Wirtschaft

Versicherungen ohne Schwachstellen

Mit der Inventarversicherung existenzielle Risiken absichern

Apotheken weisen zahlreiche Besonderheiten auf, die sie ­wesentlich von anderen Einzelhandelsgeschäften unterscheiden. Das wirkt sich auch auf den ­Versicherungsschutz aus. So ist die Inventarversicherung ­davon geprägt, dass es sich bei Arzneimitteln um „besondere Waren“ handelt.

Eine der wichtigsten Apothekenversicherungen ist, als Äquivalent zur privaten Hausratversicherung, die Geschäftsinhalts- oder Inventarversicherung. Sie versichert u. a. Warenbestand, Einrichtung oder Vorräte gegen die Beschädigung durch Feuer, Einbruchdiebstahl, Leitungswasser, Sturm, ­Hagel und Elementarereignisse. Da existenzielle Risiken zu ver­sichern sind, sollten Apotheker gerade hier die typischen Schwachstellen meiden.

Pharmazieratsklausel

Die fehlende Pharmazieratsklausel ist eine solche typische Schwachstelle im Versicherungsschutz. Im Schadensfall sendet der Versicherer regelmäßig einen Mitarbeiter oder Sachverständigen zur Begutachtung. Dabei kann es zu Konstellationen kommen, bei denen der Gutachter der Versicherung zu einer abweichenden Einschätzung kommt wie der zuständige Pharmazierat/Amtsapotheker. So kann es etwa passieren, dass der Pharmazierat die Abgabe von Arzneimitteln untersagt, welche Rauch oder Feuchtigkeit ausgesetzt waren, gleichzeitig aber äußerlich unbeschädigt sind, sodass der Versicherer keinen Schaden anerkennt. Bei Betriebsunterbrechungen kommt es vor, dass die Offizin wieder aufgeschlossen werden könnte, würde der Pharmazierat nicht noch ein Pilzgutachten verlangen.

Bislang sind die Vorgaben des Pharmazierats nur in wenigen Tarifbedingungen für den Versicherer bindend, etwaige Schäden des Versicherungsnehmers aufgrund dieser Vorgaben werden vom Versicherungsschutz meistens nicht umfasst.

Grobe Fahrlässigkeit

Insbesondere in älteren Tarifen zieht die grob fahrlässige Schadensverursachung eine Leistungskürzung als Sanktion nach sich. Auch in § 81 VVG ist eine Leistungskürzung bei grober Fahrlässigkeit vorgesehen. Gute Tarife verzichten demgegenüber jedoch auf das Recht zur Leistungskürzung bei grob fahrlässiger Schadensherbeiführung, sehr gute ­Tarife sogar bei grob fahrlässiger Verletzung von Obliegenheiten/Sicherheitsvorschriften (§ 28 VVG).

Grob fahrlässig handelt nach der Rechtsprechung derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im hohen Grade außer Acht lässt und der nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müsste. Diese Definition birgt viel Unsicherheit und Streitpotenzial im Schadensfall. Ein grob fahrlässiges Verhalten kann beispielsweise unter anderem vorliegen, wenn Fenster oder Türen vor dem Verlassen des Gebäudes nicht abgeschlossen werden oder Kerzen unbeaufsichtigt brennen etc.

Es sollten Tarife gewählt werden, die keine beziehungsweise eine möglichst geringe Leistungskürzung bei grober Fahrlässigkeit vorsehen.

Über Versicherungen für Haftungsrisiken und Ver­sehens- und Innovations­klauseln haben wir in AZ 2017, Nr. 17, S. 5 berichtet.

Außerdem ist zu beachten, dass Apothekeninhabern in vielen Bedingungswerken das Verhalten und die Kenntnis der „Repräsentanten” (d. h. der Mitarbeiter) zugerechnet wird – und dadurch auch deren grobe Fahrlässigkeit. Teilweise werden alle pharmazeutischen Fachkräfte als „Repräsentanten” definiert. Um diese weite Haftung für das Verhalten der ­Mitarbeiter zu vermeiden, sollten Tarife gewählt werden, die nur den Apothekeninhaber selbst als „Repräsentant” definieren.

Zeitwertvorbehalt

Regelmäßig gilt zwar die Überschrift „Neuwertentschädigung“, im Kleingedruckten verbirgt sich aber allzu oft der Hinweis, dass Gegenstände, deren Zeitwert noch maximal 40 Prozent des Neuwertes beträgt, auch nur zum Zeitwert ersetzt werden. Dieser Zeitwertvorbehalt kann für Gegenstände, die sich im Gebrauch befinden, abbedungen werden. In der Werbung wird dies „Goldene Regel“ genannt. Vor allem in Apotheken mit einem älteren Generalalphabet macht dieser Unterschied im Schadensfall viele Tausend Euro aus.

