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Management
Filiale im Fokus
Teil 15: Arbeit und Freizeit
Die Spannbreite der in der Praxis getroffenen Vereinbarungen ist groß. So variieren die Arbeitszeiten von 12 bis 48 (oder unzulässigerweise mehr) Stunden pro Woche. Zudem sind in vielen Verträgen pauschale Vorgaben bezüglich der Überstunden gemacht, wie etwa: „Die Arbeitszeit beträgt 40 Stunden zuzüglich der anfallenden Überstunden“ oder „Die Arbeitszeit beträgt 35 Stunden, dabei sind Überstunden bis zur gesetzlichen Höchstarbeitszeit zu leisten“. Dies sind nur zwei Beispiele für die vielfältigen Formulierungen.
1. Regelarbeitszeit
Bei der Vereinbarung der Arbeitszeit ist zunächst einmal die Mindestarbeitszeit zu betrachten. Wann kann ein Filialapotheker – rein quantitativ – verantwortlich leiten? Vorausgesetzt wird mindestens eine hauptberufliche Tätigkeit, also eine, von der der Apotheker leben kann und die über 50% seiner gesamten Arbeitszeit ausmacht.
Die größere Problematik liegt allerdings in der Einhaltung der Höchstarbeitszeitgrenzen. In der Praxis gibt es hier kaum Obergrenzen. Die gesetzliche Höchstarbeitszeit beträgt gemäß § 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) 48 Stunden (sechs Tage zu je acht Stunden). Dabei kann die tägliche Arbeitszeit durchaus auch von acht auf zehn Stunden ausgeweitet werden, wenn im Durchschnitt innerhalb von 24 Wochen acht Stunden täglich nicht überschritten werden.
Da im Apothekengewerbe eine 6-Tage-Woche zugrunde gelegt wird, bedeutet das im extremen Fall eine 60-Stunden-Woche. Das kann natürlich nur die Ausnahme sein und muss wie gesetzlich vorgesehen wieder ausgeglichen werden. Im Apothekenbetrieb ist hier insbesondere zu beachten, dass der Bereitschaftsdienst (also auch Notdienstbereitschaft) im vollen Umfang als Arbeitszeit zu bewerten ist.
2. Individuelle Arbeitszeit
Das oben Geschilderte zeigt die dringende Notwendigkeit, eine vernünftige vertragliche Arbeitszeitregelung festzuschreiben. Die Vertragsformulierungen sind hier vielfältig und leider oft rechtlich nicht haltbar.
Eine Vereinbarung wie „Der Arbeitsvertrag richtet sich nach Tarif plus 35%“ ist nicht ratsam, da gerade für den Filialleiter keine tarifliche Höchstarbeitszeit festgelegt wurde. Der Vertrag wäre in diesem Punkt unwirksam und müsste „entsprechend dem Parteiwillen“ ausgelegt werden. Allerdings sind es in diesem Fall wieder Dritte (nämlich Anwälte oder Richter), die eine solche Auslegung vornehmen.
Unwirksam sind im Übrigen auch alle Verträge, die sich mit der Benennung einer bestimmten Stundenzahl zurückhalten und eine unbestimmte Anzahl an Überstunden pauschal in die Vergütung einbeziehen wollen. So ist bei Klauseln wie „Durch das Arbeitsentgelt ist die Mehrarbeit abgegolten“ oder sinngemäßen Formulierungen unklar, welche Gegenleistung der Arbeitnehmer für die Pauschalvergütung erbringen muss. Man kann leicht nachprüfen, ob eine solche Klausel unwirksam ist, indem man versucht, einen genauen Stundenlohn zu berechnen. Das Bundesarbeitsgericht und mehrere Landesarbeitsgerichte haben entsprechende Klauseln mittlerweile für unwirksam erklärt, da sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen und nicht transparent genug sind. Wirksam dürfte eine Überstundenpauschale dann sein, wenn eine zeitliche Begrenzung der abgegoltenen Überstunden erfasst ist; dann kann (und sollte) der Filialleiter seinen Stundenlohn genau berechnen.
