Arzneimittel und Therapie

Darmkrebs vorbeugen – aber wie?

Zur Rolle von Mikronährstoffen wie Selen und Vitamin E

Fachleute gehen davon aus, dass man die Rate an Darmkrebserkrankungen deutlich senken könnte. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: Früherkennungsmaßnahmen, Lebensgewohnheiten, Ernährung ... Eine US-amerikanische Studie hat nach dem Beweis gesucht, dass die Einnahme von Selen und Vitamin E das Risiko für Darmkrebs und seine Vorstufen reduziert – jedoch ohne Erfolg.

Die Inzidenz von Darmkrebs ist zwar durch die Verbreitung von Vorsorgeuntersuchungen in den letzten zehn Jahren zurückgegangen, aber noch immer ist er die zweithäufigste Krebserkrankung in Deutschland. Meist handelt es sich um kolorektale Tumore, die aus prämalignen Adenomen entstanden sind. Bekanntermaßen wirken sich Lebensstil und Ernährung auf das Darmkrebsrisiko aus, und immer wieder wird ein möglicher präventiver Effekt verschiedener Nährstoffe diskutiert. So lieferten einzelne Beobachtungsstudien Hinweise darauf, dass Vitamin E das Darmkrebs­risiko senken könnte, und die NPCT-(Nutritional Prevention of Cancer Trial)-Studie demonstrierte eine mög­liche protektive Wirkung von Selen.

Alexey Kuznetsov – Fotolia.com
Um sich vor Darmkrebs zu schützen, sollten fünfmal am Tag Obst und Gemüse konsumiert werden. Eine spezielle Diät zur Prävention gibt es aber nicht.

Kein Nutzen wenn kein Mangel

Diesen Hinweisen gingen Forscher der University of Arizona im Rahmen einer groß angelegten Studie zur Krebsprävention durch diese beiden Stoffe im Bezug auf das Auftreten von kolorektalen Adenomen oder Tumoren nach. Sie analysierten die Ergebnisse von Darmspiegelungen von über 6500 Patienten im durchschnittlichen Alter von 61 bis 62 Jahren, die seit mindestens einem Jahr regelmäßig Selen (in Form von Selenomethionin) und Vitamin E oder Selen und Placebo oder Vitamin E und Placebo oder zweimal Placebo einnahmen. Zwischen den Gruppen zeigten sich keine statistisch relevanten Unterschiede. Die Hazard Ratio (HR) für kolorektale Tumore betrug in der Selen-Gruppe 1,05 und in der Vitamin-E- und Selen-Gruppe 1,28 verglichen mit Placebo. Selen und Vitamin E hatten weder einen Effekt auf das Auftreten oder die Lokalisation von Adenomen im Allgemeinen noch auf das Auftreten von multiplen oder fortgeschrittenen Adenomen.

Ein Grund für die widersprüchlichen Ergebnisse im Vergleich zu vorangegangenen Untersuchungen ist, dass bei den Teilnehmern in dieser Studie kein Mangel an Selen und Vitamin E gegeben war. Dies spricht dafür, dass zumindest bei normalen Spiegeln eine Supplementation mit Selen oder Vitamin E nicht zu empfehlen ist.

Was kann man eher empfehlen?

Die S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“ rät zur Prävention von Darmkrebs zu allgemein gesundheitsfördernden Maßnahmen: regelmäßige Bewegung, Vermeidung von Über­gewicht, ausgewogene Ernährung, Verzicht auf Tabak und Alkohol. Außerdem sollten die Angebote zur Darmkrebsvorsorge in Anspruch genommen werden. Von Mikronährstoffen und Arzneimitteln wie Acetylsalicylsäure und COX-2-Hemmern wird in der Primärprävention abgeraten. |

Quelle

Lance P et al. Cancer Prev Res (Phila) 2017;10(1):45-54

S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom, AWMF-Registernummer: 021/007OL, Stand August 2014

Apothekerin Sarah Katzemich / rr


Fakten und Neuigkeiten zu Darmkrebs

rr | Der Monat März steht traditionell im Zeichen der Darmkrebsvorsorge. Wir haben für Sie ein paar Schlagzeilen der letzten Wochen zum Thema zusammengestellt.

