Arzneimittel und Therapie

Celecoxib - keine Gefahr mehr fürs Herz?

Studie bestätigt kardiovaskuläre Sicherheit des selektiven COX-2-Hemmers

Nachdem der selektive COX-2-Inhibitor Rofecoxib aufgrund erhöhter Raten an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wieder vom Markt genommen wurde, kamen auch bei anderen Vertretern der Arzneistoffklasse Sicherheitsbedenken auf. Eine nun veröffentlichte Langzeitstudie scheint Celecoxib vom Verdacht über ein gesteigertes kardiovaskuläres Risiko freizusprechen – vorerst, denn Experten bezweifeln die Aussagekraft der Studie.
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Nicht-steroidale Analgetika (NSAR) hemmen das im Körper ubiquitär vorkommende Enzym Cyclooxygenase (COX) und damit die pathophysiologische Funktion bei der Entstehung von Schmerz und Entzündungen. Seit der Entdeckung, dass COX-2 vor allem im entzündeten Gewebe induziert wird, erhoffte man sich von einer selektiven Hemmung dieser Isoform bei guter analgetisch-antiphlogistischer Wirkung weniger NSAR-typische Nebenwirkungen, wie Schädigungen im Magen-Darm-Trakt, inklusive Blutungen, Erosionen und Ulcera.

Doch die Theorie, dass die COX-1 konstitutiv und die COX-2 nur als induzierbares Enzym existiert, wurde mittlerweile widerlegt. Eine konstitutive COX-2 wurde unter anderem in den Nieren, im Gehirn, im Rückenmark und auch in der Darmschleimhaut nachgewiesen. Zudem ergab sich ein signifikant erhöhtes Risiko für Herzinfarkte. Aus eben diesem Grund wurde der selektive COX-2-Hemmer Rofecoxib (Vioxx®) im Jahr 2004 vom Markt genommen. Im Zuge weiterer Risikominimierungsmaßnahmen wurde Pfizer zur Durchführung einer Langzeitstudie verpflichtet, in der das kardiovaskuläre Risiko der Therapie mit Celecoxib (Celebrex®) evaluiert werden sollte – deren Ergebnisse liegen nun vor.

Kein Placebo-Vergleich

Ziel der prospektiven Phase-IV-Interventionsstudie PRECISION war es, die Nichtunterlegenheit von Celecoxib gegenüber Naproxen und Ibuprofen bezüglich der zusammengesetzten primären Endpunkte kardiovaskuläre Todesfälle, Herzinfarkt oder Schlaganfall zu prüfen [1]. Im Zeitraum von Oktober 2006 bis Juni 2014 wurden hierzu insgesamt 24.081 Patienten mit rheumatischen Beschwerden entweder mit Celecoxib (100 mg zweimal täglich, 8072 Personen), Naproxen (375 mg zweimal täglich, 7969 Patienten) oder Ibuprofen (600 mg dreimal täglich, 8040 Personen) im Durchschnitt über 20,3 Monate behandelt und über 34,1 Monate nachbeobachtet. Da die Studie keine Placebogruppe enthielt, konnten ausschließlich Daten zur relativen Sicherheit der Wirkstoffe erhoben werden. Hierbei zeigte sich, dass sowohl die Gesamtmortalität als auch die Anzahl an kardiovaskulären Ereignissen unter Celecoxib (2,3%) geringer ausfielen als unter Behandlung mit Naproxen (2,5%) bzw. Ibuprofen (2,7%). Obwohl sich die Fallzahlen an primären Endpunkten nicht signifikant voneinander unterschieden, scheint der selektive COX-2-Inhibitor der Vergleichsmedikation doch zumindest nicht unterlegen zu sein. Gastrointestinale Beschwerden und Störungen der Nierenfunktion traten teil­weise signifikant häufiger unter Ibuprofen und Naproxen auf als unter Celecoxib.

Die Arbeitsgruppe um Steven Nissen sieht somit nicht nur die Nichtunterlegenheit von Celecoxib als belegt an, sondern vertritt darüber hinaus die Meinung, dass Naproxen, das bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse bisher als das am wenigsten bedenkliche NSAR galt, kritischer geprüft und die Anwendung des Wirkstoffs stärker eingeschränkt werden sollte. Das Fehlen einer Placebogruppe lässt diesbezüglich keine Aussage zur absoluten kardiovaskulären Sicherheit zu.

