Gesundheitspolitik

FDP auf Schlingerkurs zur Apothekenkette

Parteivize rudert nach Fremdbesitz-Beschluss halbherzig zurück – und erntet Protest

BERLIN (hfd/az) | Die FDP will im September wieder in den Deutschen Bundestag einziehen. Mit den Apothekern als potenzieller Wählerschaft verscherzen es sich die Liberalen allerdings gerade. Grund: Sie haben bei ihrem Parteitag beschlos­sen, die Abschaffung des Fremdbesitzverbots ins Wahlprogramm zu schreiben.

Die hierdurch losgetre­tene Debatte zeigt: Eine klare Linie gibt es in der Partei nicht. Einige FDP-Mitglieder distanzierten sich von dem Passus – ihnen sei gar nicht klar, wie er in das Programm rutschen konnte, erklärten sie. Auch Parteivize Marie-Agnes Strack-Zimmermann sprach von einer unübersichtlichen Debatte und betonte, dass die Stärkung der inhabergeführten Apotheke ebenfalls im Programm der Liberalen stehe. Allerdings sorgte sie bei Apothekern wohl kaum für Vertrauen, als sie sagte, dass sie keine Apothekenketten, aber dennoch am Mehrbesitzverbot schrauben wolle, um die Ver­sorgung auf dem Land zu sichern. Indessen bekräftigte der junge bayerische Initiator des Fremdbesitz-Antrags seine Forderung.

„Weitere Marktzugangshemmnisse wie das Fremdbesitzverbot müssen abgeschafft werden“ – so steht es im FDP-Wahlprogramm für die Bundestagswahl. Gestellt hatte den Änderungsantrag der Landesverband Bayern. Dessen Vorsitzender Albert Duin war ­Ende vorigen Jahres noch für ein befristetes Rx-Versandverbot eingetreten – doch die Mehrheit im FDP-Vorstand Bayern wollte den Fremdbesitz-Antrag und so wurde die Kehrtwende in Gang gesetzt.

Über den Antrag diskutiert wurde beim Parteitag allerdings nicht. Dies war insbesondere der Hektik geschuldet – und dem Wort „Übernommen“ in der letzten Spalte im Antragsbuch. Dies bedeutet, dass die Antragskommission des Parteitags die automatische Übernahme des Antrags empfiehlt, wenn dies von den Delegierten nicht explizit verhindert wird. „Ich konnte in dem Punkt nicht rechtzeitig Widerspruch einlegen“, erklärte Andrew Ullmann, Mediziner und Beisitzer im FDP-Landesvorstand Bayern. Er habe zu spät gemerkt, dass die Tagesordnung schon zum nächsten Antrag übergegangen sei; sein Geschäftsordnungsantrag, den Passus aus Bayern im Plenum zu diskutieren, erhielt später nicht die nötige Mehrheit. Mehrere Delegierte berichteten, dass ihnen nicht klar war, dass der bayerische Antrag am Ende automatisch im Wahlprogramm landete.

Sogar die für Gesundheitsfragen zuständige Parteivize Marie-Agnes Strack-Zimmermann zeigte sich gegenüber DAZ.online erstaunt über den radikalen Passus. „Während der teils unübersichtlichen Debatte ist dieser Halbsatz da reingekommen“, betonte sie – und versprach den Apothekern, dass „alle Gesundheitspolitiker der FDP“ keine Apothekenketten, sondern inhabergeführte Apotheken stärken wollten. „Ob wir einen vom Parteitag beschlossenen Passus wieder aus dem Wahlprogramm löschen können, weiß ich noch nicht.“ Zugleich machte sie aber ein neues Fass auf: „Unsere Idee ist es, dass Apotheker auf dem Land auch einmal eine fünfte Apotheke aufmachen können, wenn sie damit die Landversorgung sichern können. Dazu müssten wir aber am Mehrbesitzverbot schrauben und nicht am Fremdbesitzverbot.“

Wahlprogramm kann nicht mehr geändert werden

Armin Sedlmayr, Mitglied des FDP-Präsidiums in Bayern, der ­zusammen mit seinem Partei­kollegen Matthias Fischbach die Fremdbesitz-Freigabe mit initiiert hatte, versteht die Aussagen Strack-Zimmermanns nicht. „Der Bundesvorstand war inhaltlich ­offenbar der Ansicht, den Antrag zu befürworten“, erklärte er angesichts der Tatsache, dass die Antragskommission die automatische Übernahme des Antrags befürwortet hatte. „Insofern überrascht es mich, wenn da jemand überrascht ist.“

FDP-Politiker Armin Sedlmayr hält das Fremd- und Mehrbesitzverbot für obsolet.

Für ihn steht es jedenfalls „völlig außer Frage, dass ein Wahlprogramm, das der Bundesparteitag verabschiedet hat, in einer inhaltlichen Frage vom Bundesvorstand geändert wird.“ Er habe auch kein Problem damit gehabt, die Passage nochmal zu diskutieren – „aber es ist bei Weitem nicht so, dass das jemand untergeschoben oder mit einem Trick gearbeitet wurde“, betonte Sedlmayr. Sedlmayr räumte ein, dass er mit einer Freigabe des Fremdbesitzes auch das Mehrbesitzverbot als obsolet ansieht. Für beides gibt es aus seiner Sicht keinen Bedarf: „Ich finde es richtig, dass die Beratung durch qualifiziertes Personal erfolgt – aber das Eigentümerverhältnis erscheint mir für den Verbraucher als irrelevant.“

FDP-Vize rudert zurück

Auch bei Phil Hackemann, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, stoßen die Äußerungen Strack-Zimmermanns auf Protest. „Sorry, aber das geht gar nicht“, erklärte er unter Bezug auf die Äußerungen gegenüber DAZ.online auf Twitter. „Auch das Präsidium ist an Parteitags-Beschlüsse gebunden.“ Strack-Zimmermann ­reagierte am Donnerstagabend gleich – und äußerte sich deutlich anders als im Interview vom Mittwoch. „Niemand wird Parteibeschlüsse zugunsten von Lobbygruppen ändern“, erklärte sie auf Twitter „auch Apothekenliberalisierung ist richtig“.

Wie es weitergeht, dürfte auch für ein weiteres langjähriges FDP-Mitglied spannend werden: ABDA-Chef Friedemann Schmidt hatte das Wahlprogramm zurückhaltend als „inkonsistent“ bezeichnet. |

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