Wirtschaft

Planungssicherheit gegen Pessimismus

Apothekenklima-Index 2017: Stimmung nach EuGH-Urteil auf Tiefpunkt / Bürokratie stresst die Apotheker / sichere Rahmenbedingungen unerlässlich

DÜSSELDORF (wes) | Die deutschen Apotheker beurteilen ihre wirtschaftliche Situation deutlich schlechter als vor einem Jahr. Das ist die zentrale Botschaft des Apothekenklima-­Index, den die ABDA nun zum zweiten Mal vorgestellt hat. Das EuGH-Urteil hat erheblich zu diesem Pessimismus beigetragen. Für die Zukunft wünschen sich die Apotheker mehr Planungssicherheit – und ein Rx-Versandverbot.

Fast zwei Drittel (64,4%) der deutschen Apothekenleiter erwartet, dass sich ihre Branche in den kommenden zwei bis drei Jahren schlechter entwickelt als bisher. Bei der ersten Auflage des Apothekenklima-Index vor einem Jahr waren es noch deutlich weniger gewesen, damals erwarteten „nur“ 50,8 Prozent eine Verschlechterung. Wie bereits im Vorjahr sind die selbstständigen Apotheker zwar etwas optimistischer, was ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung angeht, 40,9 Prozent erwarten für die eigene Apotheke eine schlechtere Lage, etwa ein Viertel (25,9%) eine Verbesserung. Doch auch diese Werte liegen deutlich unter denen des Vorjahres. Damals hatten nur 28 Prozent eine Verschlechterung der eigenen Situation erwartet, rund ein Drittel (32,7%) dagegen eine Verbesserung.

Die Studie

Zum zweiten Mal hat die ABDA in diesem Jahr ihren Apothekenklima-Index erstellen lassen. Das Marktforschungs­unternehmen TNS infratest hat dazu im Juni und Juli 2017 insgesamt 500 repräsentativ ausgewählte Apothekeninhaber befragt. 181 von ihnen waren jünger als 50 Jahre, 319 älter. 451 Apotheker besaßen eine oder zwei Apotheken, 49 mehr. 214 Apotheken lagen in Orten mit weniger als 20.000 Einwohnern, 285 in Städten mit mehr Einwohnern. 192 Apotheken lagen in Innenstädten, 181 am Stadtrand, 47 in einem Einkaufszentrum und 79 in Ärztehäusern. 23 Apotheken hatten einen Jahresumsatz von weniger als 1 Mio. Euro, 209 von 1 bis 2 Mio. Euro, 147 von 2 bis 3 Mio. Euro und 62 einen Jahresumsatz von mehr als 3 Mio. Euro.

Die pessimistische Erwartung schlägt auf das Handeln der Apotheker durch: Mehr als die Hälfte (56,4%) plant keine weiteren Einstellungen (2016: 52,9%), und 44,5 Prozent haben nicht vor, in den nächsten zwei bis drei Jahren größere Investitionen zu tätigen (2016: 42,1%). Einen Personalabbau planen jedoch nur die wenigsten Apotheker: fast 89,3 Prozent planen keine Entlassungen (2016: 90%), 82,4 Prozent auch keine Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen (2016: 81,2). Und auch ausgebildet wird weiterhin: 11,6 Prozent der Apotheker beschäftigen einen Pharmazeuten im Praktikum (2016: 12,9%), 14,8 Prozent mindestens eine PTA-Praktikantin (2016: 13,5%) und 20,7 Prozent eine PKA-Auszubildende (2016: 18,3%). In dieser relativ hohen Ausbildungsquote spiegelt sich möglicherweise die an­gespannte Arbeitsmarktsituation wider: Es wird immer schwieriger, pharmazeutisches Personal zu finden; eine Situation, die den Apothekern „sehr zu schaffen“ macht, wie ABDA-Präsident Friedemann Schmidt bei der Vorstellung der Ergebnisse am vergangenen Dienstag betonte. 30,2 Prozent rechnen damit, dass sich auf eine offene Stelle kein einziger Apotheker melden würde (2016: 27,0%), 35,4 Prozent rechnen mit nur einem Bewerber (2016: 36,3%). Besser ist die Situation bei den PTA – hier erwarten nur 11,6 Prozent keine Bewerber (2016: 8,5%), 31,6 Prozent nur eine einzige Bewerbung (2016: 25,1%) – und den PKA (13,1% erwarten keine Bewerbung, 2016 waren es 10,8%, und 15,6% erwarten nur eine Bewerbung, 2016 waren es 17,1%).

Hatten keine frohe Botschaft zu verkünden: ABDA-Sprecher Reiner Kern, ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und sein Vize Mathias Arnold (v. l.). Foto: DAZ/diz

Schwierige Nachfolge

Beruhigend findet Schmidt, dass zwei Drittel der Apothekeninhaber (67,1%) erwarten, dass sie zwei oder mehr ernsthafte Interessenten fänden, wenn sie ihre Apo­theke verkaufen wollten. Mit nur einem Interessenten rechnen 19,4 Prozent, mit keinem einzigen immerhin 13,6 Prozent. Schmidt weist aber darauf hin, dass sich die Werte seit dem letzten Jahr deutlich verschlechtert haben. ­Damals hatten noch drei Viertel (73,9%) mit zwei oder mehr po­tenziellen Käufern gerechnet, keinen einzigen erwarteten 9,0, nur einen einzigen 17,0 Prozent. Ein Alarmsignal sei die Tatsache, dass die Hälfte der Eigentümer von kleinen Apotheken (weniger als eine Mio. Euro Jahresumsatz) erwarten, keinen Nachfolger zu finden.

Was stresst, was motiviert?

