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Gesundheitspolitik
Versandapotheken müssen Widerrufsrecht einräumen
Gericht untersagt generellen Ausschluss des Widerrufsrechts bei Arzneimitteln
Der vzbv fand einiges zu bemängeln. Meist hätten sich die Apotheken aber einsichtig gezeigt und strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben, so der vzbv. In vier Fällen kam es jedoch zur Klage. Eine davon – gegen die Betreiberin der in Gräfenhainichen (Sachsen-Anhalt) ansässigen Internetapotheke iPill.de – hat jetzt das Oberlandesgericht Naumburg entschieden (Urteil vom 22. Juni 2017, Az.: 9 U 19/17 – nicht rechtskräftig). Die Richter befanden die AGB-Klausel für rechtswidrig, die das Widerrufsrecht für Arzneimittel generell ausschließt. Zudem haben sie der Apotheke untersagt, auf ungewöhnlich hohe Bestellmengen von Schmerzmitteln durch Kunden mit einem pauschalen Aufklärungshinweis zu reagieren, der vom Kunden nur mit einem „Ok“ als gelesen zu bestätigen ist.
Anders als beim Kauf in einem Ladengeschäft haben Verbraucher grundsätzlich das Recht, Bestellungen im Internet innerhalb einer bestimmten Frist zu widerrufen. Das sieht § 312g des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) so vor. Eine besondere Regelung für Arzneimittel gibt es nicht. Aber wie ließe sich das Gesetz auslegen, um sie zu erfassen? Der 9. Zivilsenat des OLG Naumburg gibt sich zurückhaltend. Er meint, dass eine solche Widerrufsausschlussklausel bei Fernabsatzverträgen den Kunden unangemessen benachteilige. § 312g Abs. 2 Nr. 2 BGB bestimme zwar, dass bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde, kein Widerrufsrecht bestehe. Aber dies sei nicht für alle Arzneimittel anzunehmen – auch wenn es zweifellos solche gebe, die schnell verderben. Der Rechtsauffassung, die im Hinblick auf Arzneimittel von einer „rechtlichen Verderblichkeit“ ausgeht, will sich der Senat nicht anschließen. Eine solche weite Auslegung wird zwar in der Literatur vertreten – auch in Kommentaren. Doch diese habe der Gesetzgeber nicht zum Anlass genommen, einen generellen Ausschluss von Arzneimitteln vom Widerrufsrecht zu regeln. Dabei gibt es diese Kommentare länger als den § 312g BGB. Insgesamt kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass es zwar rechtspolitisch und aus Apothekersicht gute Gründe für den Ausschluss des Widerrufsrechts für Arzneimittel geben mag. Doch es wäre Sache des Gesetzgebers, einen solchen ausdrücklich zu regeln.
Arzneimittelmissbrauch richtig entgegenwirken
Neben dem ausgeschlossenen Widerrufsrecht missfiel dem vzbv auch der Umgang der Versandapotheke mit einer auffälligen Bestellung: In einem Testkauf wurden 13 Packungen Paracetamol bestellt. Dabei handelt es sich um das 25-Fache der Tagesdosis. Das muss eine Apotheke stutzig machen. Schließlich sagt die Apothekenbetriebsordnung: „Das pharmazeutische Personal hat einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten. Bei begründetem Verdacht auf Missbrauch ist die Abgabe zu verweigern.“
Bei iPill.de erhielt die Paracetamol-Bestellerin eine E-Mail folgenden Inhalts: „Wir sind seit Anfang des Jahres vom Gesetzgeber verpflichtet worden, unsere Kunden über die hohen pharmazeutischen Bedenken beim Kauf und der regelmäßigen hohen Einnahme von mehr als 3 Packungen Abführmittel/Schmerzmittel ausdrücklich hinzuweisen. Wir bitten Sie lediglich, uns dies mit Ihrem o.k. zu bestätigen, dass wir Sie diesbezüglich aufgeklärt haben. Somit sind wir der gesetzlichen Pflicht nachgekommen und können nach Ihrer Rückmeldung Ihre Bestellung versenden.“
Die Testkäuferin klickte „o.k.“ und erhielt die gewünschten 13 Packungen. Das Gericht hält diese formelhafte Belehrung für nicht ausreichend. Bei der Bestellung einer derart ungewöhnlichen Menge eines Medikaments mit Missbrauchspotenzial hätte die Apotheke gezielt nachfragen und die Abgabe im Zweifelsfall verweigern müssen. |
Lesen Sie hierzu auch den Artikel "Widerrufsrecht bei Versiegelung" in dieser AZ.
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