Gesundheitspolitik

Zyto-Verträge: Wann fällt die Exklusivität?

BERLIN (ks) | Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz hat klargestellt: Mit Inkrafttreten des AMVSG fällt die Exklusivität der Zyto-Verträge. Doch es gibt Widerspruch.

Die Apotheker warten derzeit gespannt auf die Veröffentlichung des Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes (AMVSG) im Bundesanzeiger. Tags drauf wird das Gesetz mit seinen vielen Neuerungen in Kraft treten. Mit Folgen für die Apotheken: Vor allem können sie dann Rezepturen mit einem zusätzlichen Festzuschlag abrechnen. Zudem werden die Zyto-Ausschreibungen auf Apothekenebene abgeschafft – und bestehende Altverträge haben ihr absehbares ­Ende. Doch was bedeutet dies konkret für die Zyto-Apotheken? Eine entscheidende Frage ist: Werden bestehende Verträge, etwa der DAK und verschiedener AOKs, weiterhin exklusiv bleiben bis sie zum Ende des dritten Monats nach Inkrafttreten des AMVSG unwirksam werden? Oder wird die freie Apothekenwahl auch im Zyto-Bereich sofort wieder ermöglicht? Im ersten Fall wäre Vorsicht geboten: Eine Apotheke ohne Vertrag sollte dann vorerst weiterhin keine Versicherten versorgen, wenn deren Kasse einen Exklusivvertrag hat – denn sonst droht ihr die Nullretaxation ganz im Sinne der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2015. Dieses hatte klar gesagt: Das Wirtschaftlichkeitsgebot schlägt die freie Apothekenwahl, wenn eine Kasse einen Exklusivvertrag mit einer Apotheke hat. Anders sieht es aus, wenn die Exklusivität bereits mit Inkrafttreten des AMVSG fällt – dann besteht für Zyto-Apotheken keine Gefahr, dass sie kein Geld bekommen, nur weil ihnen der Vertrag fehlt.

Das AMVSG lässt bei der Beantwortung dieser Frage Interpreta­tionsspielraum. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Tino Sorge wollte daher vom Bundesgesundheitsministerium bestätigt wissen, dass Patienten ihr Apothekenwahlrecht sofort ausüben dürfen – und nicht drei Monate warten müssen.

Foto: Laurence Chaperon/www.cducsu.de
Annette Widmann-Mauz: Mit Inkrafttreten des AMVSG herrscht wieder Apothekenwahlfreiheit in der Zyto-Versorgung.

Und tatsächlich: In der schriftlichen Antwort an ihren Partei-Kollegen erklärt Gesundheits-Staatssekretärin Widmann-Mauz ausdrücklich, dass der Wegfall der Exklusivität ab Inkrafttreten des AMVSG gilt. Dies habe „zur Folge, dass die Apothekenwahlfreiheit der Versicherten, die bereits in § 31 Absatz 1 Satz 5 SGB V vorgegeben ist und die ggf. in enger Abstimmung mit der behandelnden Onkologin oder dem behandelnden Onkologen wahrgenommen wird, bei der Versorgung mit Zytostatika gewährleistet bleibt“.

Weiter schreibt die CDU-Politikerin, dass dies auch für solche Verträge gelte, „die in Kenntnis der bereits im Gesetzentwurf vorgesehenen Streichung von § 129 Absatz 5 Satz 3 SGB V kurzfristig noch vor Inkrafttreten des AMVSG geschlossen wurden und (...) nur für eine kurze Übergangszeit gelten sollen“. Dabei dürfte sie vor allem die Ausschreibung von Barmer, Techniker Krankenkasse und KKH vor Augen gehabt haben, die ihre Zyto-Verträge mit Apothekern im Mai noch starten lassen wollen. Selbst in nur zwei Monaten Laufzeit könnten die Kassen mit den Verträgen 10 Mio. Euro sparen, erklärte die Barmer, als das AMVSG bereits beschlossen war. Doch nun sagt Widmann-Mauz sehr deutlich: „Insoweit ist auch keine Umgehung der kommenden gesetzlichen Regelungen durch kurzfristige Vertragsabschlüsse realisierbar.“

Tino Sorge sieht sich mit der Antwort bestätigt: „Mir war wichtig, klarzustellen, dass dem Verhältnis Patient und behandelnder Onkologe auch im Hinblick auf das freie Apothekenwahlrecht oberste Priorität beigemessen wird“, sagte er gegenüber der AZ.

Barmer droht mit Retax

Doch ganz so leicht wird es wohl nicht werden – denn es gibt Widerstand im Kassenlager. Die Barmer ließ erklären, die Verträge für die drei Ersatzkassen seien vor Inkrafttreten der Änderungen durch das AMVSG rechtswirksam geschlossen worden und könnten somit innerhalb der Zeitspanne der gesetzlich geregelten Übergangsfrist umgesetzt werden – und zwar exklusiv. Die Kasse verweist dazu auf die zunächst im AMVSG vorgesehene Änderung des § 31 Abs. 1 SGB V: Ursprünglich sollte dort ausdrücklich bestimmt werden, dass das Apothekenwahlrecht der Versicherten auch in der Zyto­statikaversorgung Anwendung finden sollte. Zu der Zeit war aber auch noch geplant, die Alt-Verträge regulär auslaufen zu lassen. Später verschwand die Änderung in § 31 SGB V aus dem Gesetzentwurf, zugleich wurde aber die Laufzeit der Altverträge auf die besagten drei Monate gestutzt. Die Barmer interpretiert den Verzicht nun so, dass es bei der Exklusivität bleibt. Das heißt im Klartext: Apotheken, die ab Inkrafttreten der Barmer/TK/KKH-Verträge zum 1. Mai 2017 in exklusiv vergebenen Losgebieten ohne exklusiven Versorgungsvertrag onkologische Zubereitungen beliefern, müssen damit rechnen, dass ihre abgerechneten Rezepte im Wege der Vollabsetzung beanstandet werden. Jedenfalls solange die Verträge innerhalb der Übergangsfrist bestandskräftig sind.

AOKs gespalten

Auch der AOK-Bundesverband erklärte gegenüber der AZ, er sei „der Auffassung, dass die Exklusivität der Zytostatikaverträge während der Übergangsfrist nach Inkrafttreten des AMVSG Bestand hat“. Die Vertragspartner der AOKs würden – soweit erforderlich – darüber informiert. Anders antwortete allerdings die AOK Plus, die auf Open-House-Verträge setzt und akzeptiert, dass diese nicht exklusiv sind. Die DAK äußerte sich bis AZ-Redaktionsschluss nicht zum Thema. |

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