Aus den Ländern

Rx-Versandverbot: Schmidt bleibt optimistisch

Bericht von der Sächsischen Kammerversammlung

DRESDEN (diz) | „Nutzen Sie die Chancen! Reden Sie mit Ihren Patienten und Ärzten über die unverzichtbaren Leistungen der Vor-Ort-Apotheke!“ Eindringlich appellierte Friedemann Schmidt in seiner Eigenschaft als Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer an die Kammerversammlung, vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils alles zu versuchen, ein Rx-Versandverbot zu erreichen. Er sieht Chancen, dass sich die Politik darauf verständigen kann.
Foto: DAZ/diz
Friedemann Schmidt, Präsident der Landesapothekerkammer Sachsen, rief dazu auf, mit Patienten, Ärzten und Freunden zu reden, um ihnen die Bedeutung der Apotheker vor Ort zu verdeutlichen.

Das EuGH-Urteil stand auf der 57. Sitzung der Kammerversammlung am 9. November in Dresden im Mittelpunkt des Berichts des Präsidenten. Das Gesundheitswesen und seine Regulierungen fallen, so Schmidt, in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten – darüber habe es bisher keine Diskussionen gegeben. Das jüngste ­EuGH-Urteil, das den einheitlichen Arzneimittelpreis bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln für auslän­dische Versandapotheken, die nach Deutschland liefern, aufhebt, verwunderte sogar Rechtsexperten. Nach Ansicht des Apothekenrechtlers Elmar Mand überzeuge das Urteil nicht, es zwinge zu Anpassungen im nationalen Recht, Nachjustierungen würden kommen. Schmidt befürchtet: „Das läuft in Europa auf ein harmonisiertes Gesundheitswesen hinaus mit niedrigen Sicherheitsstandards. Sollte das Urteil eine Strategie der EU-Kommission widerspiegeln, dann stehen uns schwierige Zeiten bevor. Eingriffe in die Lebenswelt der Bürger würden wahrscheinlich.“ Möglicherweise sei dies ein Schritt auf dem Weg in einen europäischen Einheitsstaat, „das kann man gut finden, muss man aber nicht“.

Rx-Versandverbot: Es dauert noch Monate

Die deutsche Politik habe die Auswirkungen erkannt und favorisiert deshalb ein Versandverbot von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. „Das ist kein Einknicken vor Partikular­interessen der Apotheker“, so Schmidt, „wir bilden uns auch nicht ein, dass das Rx-Versandverbot ausschließlich auf unser Betreiben hin gefordert wird. Wir unterstützen diese Forderung, es ist die einzige Alternative. Unsere Aufgabe ist es, das Bundesgesundheitsministerium zu unterstützen.“ Schmidt räumte allerdings ein, dass es nicht einfach sein werde, das Verbot durchzubringen, vor allem: „Der Zeitverlauf erstreckt sich über Monate hinweg, nicht zuletzt wegen des notwendigen EU-Notifizierungsverfahrens.“

Jetzt komme es darauf an, Patienten über den Wert der wohnortnahen Versorgung aufzuklären: „Wir sind besser und schneller als der Versandhandel! Aber im Preiswettbewerb sehe dies anders aus, denn an die Präsenzapotheke werden hohe Anforderungen hinsichtlich der Sicherheit und des Patientenschutzes gestellt, was sich allerdings – im Vergleich mit dem ausländischen Versandhandel – als Kostennachteil für die Apotheke auswirke. „Deshalb müssen wir den Patienten nahebringen, dass wir in der Vor-Ort-Apotheke hohe Anforderungen haben aus Gründen der Arzneimittelsicherheit und des Patientenschutzes“. Für Schmidt ist es klar: „Viele Apotheken können nicht bestehen, wenn wir in diesen Wettbewerb eintreten.“ Aber selbst wenn die Apotheken die Verluste hinnehmen wollten, könne man den aus dem Preiswettbewerb resultierenden Nachteil für die Patienten nicht tolerieren, hob Schmidt hervor: „Für viele Patienten bedeutet die Bestellung im Internet eine Barriere, sie brauchen persönliche Hilfe, direkte Zuwendung, das ist unersetzbar und unbezahlbar. Gleicher Preis für gleiche Leistung ist das tragende Prinzip in der Gesundheitsversorgung.“ Der Zugang zu Leistungen dürfe nicht abhängig sein vom Ort, an dem man wohnt, oder ob man per Internet bestellt, „dafür werden wir kämpfen“, so Schmidt.

