährdet sind.

Kontaminationsquellen

Um Arzneiformen mit akzeptabler mikrobiologischer Qualität herzustellen, ist es notwendig, die häufigsten Kontaminationsquellen einschließlich der assoziierten Mikroorganismen zu kennen. Eine mikrobielle Kontamination bei der Herstellung kann prinzipiell durch die Ausgangsstoffe oder Ausgangsmaterialien (einschließlich Wasser), durch Verpackungsmaterialien, durch die Arbeitsumgebung oder durch das herstellende Personal erfolgen. Eine der wesentlichen Maßnahmen zur Verminderung des Keimgehalts ist deshalb das „Fernhalten“ von Mikroorganismen aus dem Produkt durch kontrollierte Ausgangsmaterialien sowie einer angepassten und kontrollierten Produktionshygiene. Darüberhinaus kann aber auch die Anwendung und Lagerung durch den Patienten eine nicht zu unterschätzende Kontaminationsquelle sein. Um die vorliegende mikrobiologische Reinheit während der Aufbewahrung zu gewährleisten, ist deshalb eine Stabilisierung mit antimikrobiell wirksamen Stoffen (Konservierungsmitteln) notwendig.

Konservierungsmittel und Wirkungsweise

Konservierungsmittel sind chemische Stoffe, die auf Mikroorganismen schädigend wirken, indem sie den Mikroorganismus an der Zellwand oder im Zellinneren angreifen. Ihre Wirkungsweise ist zum einen anhängig von der Konzentration und zum anderen von je nach Substanzgruppe spezifischen Reaktionen. Konservierungsmittel haben in der Regel einen amphiphilen Charakter. Die Hydrophilie ist dafür verantwortlich, dass die Konservierungsmittelmoleküle sich in Wasser lösen und an die Mikroorganismenmembran transportiert werden. Die Lipophilie ist Voraussetzung für ein Eindringen bzw. Durchdringen der Membran. In mikrobi­statischer Konzentration, das heißt in Konzentrationen, die das Wachstum blockieren, kommt es zu einer Anreicherung der Stoffe an der Zellmembran der Mikroorganismen, die zu toxischen Zellmembranveränderungen und einer Permeationserhöhung in das Zellinnere führen. In mikrobizider ­Konzentration, das heißt in Konzentrationen, die den Zelltod direkt herbeiführen, ist die Durchlässigkeit der Zellmembran derart hoch, dass ins Zellinnere eingedrungene Konservierungsmittelmoleküle eine Desorientierung des kolloid-­physikalischen Systems bewirken, was zu Autolyse führen kann [3]. Eine solch strenge Differenzierung zwischen Mikrobistase und Mikrobizidie ist bei genauer Betrachtung allerdings nicht gerechtfertigt, da sich beide vor allem durch die Absterberate unterscheiden, das heißt durch die Geschwindigkeit der Abtötung der Mikroorganismen [4].

Anforderungen an Konservierungsmittel

Die Anforderungen, die an ein Konservierungsmittel gestellt werden sind vielfältiger Natur. Dazu gehören

  • ein breites Wirkungsspektrum gegen grampositive und gramnegative Bakterien, Hefen und Pilze;
  • keine Anfälligkeit für Resistenzenbildung;
  • niedrige Humantoxizität und somit einsetzbar in topischen, oralen und parenteralen Produkten;
  • gute Löslichkeit in Wasser und niedrige Löslichkeit in Öl;
  • stabil und wirksam über einen großen pH-Bereich und kompatibel mit anderen Formulierungsbestandteilen;
  • nicht flüchtig, geruchlos und geschmacklos.

Es gibt kein Konservierungsmittel, das diese Kriterien komplett erfüllt. Es muss immer ein gewisser Kompromiss in Abhängigkeit von der Formulierungszusammensetzung und der beabsichtigten Anwendung der Arzneiform eingegangen werden. Vor allem der Applikationsort und die Applikationsart sind limitierende Faktoren in Hinblick auf die Auswahl des Konservierungsmittels. Die größte Zahl an Konservierungsmitteln steht für topische Arzneiformen zur Verfügung, wohingegen die Zahl für orale oder gar parenterale Arzneiformen deutlich reduziert ist. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die unterschiedlichen Substanzklassen einschließlich Beispielen, Konzentrationen und Anwendungsbereichen.

