Gesundheitspolitik

Kaum Handlungsbedarf bei Arzneimittelfälschungen

Politiker setzen auf Securpharm / Kein Zusammenhang mit Importen?

BERLIN (hfd) | Noch im Mai hatte der Branchenverband Pro Gene­rika verkündet, im vergangenen Jahr sei kein gefälschtes Arzneimittel in deutschen Apotheken gefunden worden. Doch kurz darauf sah die Lage ganz anders aus: Anfang Juni wurde bekannt, dass ein Patient in seiner Harvoni®-Packung weiße statt gelbe Tabletten gefunden hatte.

Zwar stellte sich heraus, dass die Wirkstoffe Ledipasvir und Sofosbuvir tatsächlich enthalten waren – doch veranschaulicht der Fall, dass durchaus gefälschte Produkte durch die gesamte Lieferkette gelangen können. Dabei waren die Harvoni®-Tabletten wohl erst der Auftakt: Vergangene Woche erfolgten Chargenrückrufe von Velcade® und Sovaldi®. Dennoch sehen das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sowie Gesundheitspolitiker der im Bundestag vertretenen Parteien – mit Ausnahme der Linkspartei – keinen akuten Handlungsbedarf. Man verlässt sich im Wesentlichen darauf, dass das geplante System „Securpharm“ für ausreichend Sicherheit sorgen wird.

„Jeder Fall von gefälschten Arzneimitteln ist einer zu viel“, erklärt ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) – deshalb müssen kriminelle Machenschaften von Arzneimittelfälschern „konsequent verfolgt werden“. Hierzu würden die Arzneimittelbehörden von Bund und Ländern eng mit den Straf­verfolgungsbehörden zusammenarbeiten.

„Arzneimittel dürfen nur von zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Betrieben erworben werden“, erklärt das BMG weiter und betont, dass über das EU-weit einheitliche „Rapid Alert System“ die Bundesoberbehörden nicht nur mit den europäischen und internationalen Kollegialbehörden zusammenarbeiteten, sondern auch mit den Polizei- und Zolldienststellen. Ansonsten verweist der Sprecher auf das für 2019 geplante System Securpharm: „Diese zusätzlichen Maßnahmen werden dazu beitragen, die Einschleusung von Arzneimittelfälschungen in die legale Vetriebs­kette zu verhindern.“

Ähnlich sieht es die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU, Maria Michalk. Arzneimittelfälschungen würden „auf unverantwortliche Weise die Patientensicherheit extrem gefährden“. Und weiter: „Die Tatsache der Zunahme von Arzneimittelfälschungen beunruhigt uns.“ Mit Securpharm verbinde sie „die Hoffnung, Arzneimittelfälschungen ganz zu ­vermeiden“. Unklar sei aus ihrer Sicht, ob Parallelimporte mit einem höheren Fälschungsrisiko verbunden seien als der Direktbezug vom Hersteller – der Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands (VAD) hatte dies ­vehement bestritten. „Dies weiter zu verfolgen, bleibt eine politische Aufgabe,“ so Michalk.

Foto: Susie Knoll
Martina Stamm-Fibich (SPD): Kein Zusammenhang zwischen Reimporten und Fälschungen.

Die in der SPD-Fraktion für Arzneimittel zuständige Martina Stamm-Fibich sieht generell „keinen Zusammenhang zwischen ­Reimporten und Arzneimittelfälschungen“, die Abgabe von Arzneimitteln sei „ausreichend reguliert“. Sie warnt davor, Reimporte jetzt „generell infrage zu stellen“.

Fälschungen seien zwar „vollkommen verantwortungslos und schwer kriminell“, doch glücklicherweise habe bei den aktuellen Fällen wohl kein gesundheitliches Risiko für Patienten bestanden, da offenbar nur die Verpackungen manipuliert wurden. Nach Einschätzung von Stamm-Fibich wären diese Fälle mittels Securpharm spätestens in der Apotheke entdeckt worden. Bis zur Einführung des Systems sollten unangekündigte Stichproben vorgenommen werden. Außerdem bittet sie die Beteiligten, wachsam zu sein – an erster Stelle Patienten, aber auch Ärzte, Apotheker oder Hersteller.

„In der legalen Vertriebskette greifen die Kontrollmechanismen, wie die aktuellen Hinweise auf Arzneimittelfälschungen zeigen“, erklärt die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche. Sie seien größtenteils in der Handelskette entdeckt worden und enthielten „zum Glück“ meist den Wirkstoff in der angegebenen Menge. Wie wirksam das System funktioniere, zeige sich daran, „dass laut ABDA im gesamten Jahr 2016 bei ca. 1,4 Milliarden in den Apotheken abgegebenen Arzneimittelpackungen keine Fälschung an die Kunden gelangte“. Sie denkt, dass SecurPharm Fälschungen schwieriger machen wird – „komplett verhindern wird man sie vermutlich nicht können“. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Paul-Ehrlich-Institut hätten angekündigt, sich Ende 2017 im Bundesgesundheitsblatt schwerpunktmäßig mit dem Thema Arzneimittel-Fälschungen zu beschäftigen. Diese Analyse sollte abgewartet werden.

Vogler: Nicht bis 2019 abwarten!

Anders die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler: Angesichts der Fälschungsfälle sei „schnelles Handeln gefragt“. „Zumindest ein Teil der Fälschungen ließe sich vermeiden, wenn wir die unsinnige Verpflichtung zum Reimport abschaffen“, ­erklärt Vogler, denn diese bildeten „eine Eintrittspforte für Fälschungen“. Auch den Versandhandel „durch große, im Ausland agierende Konzerne wie DocMorris“ sieht sie als mögliche Gefahr dafür, dass gefälschte Medikamente auf den Markt gelangen. „Auch deshalb bin ich für ein Verbot des Versands von zumindest rezeptpflichtigen Arzneimitteln“, betont Vogler. Es bleibe abzuwarten, inwiefern SecurPharm langfristig den Handel mit gefälschten Medikamenten unterbinden könne. Eines aber stünde für sie fest: „Wir dürfen nicht bis 2019 abwarten, sondern müssen jetzt sofort mit ersten Schritten handeln!“ |

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