Darmkrebs ist mit 61.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland bei Frauen nach Brustkrebs die zweithäufigste und bei Männern nach Prostata- und Lungenkrebs die dritthäufigste Krebserkrankung. Das Lebenszeitrisiko, an Darmkrebs zu erkranken, beträgt etwa 6%. Über 90% der Betroffenen sind bei der Diagnose älter als 50 Jahre. In den USA wird Darmkrebs bei älteren Erwachsenen immer seltener. Gleichzeitig steigt die Inzidenz bei nach 1990 Geborenen dramatisch. Die junge Generation hat laut einer Studie ein doppelt so hohes Risiko für ein Kolonkarzinom und ein vierfach erhöhtes Risiko für ein Rektumkarzinom als die in den 1950er-Jahren Geborenen. 
[Siegel RL et al. J Natl Cancer Inst 2017;109(8):djw322]


Im Rahmen des gesetzlichen Früherkennungsprogramms hat in Deutschland jeder Versicherte ab 50 Jahren Anspruch auf eine einmal jährliche Stuhluntersuchung. Ab 55 Jahren wird eine Darmspiegelung (Koloskopie) empfohlen. Ist das Ergebnis unauffällig, kann die Untersuchung frühestens nach zehn Jahren nochmals in Anspruch genommen werden. 

Ab April 2017
werden im Rahmen der gesetzlichen Darmkrebsfrüherkennung nur noch immunologische Stuhltests (FIT) verwendet. Dem bisher eingesetzten Guajak-basierten Stuhltest soll der FIT hinsichtlich Sensitivität und Spezifität überlegen sein. Eine hohe Spezifität bedeutet ein geringeres Risiko, dass gesunde Menschen fälschlicherweise als krank eingestuft werden.

Die ab 55 Jahren empfohlene Darmspiegelung als Goldstandard zur Früherkennung von Darmkrebs wird jedoch durch die immunologischen Stuhltests nicht ersetzt.


Zum Weiterlesen

Darmkrebs-Screening – was ändert sich? DAZ 2016, Nr. 39, S. 66

Ein deutsches Forscherteam ging in einer randomisierten Interventionsstudie mit 85.000 Versicherten der Frage nach, ob man die Vorsorgekoloskopie bereits ab einem Alter von 50 Jahren anbieten sollte. Das Ergebnis: Bei den Koloskopien der 50- bis 54-Jährigen wurden in rund 6,8% der Fälle fortgeschrittene Neoplasien entdeckt. Die Prävalenz war bei Männern doppelt so hoch wie bei Frauen. Die Studienautoren plädieren dafür, das Koloskopie-Screening bereits 50-Jährigen anzubieten, zumindest für Männer. 
[Brenner H et al. Dtsch Ärztebl Int 2017;114:94-100] 

Beeinflusst die Ernährung das Darmkrebsrisiko? Zwei prospektive Beobachtungsstudien ergaben, dass Menschen, die sich vollwertig ernähren, seltener an Tumoren erkrankten, in denen Gene von Fusobacterium nucleatum nachgewiesen wurden. Das gramnegative Stäbchenbakterium findet sich normalerweise in der Mundflora des Menschen, wo es mit Karies in Verbindung gebracht wird. Eine Besiedelung des Darms wird durch eine westliche Kost mit einem hohen Anteil von rotem Fleisch begünstigt. Im Jahr 2011 wurde genetisches Material von Fusobakterien in Darmkrebs­tumoren nachgewiesen. Der Nachweis des Bakteriums ist häufig mit einem aggressiven Verlauf des Kolorektalkarzinoms verbunden. Im Rahmen der Studie senkte eine vollwertige Kost mit einem hohen Verzehr von Obst, Gemüse und Vollkornprodukten das Risiko für Darmkrebs um 57% – allerdings nur bei Nachweis von F. nucleatum. Ansonsten hatte das Ernährungsverhalten keinen Einfluss.
[Mehta RS et al. JAMA Oncol 2017; doi: 10.1001/jamaoncol.2016.6374] 

Das Krebsrisiko lässt sich mit nur einer Frage erfassen: Haben Sie einen erstgradigen Verwandten, bei dem Darmkrebs diagnostiziert wurde? Um einen Patienten mit familiärer Vorbelastung ausfindig zu machen, muss ein Hausarzt einer Studie zufolge durchschnittlich 14 Patienten im Alter von 40 bis 54 Jahren befragen. 
[Plath J et al. Fam Pract 2017;34:30–35]

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat dem Darmkrebs-Medikament Lonsurf® (Trifluridin/Tipiracil) im Februar einen Zusatznutzen bestätigt. Es wird angewendet zur Behandlung von Erwachsenen mit metastasiertem kolorektalem Karzinom, die bereits mit verfügbaren Therapien behandelt wurden oder die für diese nicht geeignet sind.

Apotheker können Patienten bei ihrer Therapie mit oralen Krebstherapeutika beratend zur Seite stehen. Die neue DAZ-Serie „Der Krebspatient in der Apotheke“ liefert dafür das nötige Hintergrundwissen. Bisher erschienen sind: „Herausforderungen durch neue orale Therapieansätze“ (DAZ 2017, Nr. 3, S. 40) und „Onkologische Notfälle“ (DAZ 2017, Nr. 8, S. 40).

Fragen rund ums Thema Darmkrebs beantwortet auch der Krebsinformationsdienst.

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