Abgefragt wurde auch, was die größten Ärgernisse und was die beste Motivation für die Apotheker sind. Die Stressfaktoren führt die Bürokratie an, gefolgt vom großen Aufwand bei der Hilfsmittelver­sorgung und den Retaxationen (s. Tab. 1). Stark zugenommen hat der Ärger über die Lieferengpässe. Sie seien zu einem „dramatischen Punkt in der täglichen Arbeit“ geworden, so Schmidt.

Tab. 1: „Was sind in Ihrem Berufsalltag die größten Ärgernisse?“
2017
2016
Bürokratischer Aufwand
83,0
81,0
Aufwand bei der Hilfsmittelversorgung
63,0
62,0
Retaxationen
58,2
72,6
Lieferengpässe
58,0
35,5
Zu geringe Wertschätzung der apothekerlichen Leistungen im Gesundheitswesen
55,9
51,7
Unzureichende Honorierung von Leistungen (z. B. Rezeptur)
53,1
71,5
Umsetzung von Rabattverträgen
37,6
44,7
Nachwuchs- oder Personalprobleme
37,5
35,1
Erfüllung der Importquote
 7,2
 8,8
Andere Ärgernisse
 4,8
 3,0

Befragte: 500 Apothekenleiter, alle Angaben in Prozent, Mehrfachnennung war möglich.

Quelle: Apothekenklima-Index der ABDA

Doch es gibt natürlich auch Faktoren, die die Apotheker motivieren, ihre Arbeit gerne zu tun. Das sei vor allem anderen „die Arbeit mit Menschen“ und die soziale Komponente, so Schmidt (s. auch Tab. 2). Zwar kommt die Selbstständigkeit bei den Apothekenleitern gleich an zweiter Stelle – doch die ge­sunkene Zustimmung zu diesem Punkt mache ihm Sorgen, sagte der ABDA-Präsident.

Tab. 2: „Was sind in Ihrem Berufsalltag die größten Motivatoren?“
2017
2016
Beratung und persönlicher Kontakt zu den Patienten
79,9
77,6
Selbstständigkeit und Unabhängigkeit bzw. Freiberuflichkeit
61,0
68,8
Zusammenarbeit mit meinem Team
53,3
56,6
Wirtschaftlicher Erfolg
48,9
53,6
Soziale Rolle der Apotheke vor Ort
47,5
40,7
Heilberufliche Tätigkeit auf pharmazeutisch-­wissenschaftlicher Basis
45,5
40,4
Beitrag zur Gesundheitsvorsorge
18,0
15,1
Andere Motivationen
 2,7
 3,2

Befragte: 500 Apothekenleiter, alle Angaben in Prozent, Mehrfachnennung war möglich.

Quelle: Apothekenklima-Index der ABDA

Gesundheitspolitische Prioritäten

Die ABDA hat die Apothekenleiter auch befragen lassen, was für sie die höchste gesundheitspolitische Priorität hat. Das Ergebnis fasste Schmidt so zusammen: „Planungssicherheit, Planungssicherheit, Planungssicherheit!“.

Auf Platz zwei hinter stabilen rechtlichen Rahmenbedingungen, die 83,7 Prozent für wichtig halten, kommen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (72,1%) und – wenig verwunderlich, wenn man an die größten Ärgernisse der Apotheker denkt – der Bürokratieabbau mit 67,8 Prozent. Die Nachwuchsproblematik halten 38 Prozent für wichtig, die Einführung des Medikations­managements und andere Dienst­leistungen 29,2 Prozent.

Die allererste Maßnahme, die die nächste Bundesregierung aus Sicht der Apotheker in Bezug auf das Apothekenwesen anpacken sollte, ist das Rx-Versandverbot, finden 80,3 Prozent. Eine Anhebung des Honorars finden nur 14,3 Prozent noch wichtiger, ein Programm zur Nachwuchsgewinnung sogar nur 3,7 Prozent.

Welche immense Bedeutung das EuGH-Urteil für die Apotheker hat, zeigen auch die folgenden ­Ergebnisse: 56,3 Prozent der Apotheker gaben als Grund für negative Investitionsentscheidungen die unsichere Lage nach der Aufhebung der Preisbindung für ausländische Arzneimittelversender an, 33,9 Prozent sehen den Personalbereich betroffen und 18,9 Prozent wollen weniger ausbilden als vorher. Besonders betroffen sehen sich offenbar Apotheker in Orten mit weniger als 5000 Einwohnern: Dort wollen 61,2 Prozent weniger investieren, 37,0 Prozent am Personal sparen und 32,7 Prozent weniger ausbilden.

Schlussfolgerungen

Für die nächsten zwei bis drei Jahre sei „nicht mit einem Wachstum der Apothekenbranche zu rechnen“, fasste Schmidt die Ergebnisse der Umfrage zusammen. Außerdem zeige sie eindrucksvoll, für wie bedeutsam die Apotheker die Gleichpreisigkeit bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln halten. Das strafe alle diejenigen lügen, die den Apothekern einreden wollten, dass das EuGH-Urteil keine dramatischen Auswirkungen auf ihre tägliche Arbeit habe. Mehr als die Hälfte der Apotheker gaben an, dass das Urteil konkrete negative Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen hat, ein Drittel sieht einen negativen Einfluss auf Per­sonalentscheidungen. Als mit Abstand wichtigste kurzfristige Maßnahme fordern die Apotheker das Rx-Versandverbot, längerfristig hat Planungssicherheit im ordnungspolitischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Sinne die höchste Priorität. |

Informationen zum 1. Apothekenklima-Index 2016 finden Sie in der AZ 2016, Nr. 42, S. 5: „So geht’s den deutschen Apotheken“

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