Patientenansprache mit Emotionen

Schmidt ist sich im Klaren darüber, dass es schwer ist, Patienten mit ­Argumenten zu überzeugen, ihnen unsere Preisstruktur zu erklären. „Es bleibt zweifelhaft, ob die Patienten das verstehen“, ist sich Schmidt bewusst, „die Komplexität unseres Systems ist sehr groß“. Dennoch, die Patienten­ansprache sei unverzichtbar. Sein Rat: „Wir müssen es emotional machen, mit menschlichen Argumenten: Was hat der Patient davon, dass wir Apotheker vor Ort sind – das sollten wir thematisieren.“

Zur Prognose, ob ein Rx-Versandverbot kommt: Schmidt hofft, dass sich auch die SPD beim Rx-Versandverbot einig wird. „Ich bin nach wie vor optimistisch, da die SPD keine Alternative skizzieren konnte.“ Außerdem, so Schmidt, sei eine diskutierte Höchstpreisverordnung der absolut falsche Schritt.

Schmidts eindringlicher Appell auf der Kammerversammlung: „Bitte reden Sie mit allen, mit Patienten, Ärzten, Freunden. Die Unterstützung in der Bevölkerung ist größer, als wir annehmen. Nutzen Sie diese Chance!“

Der Kammerpräsident machte ebenfalls deutlich, dass man keine Preisverstöße dulden werde. Er warnte davor, den Kunden stillschweigend Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel einzuräumen, beispielsweise durch den Erlass der Zuzahlung: „Dem werden wir nachgehen.“

Was die ABDA jetzt tut

Eine Plakataktion in Berlin, aber auch Anzeigen in Tageszeitungen, sollen Politiker, Meinungsbildner und Bürger über die Situation der Apotheken nach dem EuGH-Urteil aufklären. Gespräche mit Abgeordneten haben stattgefunden. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach habe sich allerdings als einziger dem Gesprächstermin entzogen, wie Schmidt anmerkte. Die von der SPD vorgetragenen Argumente, der Versandhandel mit Arzneimitteln sei unersetzlich, könne leicht entkräftet werden. „Aktuell“, so Schmidt, „stößt man in der großen Koalition auf eine uneinheitliche Gemengelage“. Immerhin habe Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel Handlungsbedarf zugegeben. Inhaltliche Übereinstimmung finde man aufseiten der Linken vor. Voraussichtlich im Dezember folgt eine Unterschriftenaktion in den Apotheken, um den Patienten die Funktionen und die Bedeutung des Vor-Ort-Standorts nahezubringen und sie dafür zu gewinnen. Ein Infoblatt, das den Patienten rundum informiert, werde es nicht geben, es wäre zu komplex. „Nur das persönliche Gespräch mit den Kunden mache Sinn“, so Schmidt, „reden ist der einzige Weg. Nur wenn Emotionalität im Spiel ist, wird es erfolgreich sein.“

Dass sich auch andere Marktteilnehmer wie Verlage und der Großhandel für die Aufklärung über die Situation der Apotheken einsetzten, hob Schmidt positiv hervor: „Wir brauchen Partner, auch andere Organisationen wie die DPhG, Ärzte- und Unternehmensverbände.“ Die ABDA werde auch auf den Börsenverein des Buchhandels zugehen und für Unterstützung werben. Denn auch die Buchpreisbindung sei eine regulative Maßnahme, vergleichbar mit dem einheitlichen Abgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel: „Unser Problem reicht weit über unser kleines Feld hinaus. Wir brauchen eine Strategie, die über Monate trägt, der parlamentarische Prozess wird dauern, deswegen sind Unterstützungen sehr wichtig.“