Tab. 2: Übersicht über die gängigen Konservierungsmittel zum Einsatz in pharmazeutischen Darreichungsformen [5]
Stoffklasse
Konservierungsmittel
pH-Bereich
pH-Optimum
Konzen­tration [%]
Wasserlöslichkeit
bevorzugt verwendet
CAVE
quartäre Stickstoff­verbindung
Benzalkoniumchlorid
4 bis 8
7 bis 8
0,005 bis 0,02
sehr leicht wasserlöslich
Ophthalmika; Inhalanda; Nasalia; Dermatika
Einschränkung bei Nasalia, wegen Beeinträchtigung des Flimmerepithels
Cetrimoniumbromid (Cetrimid)
4 bis 8
4 bis 8
0,005 bis 0,01
leicht wasserlöslich
Ophthalmika; Nasalia; Dermatika; Oralia
Berichte über zunehmende Allergisierung
Cetylpyridiniumchlorid
4 bis 8
6 bis 8
0,001 bis 0,01
wasserlöslich; schäumt beim Schütteln
Dermatika; ­Ophthalmika
Carbonsäure
Benzoesäure
≤ 5
≤ 5
0,1 bis 0,5
Wasserlöslichkeit: 0,29 %
Dermatika; Rektalia; Vaginalia; Oralia; Mund- und Rachentherapeutika
Pädiatrie, weil toxikologisch relevant; Ophthalmika; Nasalia; verletztes Ohr; Inhalanda
Natrium­benzoat
≤ 5
≤ 5
0,15 bis 1,0
sehr leicht wasserlöslich
Dermatika; Rektalia; Vaginalia; Oralia; Mund- und Rachentherapeutika
Pädiatrie, weil toxikologisch relevant; Ophthalmika; Nasalia; verletztes Ohr; Inhalanda
Kaliumsorbat
3,5 bis 5,5
3,5 bis 5,5
0,07 bis 0,3
sehr leicht wasserlöslich
Dermatika; Rektalia; Vaginalia; Oralia; Mund- und Rachentherapeutika
Ophthalmika; Nasalia; Inhalanda
Sorbinsäure
3,5 bis 5,5
3,5 bis 5,5
0,05 bis 0,2
Wasserlöslichkeit: 0,16 %
Dermatika; Rektalia; Vaginalia; Oralia; Mund- und Rachentherapeutika
Ophthalmika; Nasalia; Inhalanda
Alkohol
Benzylalkohol
≤ 8
≤ 5
0,5 bis 2
Wasserlöslichkeit: ca. 4 %
Dermatika; Parenteralia
Pädiatrie, weil toxikologisch relevant
Chlorobutanol
≤ 4
≤ 4
0,05 bis 0,5
Wasserlöslichkeit: 0,8 %
Dermatika; Ophthalmika
Zubereitungen mit langer Laufzeit sollten gepuffert werden
Ethanol
pH-unabhängig
pH-unabhängig
≥  18 (V/V)
mit Wasser mischbar
Dermatika; Oralia
Pädiatrie, weil toxikologisch relevant
Isopropanol
pH-unabhängig
pH-unabhängig
≥  15 (V/V)
mit Wasser mischbar
Dermatika; Otologika
Pädiatrie, weil toxikologisch relevant
Pentylenglycol
pH-unabhängig
pH-unabhängig
10 (bezogen auf Wasserphase)
mit Wasser mischbar
Dermatika
Propylenglycol
pH-unabhängig
pH-unabhängig
20 (bezogen auf Wasserphase)
mit Wasser mischbar
Dermatika; Rektalia; Vaginalia; Oralia
Pädiatrie, weil toxikologisch relevant
2‑Phenoxyethanol
pH-unabhängig
pH-unabhängig
0,5 bis 2
Wasserlöslichkeit: 2,3 %
Dermatika; Parenteralia
Stoffklasse
Konservierungsmittel
pH-Bereich
pH-Optimum