Eine Frage, die an dieser Stelle immer wieder auftaucht, ist, ob die „Arbeitszeit“ nur die Öffnungszeiten der Filiale umfasst. Sämtliche Nebenarbeiten wie z. B. der Kassenabschluss, die Datensicherung, ein Monatsabschluss oder das Beaufsichtigen von Handwerkern werden häufig als selbstverständlich vorausgesetzt.
Hier gilt: Jedwede Tätigkeit des Filialleiters für bzw. im Interesse der Apotheke ist Arbeitszeit. In der EU-Arbeitszeitrichtlinie wird Arbeitszeit folgendermaßen definiert: „Arbeitszeit ist jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt.“
Damit gehören alle Tätigkeiten, die für die Apotheke oder den Inhaber erbracht werden und die nicht in den Privatbereich fallen, zur Arbeitszeit.
3. Arbeitszeitkonten
Große Unsicherheit besteht bei Filialleitern, ob ihre Tätigkeit und Stellung der Führung eines Arbeitszeitkontos nach § 4 BRTV entgegensteht. Dies ist eindeutig nicht der Fall, wenn die oben erörterten Mindestarbeitszeitgrenzen nicht unterboten werden. Ist der Filialleiter auch bei verringerter Arbeitszeit „Herr des Geschehens“, steht der Führung eines Arbeitszeitkontos und damit auch entsprechenden Freistellungsphasen nichts entgegen.
Die einzige Besonderheit ist, dass der Filialleiter für Zeiten seiner Abwesenheit – in Absprache mit dem Apothekenleiter – selbst seine Vertretung finden, vorschlagen und einsetzen muss. Findet sich niemand, so kommt eine Reduktion nicht in Betracht oder muss mit dem Inhaber verhandelt werden. Auch der Verringerung der Arbeitszeit auf null steht nichts entgegen, wenn diese Zeit – zusammen mit weiteren Freistellungen wie z. B. Urlaub – die Drei-Monats-Grenze gemäß § 2 Abs. 5 ApBetrO nicht überschreitet.
Das Problem besteht darin, dass der Filialleitung meistens keine eigene Vertretung zur Verfügung steht. Die Vertretung übernimmt in der Praxis häufig ein Apotheker aus der Hauptapotheke oder der Inhaber selbst. Ist das nicht machbar, besteht bei ausreichender Versorgung der Bevölkerung und ggf. Übernahme des Notdienstes durch eine andere Apotheke die Möglichkeit, bei der Kammer eine Schließung zum Beispiel für einen Samstag zu beantragen.
Leider ist die ordnungsgemäße Führung eines Arbeitszeitkontos immer noch ein Problem.
Gerade bei der Kombination Arbeitszeitkonto und Urlaub bzw. Bildungsurlaub kommt es öfter zu großen Fehlern bei der Berechnung der einzutragenden Stundenzahl.
Die Faustformel lautet: Für Urlaub, Bildungsurlaub oder Krankheit darf keinem Mitarbeiter eine Minusstundenzahl berechnet werden. Im Zweifel müssen die Stunden angesetzt werden, die der regulären Arbeitszeit entsprochen hätten.
Entsteht dem Mitarbeiter fälschlich ein Minus und will der Inhaber dies nicht einsehen, so können die Ansprüche auf die Bezahlung dieser Stunden noch bis zu drei Jahre im Nachhinein geltend gemacht werden. Die meisten Fehler entstehen hier durch den Einsatz von unflexiblen Zeiterfassungssystemen, die den Inhaber später – ggf. bei der Endabrechnung im Falle des Ausscheidens eines Filialapothekenleiters – möglicherweise viel Geld kosten.
4. Urlaub
Ganz pauschal kann gesagt werden, dass sich die Urlaubsansprüche im Apothekenbereich zwischen 24 [Mindesturlaubsanspruch nach § 7 Bundesurlaubsgesetz (BurlG)] und 36 Tagen bewegen.
