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Gesundheitspolitik
„Alternative Fakten“ von den Versendern?
Verband setzt Umfragen und Rechtsgutachten gegen Rx-Versandverbot ein
ABDA und Versandapotheken versuchen derzeit viel, um ihre Position zum Rx-Versandverbot in Berlin durchzusetzen. „Leider arbeiten Kampagnen gegen den Arzneiversand hauptsächlich mit Emotionen und schüren die Angst vor dem scheinbar Unbekannten“, kritisiert Heinrich Meyer, Leitender Apotheker der Versandapotheke Sanicare und Vorstand des BVDVA. „Dabei wäre eine faktenbasierte Aufklärung wichtig“, betont er in einer Presseerklärung. Doch inwiefern wird sein Verband dem eigenen Anspruch gerecht?
Nach Recherchen von DAZ.online sind Umfrageergebnisse des Branchenverbands Bitkom, auf die sich der BVDVA bezieht, nicht wirklich repräsentativ. Bitkom errechnet aufgrund seiner online durchgeführten Erhebung, dass bislang 31 Millionen Deutsche im Internet Arzneimittel gekauft haben. Befragt wurden jedoch nur Menschen, die ohnehin online shoppen – und bereit sind, gegen Geld an der Erhebung teilzunehmen.
Doch aus derartigen Umfragen, die „fast nie repräsentativ seien“, abzuleiten, wie viele Millionen in welcher Altersgruppe online Medikamente einkaufen, sei „alles andere als sinnvoll“, betont der auf Methoden der empirischen Sozialforschung spezialisierte Soziologe Jörg Blasius von der Uni Bonn.
Rx-Versand ist kein Onlinehandel
Dennoch fanden die Zahlen auch Eingang in das DAZ.online vorliegende Rechtsgutachten des Bonner Juristen Christian Koenig, das der BVDVA bei dem früheren DocMorris-Aufsichtsrat in Auftrag gab. „Zuverlässige wissenschaftliche Daten“ seien wichtig, schreibt er in dem Anfang Januar erstellten Gutachten – und erklärt mit Bezug auf die Bitkom-Umfrage, dass mittlerweile 62 Prozent der über 65-Jährigen Medikamente online bestellen. Doch diese Zahl bezieht sich nur auf die gut 40 Prozent aller Senioren, die online sind – sodass laut der Bitkom-Umfrage statt der angegebenen 62 Prozent nur gut 26 Prozent aller über 65-Jährigen bislang zum Arzneimittelversandhandel gegriffen hätten. Gleichzeitig bleibt unklar, wie es im Rx-Bereich aussieht: Aufgrund der Notwendigkeit, ein Rezept einzuschicken, kann bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln ja nicht von Onlinehandel die Rede sein.
Allensbach: Mehr als die Hälfte will Rx-Versandverbot
Basierend auf einer gleichfalls online durchgeführten Umfrage meldete der BVDVA kürzlich, dass 52 Prozent der Landbevölkerung Arzneimittel online bestellten. Zudem würden 71 Prozent der Deutschen das „von Gesundheitsminister Gröhe geplante Versandverbot“ als „nicht zeitgemäß“ ablehnen. Dem widerspricht eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, die nicht per Internet, sondern persönlich durchgeführt wurde und damit die Meinung der Bevölkerung – und nicht nur der Internetnutzer – repräsentiert. Danach sprachen sich 51 Prozent aller Befragten für das Verbot des Rx-Versandhandels aus, nur jeder Dritte dagegen.
Kritische Nachfragen nicht erwünscht
Am heutigen Montag will der BVDVA Einblick in Details der Erhebung gewähren: In die „Parlamentarische Gesellschaft“ gegenüber dem Reichstag in Berlin lädt er Politiker ein, um das Rechtsgutachten und die Umfrage vorzustellen. Pressevertreter sind jedoch nicht erwünscht, mit kritischen Fragen will man sich im Beisein der Politiker wohl lieber nicht auseinandersetzen müssen. Stattdessen will der BVDVA seine Umfrage sowie auch das Rechtsgutachten im Nachhinein veröffentlichen. Erst dann werden auch die genauen Fragestellungen bekannt sein. |
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