Arzneimittel und Therapie

Antibiotische Ohrentropfen bei Otitis media

Nach Expertenmeinung nur sinnvoll, wenn Trommelfell defekt oder durch Paukenröhrchen geöffnet

rr | Ohrentropfen bei Ohrenleiden – das klingt zunächst logisch, gilt aber schon lange nicht mehr. Zumindest bei der akuten Mittelohrentzündung weiß man, dass der Schmerz hinter dem Trommelfell sitzt und mit dieser Darreichungsform nicht erreicht werden kann. In bestimmten Situationen haben Ohrentropfen dennoch weiterhin ihre Berechtigung.

Wenn Kleinkinder unter plötzlich einsetzenden Ohrenschmerzen und Fieber leiden, verbirgt sich dahinter häufig eine akute Mittelohrentzündung. Studien zufolge liegt die Prävalenz der Otitis media im ersten Lebensjahr bei etwa 19%, im zweiten und dritten Lebensjahr bei etwa 32%. Die häufigsten bakteriellen Erreger sind Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Moraxella catarrhalis.

Auch wenn warten schwerfällt

Treten die Leitsymptome auf, bedeutet dies aber nicht zwangsläufig, mit einer Antibiose darauf zu reagieren, denn die Erkrankung heilt meist spontan aus. „Die Domäne der Behandlung der akuten Otitis media stellt weiterhin die symptomatische Therapie mit Schmerzmitteln (Ibuprofen) und abschwellenden Nasentropfen bzw. Nasenspray dar.“ erklärt Prof. Dr. Dr. Thomas Zahnert vom Universitätsklinikum Dresden, der an der Erstellung der neuen Leitlinie „Otitis media“ beteiligt ist (geplante Fertigstellung: Oktober 2019). Ziel dieser Maßnahmen ist, die Schleimhaut in Nase und Nasenrachen so weit abschwellen zu lassen, dass sich die Tuba eustachii wieder öffnet. Nur bei komplizierten akuten Mittelohrentzündungen, Temperaturen über 39°C oder Risikopatienten ist eine systemische Antibiotika-Gabe gerechtfertigt, so Zahnert.

Foto: DAZ/A. Schelbert
Prof. Dr. Dr. Thomas Zahnert

Otitis media ist für Kleinkinder noch immer der häufigste Grund für eine Antibiotika-Therapie. Dabei gilt: Ruhe bewahren! Die sofortige Verabreichung von Antibiotika hat erwiesenermaßen keinen Einfluss auf die Schmerzen innerhalb der ersten 24 Stunden. Die DEGAM-Leitlinie „Ohrenschmerzen“ empfiehlt, selbst bei Fieber und Erbrechen zwei Tage mit der Gabe des Antibiotikums zu warten und nur einzugreifen, wenn sich die Symptome in diesem Zeitraum nicht bessern oder sogar verschlechtern. In der Apotheke kann man die Eltern in diesem Fall beruhigen und zur Geduld anhalten. Sollte doch eine Antibiose nötig sein, gilt Amoxicillin als Mittel der ersten Wahl, alternativ ein Cephalosporin der 2. Generation wie Cefuroxim. Sofort behandelt werden sollten jedoch Kinder, die ein erhöhtes Risiko tragen, etwa wenn sie jünger als 24 Monate sind und beide Ohren betroffen sind, wenn sie unter Grunderkrankungen, rezidivierenden Infekten oder Ohrausfluss (Otorrhö) leiden oder wenn Paukenröhrchen (siehe Kasten) eingesetzt werden.

Was sind Paukenröhrchen?

Mit einem Paukenröhrchen wird ein künstliches Loch in das Trommelfell eingesetzt, sodass bei einem Paukenerguss die hinter dem Trommelfell eingeschlossene Flüssigkeit ablaufen kann. Es hat einen Durchmesser von etwa 1,2 bis 1,5 mm und besteht normalerweise aus Kunststoff wie Silikon, Polyethylen oder Teflon (Größenvergleich mit 1-Cent-Stück siehe Abb.).

Foto: JCS – Fotolia.com

Zum Einsetzen ist eine kleine Operation nötig, während der ein Schnitt im Trommelfell gemacht wird. Der Nutzen von Paukenröhrchen ist umstritten. Ein Cochrane-Review mit den Daten von mehr als 1700 Kindern ergab im Jahr 2010, dass ein Paukenröhrchen das Hörvermögen innerhalb der ersten neun Monate leicht verbessern kann. Nach einem Jahr machte es aber keinen Unterschied mehr, ob ein Paukenröhrchen eingesetzt wurde oder nicht: Alle Kinder hörten gleich gut. Da eine Operation auch Risiken bereithält, rät u. a. das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auch bei der Entscheidung, ein Paukenröhrchen einzusetzen, zu einer abwartenden Strategie.

Tropfen mit neuer Indikation

Wenn das Trommelfell defekt oder durch ein Paukenröhrchen geöffnet ist, kann auch die lokale Gabe von Antibiotika sinnvoll sein, betont Zahnert. „Oft sind es gerade Kinder, die bei liegendem Paukenröhrchen intermittierend eine Otorrhö entwickeln, die gut auf die lokale Gabe von antibiotischen Ohrentropfen in Kombination mit einem Corticoid ansprechen.“ Das bewies jüngst eine multizentrische randomisierte Doppelblindstudie: Durch die Anwendung von Ohren­tropfen mit Ciprofloxacin (0,3%) und Fluocinolon­acetonid (0,025%) konnte die Dauer bis zum Sistieren der Otorrhö von sieben Tagen unter Ciprofloxacin-Monotherapie auf vier Tage verkürzt werden. Gleichzeitig führte die Kombinationstherapie bei deutlich mehr Patienten zu einer nachhaltigen mikrobiologischen Heilung. Basierend auf diesen Studienergebnissen wurde die Zulassung von InfectoCiproCort® Ohrentropfen erweitert: Sie können seither bei Patienten mit akuter Otitis media und Paukenröhrchen ab einem Alter von sechs Monaten eingesetzt werden; die Therapiedauer kann auf sieben Tage bei zweimal täglicher Anwendung verkürzt werden.

Woran erkennt man, dass das Trommelfell geschädigt ist?

  • Stechender Schmerz
  • Hörminderung
  • Eventuell Blut im Ohr
  • Eventuell Drehschwindel, Übelkeit, ruckartige Augen­bewegungen (Nystagmus)

Doch Zahnert stellt klar: „Dagegen ist die Behandlung der akuten Otitis media bei geschlossenem oder nur schlitzförmig eröffnetem Trommelfell mit lokalen antibiotischen Ohrentropfen weder notwendig noch effektiv.“ |

Quelle

S2k-Leitlinie „Ohrenschmerzen“, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), AWMF-Registernr. 053/009, Stand November 2014

Pressemitteilung zur Indikationserweiterung von InfectoCiproCort Ohrentropfen, InfectoPharm, November 2016

Browning GG et al. Grommets (ventilation tubes) for hearing loss associated with otitis media with effusion in children. Cochrane Database Syst Rev. 2010;(10):CD001801

Paukenröhrchen können das Hörvermögen nur kurzfristig verbessern. Pressemitteilung vom IQWiG vom 04.11.2010

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