Konzen­tration [%]
Wasserlöslichkeit
bevorzugt verwendet
CAVE
Phenol
Chlorocresol
≤ 10
≤ 4
0,1 bis 0,2
schwer wasserlöslich
Parenteralia
brennt auf Schleimhäuten
Cresol
≤ 10
≤ 4
0,2 bis 0,4
sehr schwer wasserlöslich
Seren; wässrige Injektionspräparate
brennt auf Schleimhäuten
4‑Hydroxybenzoesäureester (PHB-­Ester) [Mischung aus Methyl- und Propylester (3+1)]
1 bis 8,5 (Hydrolyse bei pH > 8)
4 bis 6
0,05 bis 0,1
Methyl-4-hydroxybenzoat: Wasserlöslichkeit: 0,25 % Propyl-4-hydroxybenzoat: Wasserlöslichkeit: 0,04 %
Dermatika; Rektalia; Vaginalia; Oralia; Mund- und Rachentherapeutika; Inhalanda; Parenteralia
Allergierisiko; Ophthalmika und Nasalia (lokale Reizungen)
Methyl-4-­hydroxy­benzoat
1 bis 8,5 (Hydrolyse bei pH > 8)
4 bis 6
0,05 bis 0,2
Wasserlöslichkeit: 0,25 %
Dermatika; Rektalia; Vaginalia; Oralia; Mund- und Rachentherapeutika; Inhalanda; Parenteralia
Allergierisiko; Ophthalmika und Nasalia (lokale Reizungen)
Propyl-4-­hydroxy­benzoat
1 bis 8,5 (Hydrolyse bei pH > 8)
4 bis 6
0,01 bis 0,03
Wasserlöslichkeit: 0,04 %
Dermatika; Rektalia; Vaginalia; Oralia; Mund- und Rachentherapeutika; Inhalanda; Parenteralia
Allergierisiko; Ophthalmika und Nasalia (lokale Reizungen)
Organo-Quecksilberverbindung
Phenyl­mercuriacetat
> 7
7 bis 9
0,002 bis 0,005
Wasserlöslichkeit: 0,2 %
Ophthalmika
Organo-Quecksilberverbindungen sollten möglichst vermieden werden
Phenyl­mercuriborat
> 7
7 bis 9
0,002 bis 0,005
schwer wasserlöslich
Ophthalmika
Organo-Quecksilberverbindungen sollten möglichst vermieden werden
Phenyl­mercurinitrat
>  7
7 bis 9
0,002 bis 0,005
sehr schwer wasserlöslich; löst sich in Glycerol und fetten Ölen
Ophthalmika
Organo-Quecksilberverbindungen sollten möglichst vermieden werden
Thiomersal
<  7
4 bis 7
0,001 bis 0,01
leicht wasserlöslich
Ophthalmika; vereinzelt Parenteralia
Organo-Quecksilberverbindungen sollten möglichst vermieden werden
sonstige
Chlorhexidindiacetat
5 bis 8 (Ausfällung bei pH  >  8)
5 bis 6
0,01 bis 0,1
Wasserlöslichkeit: 1,9 %
Dermatika; Mund- und Rachentherapeutika; Ophthalmika
Auricularia (Aufbereitungsmonographie); Nasalia (lokale Reizungen); Wundbehandlung
Chlorhexidindigluconat
5 bis 8 (Ausfällung bei pH  >  8)
5 bis 6
0,01 bis 0,1
Wasserlöslichkeit: > 70 %
Dermatika; Mund- und Rachentherapeutika; Ophthalmika
Auricularia (Aufbereitungsmonographie); Nasalia (lokale Reizungen); Wundbehandlung
Polihexanid
5 bis 8
5 bis 8
0,001 bis 0,1
leicht wasserlöslich
Dermatika; Ophthalmika; Nasalia; Wund- und Mund­therapeutika