Kritische Stimmen

Experten sehen die Ergebnisse der PRECISION-Studie kritisch und halten eine einfache Analyse aufgrund der Komplexität der Studie für nicht zulässig. Da alle drei Analgetika je nach Schweregrad der Schmerzen in unterschiedlichen Dosierungen eingesetzt werden konnten – wobei eventuelle Dosissteigerungen bei Naproxen und Ibuprofen höher ausfielen als bei Celecoxib –, wurden eher unterschiedliche Therapieregime statt einzelner Arzneimittel untersucht. Die Verträglichkeit und vor allem Aspekte der kardiovaskulären Sicherheit von Celecoxib und anderen NSAR sind bekanntermaßen dosisabhängig. Es wäre daher wichtiger, zu erfahren, unter welcher Dosierung kardiovaskuläre Ereignisse auftraten. Darüber hinaus nahm eine hohe Anzahl an Patienten niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (< 325 mg/Tag) zur Prävention ein. Dieser protektive Effekt kann durch nicht-selektive NSAR, wie Ibuprofen und Naproxen, vermindert werden, nicht aber durch selektive COX-2-Inhibitoren, weshalb hier ein systematischer Bias vermutet wird. Dies gilt insbesondere für Naproxen, dessen Pharmakokinetik patientenindividuell verschieden ist.

Mehr zum Thema „Herz und Schmerz“ lesen Sie in der nächsten Ausgabe der DAZ im „Pharmako-logisch! ­UPDATE“.

Auch Garret FitzGerald, Institute for Translational Medicine and Therapeutics, Philadelphia, USA, kritisiert die PRECISION-Studie in einem Editorial des Journals Circulation [2]. Hauptkritikpunkt ist auch hier das uneinheitliche Therapieregime zwischen Naproxen, Ibuprofen und Celecoxib. Während in der klinischen Praxis die maximale tägliche Dosierung für Ibuprofen und Naproxen auf bis zu dreimal 800 mg bzw. zweimal 500 mg erhöht werden konnte, wurde diese für Celecoxib zumeist auf 209 mg beschränkt. Inwiefern hierdurch eine wirksame Analgesie erzielt werden konnte, ist schwer abzuschätzen, da echte primäre Endpunkte zur Wirksamkeit der Behandlungen in dieser Studie fehlen. Beobachtungen zur anti-arthritischen Effektivität zeigten jedoch stets schlechtere Werte für Celecoxib gegenüber nicht-selektiven COX-Hemmern. Es wird vermutet, dass eine begrenzte Dosierung von Celecoxib zwar mit weniger kardiovaskulären Ereignissen, jedoch auch mit einer verringerten Wirksamkeit einhergeht.

Insgesamt sehen viele Experten in den veröffentlichten Ergebnissen zunächst keinen relevanten Mehrwert für die klinische Praxis. Früheren Daten zufolge existiert das für selektive COX-2-Hemmer gezeigte kardiovaskuläre Risiko auch für unselektive Wirkstoffe, da nicht die Selektivität, sondern die Menge und Dauer der vaskulären COX-2-Hemmung für die unerwünschten Effekte verantwortlich gemacht werden. Bisher schien jedoch von Naproxen das geringste kardiovaskuläre Risiko auszugehen. Hochrisikopatienten für kardiovaskuläre Komplikationen sollten daher weiterhin die Einnahme von NSAR oder Celecoxib meiden. Falls dennoch NSAR infrage kommen, sollten diese nach Empfehlung der EMA so niedrig wie möglich dosiert und so kurz wie nötig eingesetzt werden. |

Quellen

[1] Nissen SE, et al. Cardiovascular safety of celecoxib, naproxen, or ibuprofen for arthritis. N Engl J Med 2016, published online 13. November; doi: 10.1056/NEJMoa1611593

[2] FitzGerald GA. ImPRECISION: Limitations to Interpretation of a Large Randomized Clinical Trial. Circulation 2016, published online 13. November; doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.116.026324

Apotheker Dr. André Said

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