Pharmazie bleibt in Leipzig

Das zweite große Thema im Bericht des Präsidenten: Die Zukunft der Pharmazie-Ausbildung an der Universität Leipzig ist gesichert. 2011 hatte der Freistaat seinen Hochschulen einen umfangreichen Stellenabbau auferlegt. Das Rektorat hatte daraufhin u. a. 21 Stellen aus dem bisherigen Institut für Pharmazie für den Abbau gemeldet. Nach fünf Jahren harten Ringens und konstruktiven Verhandlungen wird die Pharmazie in Leipzig fortgeführt. Es soll einen Modellstudiengang innerhalb der Medizinischen Fakultät geben. Für die Studierenden hat dies den Vorteil, dass sie die verstärkte Kooperation zwischen Arzt und Apotheker für das Management von Arzneimitteltherapien bereits im Studium einüben können.

Schmidt zeigte sich sehr erleichtert darüber, die Hartnäckigkeit aller Beteiligten, von der Politik über die Studierenden und die Hochschullehrer bis hin zur Kammerversammlung, habe sich ausgezahlt. Jetzt komme es darauf an, daraus etwas Besonderes und Dauerhaftes zu machen. Schmidt: „Das ist einmalig in Deutschland, es ist eine große Chance, dass sich Mediziner und Pharmazeuten schon im Studium näherkommen und lernen, eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Wir bekommen die Chance, unseren Wunsch zu verwirklichen, näher zusammenzurücken.“ Er dankte allen, die an der Rettung der Pharmazie Leipzig beteiligt waren, und erinnerte daran, dass das Veto der damaligen Staatsministerin Christine Clauß die Schließung des Instituts verhindert hatte.

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Die Pharmazie in Leipzig wird fortgeführt. Der Vorstand freute sich über dieses Ergebnis. Von links: Dr. Frank Bendas (Geschäftsführer), Friedemann Schmidt (Präsident), Göran Donner (Vizepräsident).

Auch Prof. Dr. Michaela Schulz-Siegmund vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie an der Uni Leipzig zeigte sich auf der Kammerversammlung hoch erfreut über den Fortbestand der Pharmazie und dankte allen für die Rettung. Derzeit laufen die Planungen mit der Medizinischen Fakultät, dem Ministerium und der Rektorin der Universität. Vermutlich können zum nächsten Wintersemester 50 Studierende immatrikuliert werden. Sie freute sich auch darüber, dass die Leipziger Pharmaziestudierenden im Herbst 2016 mit 27 Deutschlandstipendien hervorragend abgeschnitten haben.

Die Kammerversammlung stieß mit einem Glas Sekt auf den Fortbestand der Pharmazie in Leipzig an.

Regularien

Im weiteren Verlauf befasste sich die Kammerversammlung mit den üblichen Regularien. Auf der Tagesordnung standen der Bericht des Vorsitzenden des Versorgungswerkes, dem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und der Bericht des Wirtschaftsprüfers. Die Kammerversammlung befasste sich mit dem Jahresabschluss und der Bilanz sowie der Feststellung des Wirtschaftsplanes 2017. Der Kammervorstand wurde entlastet. Drei Satzungsänderungen, die in erster Linie nur organisatorische Änderungen betrafen, wurden einstimmig angenommen. Darunter auch die Satzung zur Änderung der Beitragsordnung: Der Beitragssatz für Apothekeninhaber wurde von 0,090 auf 0,095 Prozent angehoben, was durchschnittlich 130 Euro mehr im Monat pro Apotheke bedeutet. Notwendig wurde die Beitragsanpassung, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.

Weitere Termine: Der 15. Sächsische Apothekertag findet am 1. und 2. April 2017 in Dresden statt, der Deutsche Apothekertag vom 13. bis 15. September 2017 in Düsseldorf. |

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