Beeinflussung der Aktivität

Wie erwähnt haben Konservierungsmittel amphiphile Eigenschaften und somit auch eine gewisse Affinität zur lipophilen Phase, wenn es sich bei der Arzneiform um flüssige oder halbfeste Emulsionszubereitungen handelt. Ist die Affinität zu hoch, das heißt ist der Verteilungskoeffizient groß, reichert sich das Konservierungsmittel in der lipophilen Phase an. Dies kann zu einer Verringerung der Konzentration in der Wasserphase führen, wodurch der mikrobielle Schutz gemindert wird. Wird zum Beispiel Chlorocresol mit einem Verteilungskoeffizienten von 117 in der wässrigen Phase eines Systems bestehend aus Wasser und Erdnussöl (1:1) in einer Konzentration von 0,1% gelöst, so sinkt durch die anschließende Verteilung der Substanz und der Anreicherung in der Öl­phase die Konzentration von Chlorocresol in der Wasserphase auf 0,0017% [3]. Bei der Auswahl des Konservierungsmittels in Emulsionen ist deshalb stets auf den Verteilungskoeffizienten der konservierenden Substanz sowie das Phasenverhältnis zwischen Wasser- und Ölphase zu achten.

Und wieder mal der pH-Wert

Bei Konservierungsmitteln, die sowohl im dissoziierten als auch im undissoziierten Zustand vorkommen können, ist der Dissoziationsgrad und damit häufig auch ihre Aktivität stark vom pH-Wert abhängig. Die undissoziierte Form ist aufgrund ihrer höheren Lipophilie meist besser antimikrobiell wirksam, ist aber auch schlechter wasserlöslich als die dissoziierte Form. Deutlich wird das am Beispiel der Sorbinsäure (Hexadiensäure, E 200) bzw. ihres Alkalisalzes Kaliumsorbat. Sorbinsäure wirkt vor allem gegen Hefen und Schimmelpilze, nur untergeordnet auch gegen Bakterien [6, 7]. Die Wirkung ist an die undissoziierte Form, also die Sorbinsäure, gebunden. Die Sorbinsäure steht aber mit ihrem Salz, dem Sorbat, in einem pH-abhängigen Gleichgewicht. Unter Verwendung der Henderson-Hasselbalch-Gleichung und des pKS-Werts der Sorbinsäure lässt sich das Verhältnis von Sorbinsäure zu Sorbat beim in der Formulierung vorliegenden pH-Wert berechnen. In der Literatur wird der optimale pH-Bereich für die Verwendung von Sorbinsäure als Konservierungsmittel mit 3,5 bis 5,5 angegeben [5]. Oberhalb dieses pH-Werts liegen weniger als 20% Sorbinsäure im Gleichgewicht vor, was die Konservierung negativ beeinflusst. Bei der Rezepturherstellung muss auch beachtet werden, dass Sorbinsäure selbst nur begrenzt wasserlöslich, wasserdampfflüchtig und sublimierbar ist [6]. Aus diesem Grund wird bei der Rezepturherstellung das deutlich besser wasserlösliche Kaliumsorbat eingesetzt, aus dem im sauren pH-Bereich durch das Gleichgewicht das eigentliche Konservierungsmittel Sorbinsäure entsteht.

