Wirtschaft

Litsch: Apotheker sollen Biosimilars substituieren

Der Arzneiverordnungs-Report sieht bei Biologika noch viel Sparpotenzial

BERLIN (ks) | Die GKV-Arzneimittelausgaben sind 2016 mit 3,6% moderat gestiegen. Dennoch schlagen die Herausgeber des seit 1985 alljährlich erscheinenden Arzneiverordnungs-Reports (AVR) auch in diesem Jahr in gewohnter Weise Alarm: Es würden nicht nur mehr, sondern vor allem immer teurere Arzneimittel verordnet, kritisieren sie. Das liege nicht zuletzt daran, dass die Politik das AMNOG zurückgebaut und sinnvolle Erweiterungen nicht durchgesetzt habe.

So kann Herausgeber Ulrich Schwabe nach wie vor nicht nachvollziehen, dass der Gesetzgeber auf die zunächst vorgesehene frühe Nutzenbewertung im Bestandsmarkt verzichtet hat. Ebenso wenig, dass er dieses Jahr beim Arzneimittelmarktversorgungsstärkungsgesetz im letzten Moment ­davon Abstand nahm, eine Umsatzschwelle für das erste Marktjahr einzuführen, bei deren Überschreiten der Erstattungsbetrag schon früher gegriffen hätte. Denn Schwabe ist überzeugt: „Patentgeschützte Arzneimittel kosten mehr, als sie wert sind.“ Dazu bemüht der AVR auch in diesem Jahr einen Preisvergleich mit anderen europäischen Ländern, in dem Deutschland wieder einmal als teuerstes Land abschneidet – auch wenn man Abschläge und Rabatte abzieht. Jürgen Klauber, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und seit diesem Jahr ebenfalls AVR-Heraus­geber, erklärte, bei einer konservativen Rechnung bestehe für Deutschland ein Sparpotenzial von 13,3 % oder 1,5 Mrd. Euro.

Fast jeder dritte neue Wirkstoff ein Biologikum

Die AVR-Herausgeber legten auch ein besonderes Augenmerk auf die gentechnologisch hergestellten Biologika, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Mittlerweile sei fast jeder dritte neue Wirkstoff ein Biologikum. Von 2006 bis 2016 habe sich ihr Umsatz von 3,1 Mrd. Euro auf 7,8 Mrd. Euro erhöht. Inzwischen sind die ersten dieser Arzneimittel aus dem Patent gelaufen und Biosimilars treten als Mitbewerber auf den Plan. Für ­sieben Wirkstoffe gibt es diese Nachahmer bereits. Sie setzen sich bislang allerdings nur zögerlich durch – einige mehr, andere weniger. Die Einsparungen sind noch gering. Auch weil die Biosimilars nur etwa 20 % günstiger sind als ihre Originale – im Bereich der synthetisch-chemischen Wirkstoffe ist man bei Generika ganz an­dere Abschläge gewohnt. Entscheidend sei nun, wie sich der Biosimilarmarkt weiterentwickle, betonte Klauber. Er verwies auf eine Studie, nach der die Entwicklungs­kosten nur bei einem Viertel des Originals liegen sollen. „Es bleibt bei Biosimilars also noch viel Luft nach unten“, so der WIdO-Chef.

Für und Wider die Substitution durch Apotheken

Auch Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) und ebenfalls neuer Mit-Herausgeber des AVR, ist ein Biosimilar-Fürsprecher. Dass sie sich nur langsam im Markt behaupten, führt er vor allem auf Desinformation und darauf beruhenden Bedenken zurück: Es werde behauptet, die Biosimilars seien eben nur ähnlich, aber könnten nicht gleichwertig ausgetauscht werden. Doch die Erfahrung der vergangenen Jahre zeige: Bislang konnte bei keinem Biosimilar ein relevanter Unterschied zum Original hinsichtlich pharmazeutischer Qualität, therapeutischer Wirksamkeit, Sicherheit und Nebenwirkungen festgestellt werden. Die AkdÄ hat daher auch kürzlich einen Leitfaden herausgegeben, der Ärzte zum vermehrten Biosimilar-Einsatz ermutigen soll.

Auch der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, sieht noch ungenutztes Sparpotenzial bei Biosimilars und wünscht sich Zielvereinbarungen, um dieses zu heben. Er könnte sich zudem vorstellen, noch einen Schritt weiterzugehen: Er findet es eine „gute Idee“, auch Apothekern die Möglichkeit der Biosimilar-Substitution einzuräumen, so wie es heute bei Generika selbstverständlich ist. Ludwig hat da noch Bedenken – der AkdÄ-Leitfaden will dies explizit nicht. Der Onkologe erklärt dies damit, dass die meisten Biosimilars heute ohnehin im Krankenhaus zum Einsatz kommen und in der Apotheke keine Rolle spielen. Zudem hat er seine Zweifel, ob die Aufklärung der Patienten und die Erfassung verschiedener Daten (z. B. Chargennummer) in der Apotheke gewährleistet sein würden. Allerdings: Dies sei sein Standpunkt 2017 – möglicherweise sehe er dies in Zukunft anders, räumte Ludwig ein. |

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