Medikamente im Kühlschrank

Der Inhalt des Medikamentenkühlschranks ist häufig nur gegen den Ausfall der öffentlichen Stromversorgung versichert – und dann auch nur bis zu einer Höhe von 5000 Euro. Gute Klauseln hingegen bieten durchaus Entschädigungen bis zu 50.000 Euro und decken zusätzliche Schadensursachen ab. Es sollte darauf geachtet werden, ob „Kühlschränke” generell oder nur „Medikamentenkühlschränke nach DIN 58345“ versichert sind. Ordnungsgemäßer Betrieb und die vom Hersteller vorgeschriebenen Wartungen werden gewöhnlich vorausgesetzt.

Rezeptverlust

Rezepte werden bisweilen gestohlen oder kommen abhanden. Da der Wert des Papiers gering ist, wird hierfür eine besondere Position in den Versicherungsbedingungen benötigt. Dazu ist zu klären, ab welchem Zeitpunkt die Rezepte von der Rezeptabrechnungsstelle versichert sind, wie hoch der Wert Ihrer Rezepte sein kann und welche Verwahrung der Versicherer vorschreibt.

Foto: Blickfang – Fotolia.com
Alles gut versichert? Wie überall ist auch bei Versicherungen auf das Kleingedruckte zu achten. Und bei der Festlegung der Versicherungssumme geht es schon los – wer kann den Neuwert eines Einrichtungsgegenstandes richtig einschätzen, den er vom Vorbesitzer übernommen hat und für den kein Anschaffungsbeleg vorliegt?

Schleuse/Außenversicherung

Versichert sind die beschriebenen Sachen am Versicherungsort. Für sich vorübergehend außerhalb des Versicherungsortes befindliche Sachen gilt üblicherweise Versicherungsschutz bis zu drei Monaten. Wer Medikamente auf eigenes Risiko für längere Zeit in externen Lagerräumen z. B. für die Krankenhaus- und Heimversorgung lagert, kann diese Dauer verlängern. Es kann auch ein außerhalb des Versicherungsortes liegender Medikamentencontainer oder eine Schleuse gesondert in der Police benannt werden.

Unbenannte Gefahren

Herkömmliche Tarife versichern nach dem Grundsatz, dass nur versichert ist, was in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich genannt und nicht über Ausschlüsse wieder eingeschränkt wird. Mit dem Einschluss von unbenannten Gefahren kann jedoch im Kontrast dazu alles versichert werden, was nicht explizit ausgeschlossen ist. Solch eine offene Regelung kann den Versicherungsschutz beträchtlich erweitern und mögliches Streitpotenzial mit dem Versicherer verringern. Zudem können so auch neue, sich erst zukünftig am Markt entwickelnde Risiken (etwa durch technologische Neuerungen) erfasst werden.

Elektronik

Eine Elektronikversicherung gilt üblicherweise für Büro- und Kommunikationselektronik. Der Kommissionierer oder die elektrische Tür sind weder das eine noch das andere. Diese müssen daher im Versicherungsschein gesondert benannt werden. Noch einfacher ist es, wenn das der Elektronikversicherung eigene Prinzip der „Allgefahrendeckung“ auf das gesamte Inventar ausgedehnt wird.

Unterversicherungsverzicht

Grundsätzlich muss die Versicherungssumme am Schadentag dem Neuwert der Einrichtung und der Waren entsprechen. Ist die Versicherungssumme kleiner, wird der Schaden nur im gleichen gekürzten Verhältnis erstattet. So erfordert die Festlegung der Versicherungssumme scharfe Sinne. Wer kann den Neuwert eines „Tresens“ einschätzen, den er vielleicht vor 10 Jahren zusammen mit der ­Apotheke erworben hat? Wenn ­Anschaffungsbelege fehlen, muss eventuell sogar ein externer Schätzer hinzugezogen werden. Zudem unterliegt auch der Wert des Warenlagers Schwankungen.

Kürzungen im Schadensfall und aufwendige Wertermittlungen des Gesamtbestandes lassen sich durch einen Verzicht auf Unterversicherung vermeiden. Der Unterversicherungsverzicht kann dabei nach Parametern wie der Anzahl der Mitarbeiter oder dem Jahresumsatz festgesetzt werden.

Betriebsunterbrechung

Die Betriebsunterbrechungsver­sicherung sichert die Umsatzeinbußen durch eine schadensbedingte Unterbrechung oder Beeinträchtigung des Apothekenbetriebs ab. Sie kann mit der Inventarversicherung verbunden oder separat als eigenständige Police abgeschlossen werden.

Wer ein Sterillabor besitzt, hat es bei einer schadensbedingten Betriebsunterbrechung mit deutlich höheren Ausfällen und längeren Unterbrechungen zu tun als gewöhnlich. Daher muss in solchen Konstellationen eine eigenständige Police mit erhöhter Deckungssumme erwogen werden. |

Jascha Arif, Rechtsanwalt, und Steffen Benecke, Versicherungsmakler, Hamburg


In einer der nächsten Aus­gaben der AZ informieren wir Sie über weitere für Apotheker sinnvolle Versicherungen.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.