Verdünnung

Der Zusammenhang zwischen Konzentration und Wirkung eines Konservierungsmittels wird durch den Verdünnungskoeffizienten beschrieben, der auch Konzentrationsexponent genannt wird. Der Verdünnungskoeffizient ist stark abhängig von der chemischen Struktur der Verbindung, sodass Konservierungsmittel der gleichen Stoffklasse auch in etwa den gleichen Verdünnungskoeffizienten haben. Tabelle 3 gibt eine Übersicht über die Verdünnungskoeffizienten einiger wichtiger Konservierungsmittelgruppen. Gemäß der folgenden Gleichung kann unter Verwendung des Verdünnungskoeffizienten die Zeit, die für eine 99%ige Keimzahl­reduzierung benötigt wird, in Abhängigkeit von der Verdünnung berechnet werden:

Hierbei sind t1 und t2 die benötigten Zeiten für eine 99%ige Keimzahlreduzierung bei den Konzentrationen C1 bzw. C2 des Konservierungsmittels. n steht für den Verdünnungs­koeffizienten. Bei phenolischen Verbindungen mit einem Verdünnungskoeffizienten von n = 6 führt eine Herabsetzung der Konzentration auf die Hälfte zu einer 64-fachen Verlängerung der Abtötungszeit. Es ist deshalb wichtig, sich Gedanken zu machen, wie die Zusammensetzung einer Formulierung möglicherweise die Konzentration eines Konservierungsmittels herabsetzen kann. Gerade bei Emulsionen kann es aufgrund der Verteilung des Konservierungsmittels zwischen hydrophiler und lipophiler Phase zu einer Reduktion der Konzentration in der Wasserphase und somit zu einer verminderten Konservierungsmittelwirkung kommen. Weitere Inkompatibilitäten, die ebenfalls die Konzentration an freien, zur Verfügung stehenden Konservierungsmittelmolekülen vermindern können, ist der Einschluss in Tensidmizellen und die Interaktion mit makromolekularen Hilfsstoffen. Diese Inkompatibilitäten sind vor allem für Konservierungsmittel mit phenolischer Struktur in der Literatur beschrieben [9]. Schließlich darf auch eine mögliche Sorption der Konservierungsmittel an elastische Verschlussmaterialien und Kunststoffbehältnisse nicht außer Acht gelassen werden.

Tab. 3: Verdünnungkoeffizienten einiger Konservierungsmittelgruppen [8]
Konservierungsmittel
Verdünnungs­koeffizient n
Organo-Quecksilberverbindungen
0,5
quartäre Ammoniumverbindungen
1,0
Chlorhexidin
2,0
PHB-Ester
2,5
Phenole
6,0

Test auf ausreichende Konservierung

Während der Entwicklung einer pharmazeutischen Zubereitung muss nachgewiesen werden, dass die antimikrobielle Wirkung der Zubereitung als solche oder durch Zusatz eines geeigneten Konservierungsmittels einen ausreichenden Schutz vor einer Vermehrung von Mikroorganismen während der Lagerung und des Gebrauchs gewährt. Aus diesem Grund wird im Rahmen der Formulierungsentwicklung mittels des im Arzneibuch beschriebenen Konservierungsbelastungstest auf ausreichende antimikrobielle Konservierung geprüft. Hierzu wird die Zubereitung, wenn möglich in ihrem Endbehältnis, mit einem vorgeschriebenen Inokulum geeigneter Mikroorganismen kontaminiert und bei vorgeschriebener Temperatur gelagert. Nach definierten Zeiträumen wird eine Probe entnommen und darin die Anzahl der Mikroorganismen bestimmt. Gemäß Ph. Eur. hat die Zubereitung ausreichend konservierende Eigenschaften, wenn eine eindeutige Verminderung oder gegebenenfalls keine Vermehrung der Keimzahl zu erkennen ist [10]. Als Test­organismen werden nach Ph. Eur. Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus, Candida albicans und Aspergillus niger verwendet und so in die Zubereitung inokuliert, dass eine Keimdichte von 105 bis 106 Mikroorganismen je Milli­liter oder Gramm der Zubereitung erhalten wird. Für alle Zubereitungen zum Einnehmen werden zusätzlich Escherichia coli und für alle Zubereitungen zum Einnehmen mit hohem Zuckeranteil Zygosaccharomyces rouxii empfohlen. Der konservierende Effekt wird durch die Bestimmung der Zahl an koloniebildenden Einheiten (KBE) zu unterschiedlichen Zeitpunkten während der 28-tägigen Prüfperiode erfasst. Eine ausreichende antimikrobielle Wirksamkeit der Zubereitung liegt vor, wenn eine Verminderung der Keimzahl entsprechend der Kriterien des Ph. Eur. in Tabelle 4 erreicht wird. |

