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Kongresse
Krebs – oft eine chronische Erkrankung
45. Schwarzwälder Frühjahrskongress der LAK Baden-Württemberg
In einem Grundlagenvortrag ging Prof. Clemens Unger, Freiburg, auf die möglichen Ursachen sinkender Mortalitäts- und steigender Überlebensraten ein – und dies trotz Anstieg der Krebserkrankungen. Knapp die Hälfte aller Krebspatienten kann heute geheilt werden, wobei hier die Chirurgie den wichtigsten Beitrag leistet. Bei manchen nicht heilbaren Tumoren kann in vielen Fällen eine Chronifizierung oder lang andauernde Krankheitsphase erreicht werden. Dazu beigetragen haben Vorsorgemaßnahmen, eine verfeinerte Diagnostik, die Verbesserung der Supportivmaßnahmen sowie die Entwicklung neuer Therapeutika. Immunologisch wirksame Onkologika können vermutlich zu weiteren Fortschritten führen. Die häufigsten Tumorerkrankungen – das Mammakarzinom bei der Frau und das Prostatakarzinom beim Mann – gehören zu den Krebserkrankungen, die, falls nicht heilbar, häufig in eine lange Krankheitsphase übergehen.
Zur Steigerung der Heilungsraten bzw. zur Vorbeugung kann jeder Einzelne beitragen. Dazu gehören das Vermeiden von Übergewicht, der Verzicht auf Nicotin und übermäßigen Alkoholkonsum sowie ausreichend Bewegung. Wie Dr. Susanne Maurer, München, ausführte, konnte gezeigt werden, dass eine fettreduzierte Ernährung bei Brustkrebspatientinnen die Prognose deutlich verbessert. Auch die Vorsorgeuntersuchungen haben sich bewährt, da dadurch mehr Karzinome in einem frühen Stadium erkannt werden. Einer Hochrechnung zufolge könnten bei einer lückenlosen Teilnahme an den Angeboten in Deutschland jährlich 5000 Todesfälle verhindert werden.
Prostatakarzinom – was sollte Mann tun?
Auch für die Prävention von Prostatakarzinomen können allgemeine Maßnahmen wie eine gesunde Ernährung und Bewegung empfohlen werden. PD Dr. Niko Zantl, Konstanz, zufolge sollte man auf keinen Fall eine Diagnose verzögern, d. h. man sollte die Vorsorgemöglichkeiten wahrnehmen. Diese beginnen mit der Messung und Kontrolle des PSA-Wertes, wobei dieser Wert zahlreichen Einflüssen unterworfen ist und von einem Spezialisten beurteilt werden sollte. Weitere Maßnahmen zur Früherkennung sind die rektale Untersuchung und die transrektale Ultraschalluntersuchung (TRUS). Bei Auffälligkeiten folgt eine Prostatabiopsie, bei der zehn bis zwölf Proben entnommen werden. Liegt ein Prostatakarzinom vor, wird es entsprechend seiner Dignität einer von drei Risikogruppen zugeteilt und entsprechend behandelt.
Liegt ein niedriges Risiko vor, wird der Patient engmaschig kontrolliert (aktive Überwachung), aber ein chirurgischer Eingriff wird hinausgeschoben; dabei darf eine eventuelle Metastasierung nicht übersehen werden. Besteht ein mittleres Risiko, wird eine Behandlung eingeleitet. Hier kommen chirurgische Operation und Bestrahlung in Betracht. Der chirurgische Eingriff kann offen oder Roboter-gesteuert (da Vinci-Methode) erfolgen und sollte funktionserhaltend und nervschonend verlaufen.
Die Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms erfolgt medikamentös (Hormontherapie, Chemotherapie, Schmerztherapie, Knochenprotektion) und chirurgisch – Letzteres nach einem Paradigmenwechsel im Jahr 2014. Eine richtige Auswahl und Abfolge geeigneter Arzneimittel ermöglicht in vielen Fällen ein langes Überleben bei akzeptabler Lebensqualität.
Supportivtherapie – die vierte Säule der Tumorbehandlung
Der Erfolg einer Krebsbehandlung hängt in großem Ausmaß von einer begleitenden Supportivtherapie ab. Seit November 2016 steht hierfür eine S3-Leitline „Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen“ zur Verfügung. Dr. Annette Freidank, Fulda, erläuterte deren Zustandekommen, Aufbau und Inhalte. Die Leitlinie befasst sich mit zehn relevanten Aspekten der Supportivtherapie, die auch bei der Beratung in der Apotheke eine wichtige Rolle spielen. Freidank ging auf die Kapitel Wachstumsfaktoren, Emesis und Nausea, Diarrhö, orale Mukositis und Hauttoxizitäten näher ein und erläuterte, dass eine Beratung zu supportiven Maßnahmen sehr praxisrelevant sein kann. Hier ein Beispiel: Ein Patient unter Chemotherapie klagt über Diarrhö. Diese kann bedeutungslos sein, als Nebenwirkung der Chemotherapie auftreten, durch eine falsche Einnahme oraler Zytostatika bedingt sein oder auf eine immunvermittelte Colitis hinweisen. Ein genaues Hinterfragen der Beschwerden ist unabdingbar, um eine richtige Entscheidung zur Therapie zu treffen.
„Orphanisierung der Onkologie“
„Seltene Krankheiten sind selten, aber Patienten mit seltenen Krankheiten sind zahlreich.“ Mit diesem Zitat leitete Prof. Theo Dingermann, Frankfurt, seinen Vortrag über Orphan Drugs ein. In jüngster Zeit ist unter den Wirkstoffen mit Orphan-Drug-Status ein steiler Anstieg an Onkologika zu verzeichnen. Das hat seinen Grund darin, dass Krebsmedikamente zunehmend stratifiziert eingesetzt werden, das heißt, es liegt ein bestimmtes Target (wie etwa eine Mutation) vor, das medikamentös beeinflusst werden kann. Da immer mehr Mutationen entdeckt werden, die nur bei relativ wenigen Patienten auftreten, steigt die Nachfrage nach solchen stratifizierten Therapeutika. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „Orphanisierung der Onkologie“. In den vergangenen zwei Jahren wurden jeweils für 14 neue Orphan Drugs Zulassungen ausgesprochen. Insgesamt sind in der EU 88 Orphan Drugs zur Therapie von 93 Erkrankungen zugelassen. Davon ist knapp die Hälfte zur Therapie von Tumorerkrankungen bestimmt (z. B. Multiples Myelom, Pankreaskarzinom, Akute Lymphatische Leukämie und Chronische Lymphatische Leukämie).
Ein weiterer großer Teil der Orphan Drugs wird zur Therapie angeborener Stoffwechselkrankheiten benötigt. Dingermann erläuterte die Entwicklung eines solchen Medikaments am Beispiel eines modifizierten Enzyms zur Therapie des Morbus Gaucher.
Ein Vortrag über den Humor als wesentliches Merkmal gelingender Kommunikation von Eva Ullmann, Leipzig, rundete den zweitägigen Fortbildungskongress ab. |
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