Nach oben hin ist bei der Verhandlung um einen Filialleitervertrag nur eine Grenze gesetzt: Gemäß § 2 Abs. 5 ApBetrO darf ein Apothekenleiter sich nicht länger als drei Monate vertreten lassen.
Da auch bei der Filiale vom Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke ausgegangen werden muss und den Filialleiter dort eine ähnliche Verantwortung trifft, kann demnach ein Urlaubsanspruch, der über drei Monate hinausgeht, nicht gewährt werden.
Der Mindesturlaubsanspruch eines Filialleiters ergibt sich aus § 7 BUrlG. Danach stehen ihm nicht nur 24 Werktage bzw. vier Wochen Urlaub zu, er hat zusätzlich noch den Anspruch, diesen Urlaub in einem Stück – bzw. aus betrieblichen Gründen höchstens in zwei Teilen – zu nehmen. Dies findet hier besondere Erwähnung, weil es in der Praxis Fälle gibt, in denen Filialleitern – mangels einer adäquaten Vertretung – nur Urlaube von einer Woche oder sogar noch weniger zugestanden werden.
Auch umgekehrt ergibt sich gerade in kleineren Filialverbünden des Öfteren das Problem, dass keine einzelnen Urlaubstage genehmigt werden, da der Filialleiter nur mit dem Chef tauschen kann und dieser dann keine Zeit hat.
Da Urlaub zum Zwecke der Erholung hauptsächlich „am Stück“ genommen werden soll, kommt die Gewährung von einzelnen Tagen zwar ohnehin nur für Resttage in Betracht; diese können aber durchaus auch einzeln beantragt werden.
Für den Filialleiter ist es wichtiger als für andere Angestellte, die Lage des Urlaubs rechtzeitig beim Inhaber zu beantragen und gegebenenfalls Vorschläge für die Vertretung zu unterbreiten. Wenn der Filialleiter auch die Arbeits- und Urlaubspläne für seine Mitarbeiter erstellt, empfiehlt es sich, diese rechtzeitig zu befragen und die Urlaubswünsche zu koordinieren. Der Filialleiter ist auch in seiner Abwesenheit – zumindest für die vorherige ordnungsgemäße Planung – für seine Filiale verantwortlich. |
Bisher sind erschienen
- Teil 1: Erfolgreiche Zusammenarbeit durch eine eindeutige Stellenbeschreibung, AZ 2017, Nr. 19, S. 6
- Teil 2: Der Vertrag des Filialapothekers, AZ 2017, Nr. 21, S. 6
- Teil 3: Die Sandwich-Position des Filialleiters – Herausforderung und Chance, AZ 2017, Nr. 23, S. 6
- Teil 4: Rechtliche Positionierung des Filialleiters, AZ 2017, Nr. 25, S. 6
- Teil 5: Der Filialleiter als Coach, AZ 2017, Nr. 27, S. 6
- Teil 6: Der Filialleiter als Primus inter Pares, AZ 2017, Nr. 29, S. 6
- Teil 7: Gut vernetzt als Filialleiter, AZ 2017, Nr. 31, S. 6
- Teil 8: Leiter einer Filialapotheke = leitender Angestellter?, AZ 2017, Nr. 34-35, S. 6
- Teil 9: Selbstcoaching ist PRIMA, AZ 2017, Nr. 37, S. 6
- Teil 10: Haftungsrisiko Filialapothekenleitung? AZ 2017, Nr. 39, S. 6
- Teil 11: Mitarbeitermotivation – mit Geld nicht zu bezahlen, AZ 2017, Nr. 41, S. 6
- Teil 12: Reden wir über Geld, AZ 2017, Nr. 43, S. 6
- Teil 13: Verhandeln lohnt sich, AZ 2017, Nr. 45, S. 6
- Teil 14: Impulsgeber Strategie, AZ 2017, Nr. 47, S. 6
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