Tab. 4: Prüfung auf ausreichende antimikrobielle Konservierung gemäß Methode 5.1.3 des Ph.Eur. 8.0. [10, 11]
Parenteralia und Ophthalmika
Kriterium
6 Stunden
24 Stunden
7 Tage
14 Tage
28 Tage
Bakterien
A
102
103
vermehrungsfähige Keime nicht nachweisbar
B
101
103
keine Zunahme der Keimzahl
Pilze
A
102
keine Zunahme der Keimzahl
B
101
keine Zunahme der Keimzahl
Zubereitungen zur topischen Anwendung
Kriterium
2 Tage
7 Tage
14 Tage
28 Tage
Bakterien
A
102
103
keine Zunahme der Keimzahl
B
103
keine Zunahme der Keimzahl
Pilze
A
102
keine Zunahme der Keimzahl
B
101
keine Zunahme der Keimzahl
Zubereitungen zum Einnehmen
14 Tage
28 Tage
Bakterien
103
keine Zunahme der Keimzahl
Pilze
101
keine Zunahme der Keimzahl

Kriterien:

A empfohlene Wirksamkeit

B muss erfüllt werden, wenn A nicht angewendet werden kann (z. B. wegen Risiko von Nebenwirkungen des Konservierungsmittels)

Literatur

[1] Europäisches Arzneibuch Ph. Eur. 8.0. Monographie 5.1.4. Mikrobiologische ­Qualität von nicht­-sterilen pharmazeutischen Zubereitungen und von Substanzen zur pharmazeutischen Verwendung

[2] Aulton ME. Aulton’s Pharmaceutics. The Design and Manufacture of Medicines. 3. Auflage 2007. Churchill Linvingston:640–649

[3] Fahr A, Voigt R. Pharmazeutische Technologie für Studium und Beruf. 12. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart 2015:600–605

[4] Lück E, Jager M. Antimikrobielle Wirkung der Konservierungsstoffe. In: Chemische Lebensmittelkonservierung. Springer Berlin Heidelberg1995:40–63

[5] Ziegler A. Plausibilitäts-Check Rezeptur. 3. Auflage. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2015

[6] Bracher F et al. Kaliumsorbat (4.00/0618). Arzneibuch-Kommentar. Gesamtwerk einschließlich 53. Aktualisierungslieferung 2016. ­Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart

[7] Reiß D. Konservierung von Lebensmitteln. Wissenschaftliche Hausarbeit im Bereich Lehramt am Fachbereich Chemie. 2007. Universität Marburg

[8] List PH, Hörhammer L. Arzneiformen und Hilfsstoffe: Teil B: Hilfsstoffe Band 7 von Handbuch der Pharmazeutischen Praxis - Vollständige (4.) Neuausgabe Arzneiformen. Hilfsstoffe. Springer-Verlag 2013

[9] Wolf G. Rezepturen – Probleme erkennen, lösen und vermeiden. 4. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2012

[10] European Pharmacopeia 8.0. Prüfung aus ausreichende antimikrobielle Konservierung. 8.0/5.01.03.00; 2013:885–886

[11] Bauer KH, Frömming K-H, Führer C. Pharmazeutische Technologie. 9. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2012:250


Autor

Prof. Dr. Heiko A. Schiffter-Weinle

Pharmaziestudium in Heidelberg, Promotion in Erlangen in pharmazeutischer Technologie, Postdoktorat und Lecturer in Bioingenieurwesen an der Universität Oxford, von 2012 bis 2015 tätig im Bereich Forschung und Entwicklung von pharmazeutischen Hilfsstoffen bei der BASF SE, seit September 2015 Professur für Galenik an der Technischen Hochschule in Köln.

autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

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